Die ursprünglich sehr emotional geführte Diskussion ist in letzter Zeit einer zunehmend sachlicheren, einer evidenzbasierten Betrachtungsweise gewichen. Eine ganz spezielle Situation liegt nun bei prämaturer Menopause vor, gleichgültig ob diese spontan eintritt oder durch chirurgische Maßnahmen induziert wird.
Bei ungefähr 1% der Frauen tritt die Menopause spontan verfrüht, d.h. vor dem 40. Lebensjahr ein, wobei für die Betroffenen die Diagnose “prämature Menopause” zumeist sehr belastend ist. In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob im Bezug auf eine HRT Unterschiede zwischen Fällen mit spontan eingetretener prämaturer Menopause und chirurgisch induzierter Menopause zu beachten sind. Bei chirurgisch induzierter Menopause ist ja insbesondere zu berücksichtigen, dass diese plötzlich eintritt und deshalb möglicherweise unmittelbar ein Risiko für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Krankheiten, aber auch von chronischen Erkrankungen wie Osteoporose besteht. Auch sind psychologische Konsequenzen nicht zu unterschätzen, so sind Depressionen und Störungen des Sexuallebens mit konsekutiv verminderter Lebensqualität nach chirurgisch induzierter, prämaturer Menopause nicht allzu selten.
Im Bezug auf das kardiovaskuläre Risiko sind nach spontan eingetretener bzw. chirurgisch induzierter, prämaturer Menopause keine wesentlichen Unterschiede zu beobachten. Die Menopause ist ja per se als kardiovaskulärer Risikofaktor zu betrachten, verantwortlich dafür sind die Zunahme des Body-Mass-Index, die zu einer verminderten Sensibilität gegenüber Insulin führt, die Erhöhung des systolischen Blutdrucks sowie der Anstieg des LDL-Cholesterins. Die Auswirkungen der chirurgisch induzierten prämaturen Menopause (nach bilateraler Ovarektomie vor dem 40. Lebensjahr) auf das kardiovaskuläre System sind Inhalt einer norwegischen Populationsstudie. In dieser Studie wurde eine deutliche Erhöhung des Framingham-Risikoscores nachgewiesen. Daraus ist aber auch abzuleiten, dass, wenn keine onkologische Indikation besteht, im Zuge eines operativen Vorgehens die Belassung der Ovarien vor dem 50. Lebensjahr die Regel sein sollte.
Im Bezug auf das kardiovaskuläre Risiko ist nach prämaturer Menopause, wenn keine absoluten Kontraindikationen vorliegen, die Vornahme einer HRT obligat. Dafür sprechen die nach Altersklassen analysierten WHI-Daten, die einen eindeutigen Nutzen einer HRT für Patientinnen im Alter von 50-59 Jahren zeigen; die Ergebnisse wurden durch die großangelegte Nurses’ Health Study untermauert. In diesem Kontext ist besonders darauf hinzuweisen, dass ein Erkennen von kardiovaskulären Risikofaktoren durch den Frauenarzt hohe Priorität hat, insbesondere auch bei Patientinnen unter dem 45. Lebensjahr.
Besonders ausgeprägt ist der Knochenverlust im Bereich der Kortikalis während der ersten Jahre nach der Menopause: Innerhalb von 5 Jahren beträgt dieser Knochenverlust 4-5%, ein Umstand, der vor allem für die Erhöhung des Frakturrisikos relevant ist. Zwei prospektive Studien haben sich mit dieser Problematik beschäftigt: Eine finnische Studie ergab eine Risikoerhöhung für Frakturen um den Faktor 3, eine holländische Studie um den Faktor 2.
Aus der Literatur ist nicht zwingend in jedem Fall ein Zusammenhang zwischen der allmählichen endokrinen Umstellung und der Lebensqualität bei spontan eingetretener, prämaturer Menopause abzuleiten. In diesem Kontext spielt eine Vielzahl von Parametern eine Rolle, und nicht alle Frauen sind gleichermaßen gefährdet. Die großangelegte amerikanische SWAN-Studie mit 3.200 Frauen zwischen dem 42. und 52. Lebensjahr ergab, dass Ereignisse wie depressive Episoden in der Anamnese (mit und ohne Behandlung), Schlafstörungen in der Prä- und Perimenopause sowie das vorzeitige Auftreten von klimakterischen Symptomen Risikofaktoren darstellen. Im Bezug auf die Androgene ist festzustellen, dass diese im Allgemeinen stabilisierend wirken, ein Androgenmangel kann zu einer Verschlimmerung der Symptome führen. Ein allmählicher oder plötzlicher Abfall der Androgenspiegel führt weiters zu Libidomangel, Müdigkeit und depressiver Verstimmung. Bei 42- bis 52-jährigen Frauen besteht im Übrigen ein enger Zusammenhang zwischen dem Dehydroepiandrosteronsulfat-(DHEAS)-Spiegel und der Neigung zu Depressionen. DHEA hat Einfluss auf die GABA-, Kortisol- und Serotoninrezeptoren. Gleiches gilt auch für das frei zirkulierende Testosteron, dem eine entscheidende Wirkung auf die Sexualfunktion, das Lustempfinden und die Orgasmusfähigkeit zukommt.
Relevant für die Praxis
Schlussfolgerung: Bei prämaturer Menopause ist der Beginn einer HRT aus einer Reihe von Gründen indiziert. Seit 2006 empfiehlt auch die amerikanische Gesellschaft für Onkologie, Patientinnen nach beidseitiger Ovarektomie in der Prämenopause eine HRT vorzuschlagen. In gleicher Weise ist entsprechend rezenten Empfehlungen auch bei spontan eingetretener, prämaturer Menopause, unter Abwägung der Risiken und Vorteile, eine HRT anzubieten und diese ist bis zum Alter von 50-52 Jahren (d.h. bis etwa zum natürlichen Menopausenalter) fortzusetzen.
Abschließend ist nochmals festzuhalten, dass die Debatte um die HRT in letzter Zeit zweifellos wieder sachlicher geworden. Fest steht auch, dass Östrogene unbestritten eine vielfache Schutzwirkung haben und insbesondere eine spontan eingetretene, prämature Menopause deshalb ein besonderer Anlass sein sollte, Augenmerk auf das individuelle Risikoprofil unserer Patientinnen zu werfen.