In den 1990er-Jahren wurden die so genannten Brustkrebsgene entdeckt: das BRCA-1- und BRCA-2-Gen (Breast Cancer Gene). Die Gene sind auf den Chromosomen 17 und 13 lokalisiert und sind Tumorsuppressor-, Zellreifungs- und Reparaturgene. Die BRCA-1/-2-Gene spielen eine wesentliche Rolle bei der Differenzierung und Reifung von Zellen, insbesondere in der Embryonalzeit, aber vor allem bei der Reparatur von DNA-Schäden. Eine Mutation in einem oder beiden BRCAGenen führt bei der Proteinbiosynthese zu einem Kettenabbruch und somit zur Synthese nicht funktionsfähiger Reparaturproteine. Die Folge ist eine Prädisposition zu maligner Entartung von Zellen. Dies gilt mit überragender Häufigkeit für das Mamma- und das Ovarialkarzinom, aber auch andere Karzinome treten häufiger auf (Tab. 1).
Eine Mutation im BRCA-Gen wird autosomal dominant vererbt, d. h. dass das betreffende Gen auf einem Autosom liegt und die Krankheit unabhängig vom Geschlecht vererbt wird – Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Es wurden bisher mehr als 500 verschiedene krankheitsrelevante Variationen der BRCA-Mutationen identifiziert. Spontanmutationen sind sehr selten, in der Regel wird eine familieneigene Mutation über viele Generationen weitervererbt.
Die Prävalenz im nicht-selektierten Patientenkollektiv beträgt ca. 1:500 für BRCA-1 und BRCA-2. Weltweit treten beide Mutationen gleich häufig auf, jedoch gibt es regionale und ethnische Unterschiede. So sind z. B. BRCA-1-Mutationen häufiger im angelsächsischen Raum zu finden. Auch sind BRCA-1-Mutationen besonders oft bei Ashkenazi-Juden anzutreffen.
Penetranz: Nicht nur ist das Erkrankungsrisiko bei Mutationsträgern erhöht, sondern erkranken diese auch deutlich früher im Vergleich zur Normalbevölkerung (Tab. 2).
Des Weiteren wissen wir aus eigenen Analysen, dass das Erkrankungsrisiko für Brustkrebs bei BRCA-1-Mutationsträgerinnen bereits ab dem 25. Lebensjahr und für Eierstockkrebs ab dem 40. Lebensjahr ansteigt. Jedoch erkranken nicht alle, die eine Mutation im BRCA-Gen tragen. Zirka 20 % der Mutationsträger bleiben gesund. Die tatsächliche Ursache, ob ein Mutationsträger erkrankt oder nicht, ist noch unklar und bedarf weiterer Untersuchungen. Faktoren wie z. B. Lifestyle, Körpergewichtsschwankungen und Hormonzufuhr werden als mögliche Gründe diskutiert.
Hochrisiko-Früherkennungsprogramm: Grundsätzlich wird immer eine Teilnahme an dem Hochrisiko-Früherkennungsprogramm empfohlen, welches selbstverständlich an unserer Klinik angeboten wird (Tab. 3). Dieses spezielle Screening wurde unter der besonderen Berücksichtigung der Eusoma- Leitlinien (European Society of Breast Cancer Specialists) und von österreichischen Experten gemeinsam erstellt. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um ein möglichst frühes Erkennen einer bereits entstandenen malignen Pathologie.
Nur durch eine prophylaktische Mastektomie (PM) und/ oder bilaterale Salpingo-Ophorektomie (BSPO) ist eine wirkliche Vorsorge zu erzielen.
Eine BSPO führt zu einer Reduktion des Ovarialkarzinomrisikos um bis 95 % und zusätzlich zu einer Reduktion des Mammakarzinomrisikos um 50 %. Wesentlich ist die gleichzeitige Entfernung der Eileiter. In Studien konnte gezeigt werden, dass etwa 6 % der frühen Malignome von den Tuben ausgingen. Das empfohlene Alter für eine BSPO ist nach abgeschlossener Familienplanung, ab Mitte/Ende 30.
Eine PM reduziert das Brustkrebserkrankungsrisiko um bis zu 90 %. Bei diesem Eingriff gibt es im Gegensatz zur BSPO keine Altersempfehlung. Hier kommt es auf die individuelle Situation, Wunsch der Patientin und non-direktive Beratung, sowohl von ärztlicher als auch psychologischer Sicht, an. In Österreich entscheiden sich etwa 11 % für eine vorbeugende Entfernung der Brust (mit/ohne Sofortrekonstruktion) und 34 % für eine Eierstockentfernung.
INFO-BOX
Die Spezialambulanz „Genetische Beratung für erblichen Brust- und Eierstockkrebs“ wird im Wiener AKH von Di. bis Fr. (nach tel. Vereinbarung: 01/40400-7829, www.brustgenberatung.at) angeboten.