Entsprechend den Zahlen der Sozialversicherung nehmen in Österreich jährlich knapp 50 % aller Anspruchsberechtigten am zytologischen Screening teil, wobei davon auszugehen ist, dass innerhalb einer Zeitspanne von 3 Jahren über 70 % der Frauen dieses Vorsorgeangebot nutzen. Diese Zahlen weisen allerdings umgekehrt darauf hin, dass weitere Fortschritte nur zu erzielen sind, wenn jene Frauen erreicht werden, die gar nicht oder nicht regelmäßig am Pap-Screening teilnehmen.
Die Einführung des HPV-Tests als Primärscreeningverfahren mit gleichzeitiger Verlängerung der Screeningintervalle auf 2 oder 3 Jahre, wie seit Längerem von Befürwortern des HPV-Screenings (und Produktherstellern) angeregt wird, ist aus mehreren Gründen problematisch. Zwar ist die Sensitivität des HPV-Tests in Bezug auf die Detektion von mittelgradigen und schweren Dysplasien (CIN II+) höher einzustufen als die des Pap, in Bezug auf die Spezifität ist jedoch der HPV-Test dem Pap deutlich unterlegen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, beide Tests zeigen bei positivem Ergebnis ja völlig verschiedene Pathologien an: ein positiver Pap-Abstrich bekanntlich eine Zellveränderung, ein positiver HPV-Test nur eine Virusinfektion, die in der Mehrzahl der Fälle, ohne eine Zellveränderung zu verursachen, ausheilt. Aus diesem Grund sind positive HPV-Testergebnisse im Rahmen des Primärscreenings im klinischen Alltag auch wenig aussagekräftig. Betrachtet man zudem den positiven Vorhersagewert (PPV), der die Verlässlichkeit des Testergebnisses ermittelt, so ist der PPV bezogen auf CIN-II+- und mehr noch auf CIN-III+-Läsionen erschreckend niedrig. Die zytologische Untersuchung als morphologische Methode erfüllt hingegen das wesentliche Ziel eines Krebsfrüherkennungsprogrammes, nämlich die Identifikation einer Erkrankung (im Vorstadium).
Daran ändert auch der jüngste Bericht des Deutschen Institutes für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zur Kosteneffektivität der Zervixkarzinom-Vorsorge* nichts.
Diskussionswürdige Kosten-Nutzen-Analyse: Das DIMDI empfiehlt, dass
junge Frauen bis zum 24. Lebensjahr grundsätzlich nicht mehr vorsorglich auf Zervixkarzinom untersucht werden sollten,
bei Frauen zwischen dem 25. und 29. Lebensjahr auch künftig der Pap-Abstrich als Screeningverfahren zum Einsatz kommen sollte, das Intervall wird allerdings auf 2 Jahre verlängert,
und bei allen Frauen wäre ab dem 30. Lebensjahr der HPV-Test zum Primärscreening (in 2-Jahres-Intervallen) einzuführen.
Diese Empfehlung basiert auf Kosten-Nutzen-Analysen, und wir haben es schon bei der Kosten-Nutzen-Evaluierung der HPV-Impfung erleben müssen, wie lebensfern und einseitig solche HTA-Berichte sind. Im Einzelnen:
Dem HTA-Bericht liegen theoretische Berechnungen (Modellberechnungen) zugrunde, wie sich z. B. HPV-Befunde auf die Psyche betroffener Frauen auswirken, wurde nicht erfasst.
Die Möglichkeit einer Übertherapie bedingt durch einen positiven Befund wird auch vom HTA-Bericht nicht negiert.
Der Ausschluss junger Frauen (bis zum 24. Lebensjahr) vom Screening ist nicht nachvollziehbar, denn von allen CIN-III-Läsionen (schwere Dysplasien und Carcinoma in situ) entfallen fast 20 % auf diese Altersgruppe.
Auch die Screeningintervall-Verlängerung für Frauen zwischen dem 25. und 29. Lebensjahr scheint ausschließlich durch Kostenbetrachtungen begründet. Tatsächlich findet sich die höchste Inzidenz für CIN-III-Läsionen in der Altersgruppe zwischen dem 25. und 29. Lebensjahr und die individuelle Sensitivität des Pap-Tests steigt mit der jährlichen zytologischen Untersuchung.
In der Zusammenfassung des HTA-Berichtes heißt es weiter, dass ein im 2-Jahres-Intervall durchgeführter HPV-Test ähnlich effektiv sei wie der jährliche Pap-Test.
Es gibt also viele Gründe, beim Pap-Screening zu bleiben, im Einzelnen:
Es ist zu befürchten, dass eine Vielzahl von HPV-Befunden zu einer Übertherapie eigentlich gesunder Frauen führen würde, die aufgrund zumeist harmloser, aber psychisch belastender, positiver Testergebnisse in höchs – tem Maße verunsichert sind.
Die Durchführung des HPV-Tests ist theoretisch nicht an die gynäkologische Betreuung gebunden, womit unsere traditionellen Bemühungen als Berater der Frauen (und ihrer Familien) in Fragen der Gesundheitsförderung tätig zu sein, konterkariert würden. Die Einführung der zytologischen Krebsfürsorge war ja Initialzündung für die Etablierung der gynäkologischen Praxis als Vorsorgezentrum. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte wurde dieses Angebot bereitwillig angenommen, wobei unsere präventivmedizinischen Aufgaben in den letzten Jahren noch zunehmend ausgeweitet wurden. Dies ist wohl umso wichtiger, als wir nicht selten die einzigen ärztlichen Ansprechpartner und Begleiter der Frauen während ihrer verschiedenen Lebensabschnitte sind. Die demographische Entwicklung lässt darauf schließen, dass wir uns in Zukunft noch vermehrt präventivmedizinischen Themen werden widmen müssen, die bislang nicht unsere eigentlichen Aufgaben waren: Es sind dies unter anderem chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herz- und Lungenerkrankungen bzw. Osteoporose, aber auch Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2, also Zustände, bei denen durch rechtzeitiges Gegensteuern, wie z. B. durch entsprechende Therapiemaßnahmen (u. a. Hormonsubstitution in der Peri- und Postmenopause), ein wesentlicher Gesundheitsbeitrag geleistet werden kann.
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, „Educate a woman and you educate a family“, dieser Satz bringt es eindrucksvoll auf den Punkt. Wenn wir unsere Patientinnen gut beraten, werden sie diese Beratung weitergeben, womit die besten Voraussetzungen geschaffen sind, dass der Gedanke der Primär-(und Sekundär-)Prävention in der Familie umgesetzt wird. Die frauenärztliche Praxis leistet als Kompetenzzentrum für Präventivmedizin also einen ganz entscheidenden Beitrag zur Familiengesundheit und in diesem Sinne zur Gesundheit der Bevölkerung.
Abschließend nochmals zur Zervixkarzinom-Vorsorge: In Österreich mahlen die Mühlen traditionell langsamer, in unserem Nachbarland Deutschland, das in mehrfacher Hinsicht in Bezug auf die Zervixkarzinom-Vorsorge mit unserem Land vergleichbar ist – opportunistisches Screening, 1-mal jährliche Pap-Abnahme –, ist die Diskussion allerdings bereits voll im Gange. Es ist unsere Aufgabe, den politischen und fachlichen Entscheidungsträgern gegenüber festzuhalten, dass die Inhalte des jährlichen Besuches einer gynäkologischen Praxis weit über die Zervixkarzinomvorsorge hinausgehen. Parallel dazu ist allerdings unser Bemühen in Richtung fachliche Kompetenzerweiterung noch zu intensivieren, um unsere Patientinnen (und ihre Familien) umfassend präventivmedizinisch betreuen zu können.
*HTA-Bericht Nr. 98 des DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information): http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta265_bericht_de.pdf