Eine Vielzahl von Erkrankungen kann bei Frauen im gebärfähigen Alter zu Funktionsstörungen der Schilddrüse führen (siehe Tab. 1). Funktionsstörungen der Schilddrüse werden durch die Bestimmung der freien Schilddrüsenhormone und des TSH festgestellt. Eine eventuell veränderte Morphologie/Struktur wird primär im Ultraschall nachgewiesen. In Zusammenschau beider Parameter erfolgt die Diagnose der zugrunde liegenden Erkrankung, die dann einer adäquaten Therapie zugeführt wird.
Funktionsdiagnostik: TSH ist der zentrale Parameter zur Bestimmung der Schilddrüsenfunktion. Ein normaler TSH-Wert schließt beim Screening eine Schilddrüsenfunktionsstörung praktisch aus. Das im Hypophysenvorderlappen produzierte Hormon TSH steuert die Abgabe der Schilddrüsenhormone T4 und T3 ins Blut; es besteht eine negative Rückkoppelung zwischen T4-Spiegel im Blut und TSH-Sekretion.
Weit über 99% der Schilddrüsenhormone sind an Transportproteine gebunden. Das wichtigste Transportprotein ist das Thyroxin-bindende Globulin (TBG), die Affinität der Schilddrüsenhormone zu den beiden weiteren Bindungsproteinen Transthyretin und Albumin ist geringer. Durch diese Proteinbindung hat T4 eine biologische Halbwertszeit von 8 Tagen im Blut. Bei der Bestimmung der proteingebundenen Hormone muss unbedingt auch der Status der Bindungsproteine berücksichtigt werden, um die Schilddrüsenfunktionslage richtig beurteilen zu können. Daher sollte heutzutage nicht mehr das proteingebundene Schilddrüsenhormon (TT4), sondern das freie T4 (fT4) bestimmt werden. Einer der häufigsten Pitfalls bei der Bestimmung der Schilddrüsenfunktionslage ist ein erhöhtes Gesamt-T4 und ein erhöhtes Gesamt-T3 bei normalem TSH. Dies ist durch Einnahme der “Pille” bedingt; die freien Hormone sind bei diesen Patientinnen im Normbereich.
Während einer Schwangerschaft kommt es physiologischerweise zu einer vermehrten Produktion von Thyroxin-bindendem Globulin (TBG). Dadurch nimmt die Gesamthormonkonzentration im Serum zu. Während einer Schwangerschaft müssen daher immer die freien Schilddrüsenhormone bestimmt werden. Tab. 2 zeigt ein Schema zur Routinekontrolle bei Schwangeren (Empfehlungen der US-amerikanischen Endocrine Society zur Abklärung der Schilddrüse während Schwangerschaft siehe Tab. 3). Die β-HCG-Konzentration steigt im ersten Drittel einer Schwangerschaft deutlich an.
β-HCG besitzt eine TSH-ähnliche Wirkung und stimuliert die Thyreozyten; aus diesem Grund kommt es im 1. Trimenon physiologischerweise zu einem Anstieg des fT4 mit einem Maximum um die 10. Woche sowie zu einem dadurch bedingten Abfall des TSH (Abb. 1). So kann sich während der Schwangerschaft eine latente oder manifeste Hyperthyreose entwickeln (β-HCG-induzierte Hyperthyreose).
Diaplazentarer Transport: Die Plazenta ist in geringem Maße für mütterliche Schilddrüsenhormone durchgängig. Jod, schilddrüsenspezifische Antikörper sowie Medikamente wie Thyreostatika und Betablocker sind frei plazentagängig. Ab der 10.-12. Schwangerschaftswoche ist die kindliche Schilddrüse in der Lage, Jod aufzunehmen und Schilddrüsenhormone zu produzieren. Allerdings sind bereits ab der 8. Schwangerschaftswoche im fetalen Gehirn Rezeptoren für Schilddrüsenhormone ausgebildet. Eine ausreichende Jodzufuhr sowie eine gute Einstellung der Schilddrüsenstoffwechsellage sind für eine normale körperliche und geistige Entwicklung des Fetus unbedingt erforderlich.
Jodstoffwechsel in der Schwangerschaft: Der Jodbedarf steigt während der Schwangerschaft durch eine erhöhte renale Clearance, durch den Jodverbrauch des Fetus und durch die Zunahme des intravasalen Verteilungsraumes an. Während Schwangerschaft und Stillperiode steigt der Jodbedarf von normal 150 μg pro Tag auf täglich 250 μg. In der Schwangerschaft ist daher auf eine ausreichende Jodversorgung zu achten, eventuell ist auch eine Substitution mit Jodid empfehlenswert. Ein besonderes Problem stellen dabei schwangere Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse dar. Im Interesse des Fetus sollte auch hier meist Jod substituiert werden, die Patientinnen sind allerdings darauf aufmerksam zu machen, dass sich bei ihnen die Autoimmunerkrankung postpartal verschlechtern könnte.
Eine Hypothyreose kann während einer Schwangerschaft neu auftreten, ebenso kann eine Hypothyreose bereits bekannt sein und unter Behandlung stehen. Da eine Hypothyreose zu einer gestörten intellektuellen und körperlichen Entwicklung des Fetus führen kann, ist bereits vor Konzeption bei allen Frauen eine Euthyreose mit einem TSH-Wert < 2,5 μU/ml anzustreben. Bei substituierten Patientinnen kann ab der 4. bis 6. Woche eine um bis zu 30-50%ige Erhöhung der T4-Dosis notwendig sein.
Falls eine manifeste Unterfunktion während der Schwangerschaft neu diagnostiziert wird, sollte rasch durch schrittweise Erhöhung der T4-Dosis eine Euthyreose angestrebt werden. Da auch die subklinische Hypothyreose möglicherweise die intellektuelle Entwicklung des Fetus beeinflusst, muss auch bei diesen Patientinnen eine baldige Normalisierung des TSH angestrebt werden. Auch bei euthyreoten Frauen mit chronischer Immunthyreoiditis ist in der Frühschwangerschaft ein TSH-Anstieg möglich. Bei Frauen mit Abort finden sich signifikant höhere TSH-Werte als bei regelgerechten Schwangerschaften im gleichen Gestationsalter. Bereits vor 30 Jahren gab es Hinweise darauf, dass der Intelligenzquotient bei Kindern von hypothyreoten Müttern niedriger liegt. Eine große Studie 1999 untersuchte die Kinder von nicht-behandelten hypothyreoten Müttern, als diese bereits im Schulalter waren. Es zeigte sich, dass der Intelligenzquotient bei diesen Kindern im Schnitt um 7 Punkte niedriger war als bei Kindern von euthyreoten Müttern.
β-HCG besitzt eine TSH-ähnliche Wirkung, es findet sich daher im 1. Trimenon physiologischerweise eine vermehrte Produktion von T4 mit konsekutiver Erniedrigung des TSH. Nur selten kommt es dadurch zu einer subklinischen oder manifesten Hyperthyreose (β-HCG-induzierte Hyperthyreose). Meist normalisiert sich die Schilddrüsenfunktion spätestens im 2. Trimenon. Komplizierte Formen sind meist assoziiert mit einer Hyperemesis gravidarum und bedürfen einer thyreostatischen Behandlung. Bei jeder Patientin mit Hyperemesis gravidarum sind Kontrollen der Schilddrüsenparameter erforderlich, da hier eine therapiepflichtige manifeste Schilddrüsenüberfunktion möglich ist.
Im Rahmen eines Morbus Basedow kommt es während der Schwangerschaft meist zu einer Normalisierung der Schilddrüsenfunktion. Weitere Ursachen für eine Schwangerschaftshyperthyreose können eine passagere, durch Zellzerfall ausgelöste Hyperthyreose bei Thyreoiditis, eine funktionelle Autonomie bzw. eine Hyperthyreosis factitia sein. Die einzelnen Ursachen für eine Hyperthyreose während Schwangerschaft sind in Tab. 4 aufgelistet.
Thyreostatische Therapie in der Schwangerschaft: Eine thyreostatische Therapie kann während der Schwangerschaft neu eingeleitet bzw. fortgesetzt werden. Ziel ist das freie T4 im oberen Normalbereich von Nicht-Schwangeren, das Medikament der ersten Wahl ist Propylthiouracil. Dieses darf nur als Monotherapie gegeben werden, keinesfalls in Kombination mit Schilddrüsenhormontabletten. Probleme dabei stellen eine Hyperthyreose der Mutter, die Induktion einer Hypothyreose beim Fetus oder die Nebenwirkungen der Thyreostatika dar. In ausgeprägten Fällen ist eine subtotale Thyreoidektomie im 2. Trimenon möglich. Die subklinische Hyperthyreose in der Schwangerschaft ist nicht therapiepflichtig. Es gibt diesbezüglich keine Evidenz bezüglich eines besseren Outcomes unter Therapie, ein weiteres Gegenargument sind die potenziellen Nebenwirkungen der Thyreostatika.
Bei Patientinnen mit einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse kommt es während der Schwangerschaft durch die immunsuppressiven Mechanismen der Schwangerschaft meist zu einer Normalisierung der echoarmen Parenchymstruktur im Ultraschall und zu einem Rückgang der Antikörper. Bei allen Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen muss auf den TSH-Rezeptor- Antikörper (TRAK) hingewiesen werden. Dieser ist frei plazentagängig und kann die Schilddrüse des Fetus stimulieren. Bei schwangeren Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse muss daher im 3. Trimenon eine TRAK-Kontrolle zum Ausschluss einer möglichen fetalen Hyperthyreose durchgeführt werden. Wie bereits erwähnt, stellt eine Schwangerschaft für Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen ein ausgezeichnetes Immunsuppressivum dar.
Vor allem beim Morbus Basedow sinkt während der Schwangerschaft meist die notwendige thyreostatische Dosis. Allerdings sind nach der Schwangerschaft bzw. nach Abstillen Rezidive häufig. Bei Patientinnen mit floridem Morbus Basedow und Kinderwunsch sollte daher vor Konzeption eine definitive Therapie zumindest diskutiert werden.
Wachsende bzw. neu aufgetretene Schilddrüsenknoten während einer Schwangerschaft müssen genau abgeklärt werden. Alle Knoten > 1 cm, die während einer Schwangerschaft entdeckt werden, sollten ultraschallgezielt feinnadelpunktiert werden. Bei nachgewiesener Malignität ist eine Operation im 2. Trimenon möglich.
Postpartal kommt es oft zu einer Verschlechterung einer bestehenden chronischen Immunthyreoiditis bzw. eines Morbus Basedow. Durch die Schwangerschaft kann auch bei der Mutter eine Autoimmunthyreoiditis neu induziert werden, die sich typischerweise in den ersten 6 Monaten nach der Geburt manifestiert (Postpartum-Thyreoiditis). Wie bei allen Thyreoiditiden findet sich auch hier meist ein biphasischer Verlauf (Abb. 2): Eine passagere, durch Zerfall der Follikel ausgelöste Hyperthyreose dauert Wochen bis eventuell Monate und kann dann schnell in eine substitutionspflichtige Hypothyreose umschwenken.
Die hyperthyreote Phase ist meist nicht behandlungspflichtig (evtl. Betablocker zur symptomatischen Therapie; Thyreostatika sind hier kontraindiziert). Eine Hypothyreose ist immer therapiepflichtig. Bei der Postpartum-Thyreoiditis ist eine Remission möglich, ein bis zwei Jahre postpartal kann ein Auslassversuch der T4-Medikation durchgeführt werden. Bei allen Frauen mit erhöhten Schilddrüsen-Antikörpern sollte 3 und 6 Monate postpartal der TSH-Wert kontrolliert werden, auch bei allen Frauen mit Diabetes mellitus ist 3 und 6 Monate postpartal eine TSH-Kontrolle zu empfehlen.
Weiterführende Literatur:
– Zettinig G., Buchinger W.: Schilddrüse – kurz und bündig. 2. überarbeitete Auflage 2010, Verlag Krause und Pachernegg
– Zettinig G., Buchinger W.: Schilddrüse und Schwangerschaft. J Klin Endokrinol Stoffw 2009; 2: 12-16
– Abalovich M., Amino N., Barbour L.A., Cobin R.H., De Groot L.J., Glinoer D.: Management of thyroid dysfunction during pregnancy and postpartum: an Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 2007; 92: S1-47
– The American Thyroid Association Taskforce on Thyroid Disease during Pregnancy and Postpartum. Guidelines of the American Thyroid Association for the Diagnosis and Management of Thyroid Disease during Pregnancy and Postpartum. Thyroid 2011; 21: 1081-1125