Bei der Behandlung von Schlafstörungen sind psychologische Therapieansätze weitaus weniger etabliert als medikamentöse Strategien. Die Forschung beschränkt sich zurzeit noch auf Untersuchungen bei Ein- und Durchschlafstörungen, obwohl psychologische Maßnahmen auch bei anderen Schlafstörungen wie z. B. RLS hilfreich sein könnten. Fast alle Schlafstörungen werden durch Stress gefördert, der einen der wichtigsten Ansatzpunkte der psychologischen Behandlung von Schlafstörungen darstellt.
Mit Prävalenzraten von 10–48 % sind Insomnien (Tab. 1) eine häufige Schlafstörung, die die Lebensqualität stärker beeinträchtigt als andere Langzeiterkrankungen. Wie eine Studie zeigte, liegt die Prävalenz schwerer Insomnien in Deutschland bei 4 %. Schwere Insomnien wurden überwiegend bei Frauen, die arbeitslos waren, alleine nach einer Scheidung oder Trennung lebten, in größeren Städten wohnten und nicht älter als 65 Jahre alt waren, beobachtet. Bei 74 % dieser Patientinnen dauerte die schwere Insomnie länger als ein Jahr an (Durchschnitt 56 +/– 23 Monate).
Die psychologische Behandlung von Insomnien wurde in zahlreichen Studien untersucht. Die Entwicklung und Evaluierung psychologischer Ansätze bei der Bewältigung von Schlafproblemen ist vor allem Charles Morin zu verdanken. Morin und Mitarbeiter haben die CBTI (Cognitive Behavioral Therapy for Insomnia) entwickelt und die Ergebnisse von 48 Studien und 2 Metaanalysen vor 1999 sowie von 37 Studien von 1998 bis 2004 zusammengefasst. Morins 2006 erschienener Artikel gilt heute noch als Maßstab.
Pharmakotherapie galt bis dahin als klassischer und erster Ansatz zur Behandlung von Insomnien. Morin konnte zeigen, dass die CBTI bei primärer Insomnie ebenso effektiv ist wie die medikamentöse Therapie, dass aber beide Ansätze zusammen die bestmögliche evidenzbasierte Behandlungsmöglichkeit bei primärer Insomnie darstellen.
Kognitiv-behaviorale Therapien bestehen für gewöhnlich aus edukativen Komponenten (Schlafhygiene), behavioralen Komponenten (Stimuluskontrolle, Schlafrestriktion, Entspannung) und Komponenten der kognitiven Therapie. Die kognitive Therapie beinhaltet psychologische Methoden, die darauf ausgerichtet sind, falsche Vorstellungen über Schlaf und falschen Einstellungen zur Insomnie zu identifizieren und zu ändern.
Gängige Ansätze im Rahmen der CBTI, aber auch als individuell angewandte Ansätze sind:
Überlegenheit multidimensionaler Ansätze: In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass die multidimensionalen Ansätze den individuellen Ansätzen vorzuziehen sind: So wurden mit SCT + SRT + SHE bessere Ergebnisse erzielt als mit SHE alleine. Lichstein et al. stellten fest, dass SCT + RT + SHE erfolgreicher waren als die „wait list control“; Waters et al. fanden heraus, dass ein multidimensionaler Ansatz besser ist als SHE alleine. Davidson et al. kamen zum Ergebnis, dass SCT + RT + SHE zu einer signifikante Steigerung der Sleep Onset Latency (SOL), Wake time After Sleep Onset (WASO), Schlafeffizienz und der Gesamtschlafzeit führen. Dopke et al. berichteten, dass SHE + SCT + SRT + RT keine signifikante Verbesserung der SOL und der WASO hervorrufen, aber eine signifikante Reduktion der Schwere der Insomnie zu beobachten war.
Diese Ansätze können selbstverständlich auch individuell angewendet werden. Effektivitätsstudien weisen allerdings den Vorteil von kombinierten Ansätzen gegenüber einem individuellen Ansatz nach: So erwies sich CBTI gegenüber der Warteliste mit oder ohne Entspannungstrainings als überlegen, ebenso wie gegenüber einer Placebobehandlung, gleichfalls sind CBTI mit Entspannungstrainings gegenüber einer Nichtbehandlung überlegen. Edinger et al. konnten zeigen, dass CBTI im Vergleich zu Entspannungstechniken wirksamer ist.
Zurzeit werden weltweit zahlreiche Studien zu psychologischen Ansätzen in der Behandlung von Schlafstörungen durchgeführt, neue Techniken werden beschrieben, evaluiert und mit bereits bekannten kombiniert.
Bei Schlafcoaching, einem von uns entwickelten Ansatz, werden Elemente der nicht-pharmakologischen Behandlung von Insomnien wie Schlafedukation und Verhaltensmodifikationen mit hypnotherapeutischen Elementen, Hypnose und Gestalttherapie kombiniert.
Die vier Säulen des Schlafcoachings sind:
Klinische Vorgehensweisen, die somatische Spannungen oder aufdringliche Gedanken zur Schlafenszeit reduzieren, sind nützliche Techniken in der nicht-pharmakologischen Behandlung von Insomnien. Auch Hypnose und Bauchatmung und andere weniger geläufige Entspannungstechniken wurden in die multidimen
sionalen Behandlungsansätze integriert.
Die Techniken, die wir anwenden, sind u. a. Bauchatmung, der so genannte Body-Scan und das Buchstaben abzählen – eine Technik, in der man ein Wort wählt, es rückwärts buchstabiert und dann nach sinnlichen Assoziationen sucht. Die Zielsetzung dieser Techniken ist eine somatische und mentale Entspannung und beabsichtigt, ein Ersatz für Gedankenstopp zu sein.
Nach ausführlicher Überprüfung von gestalttherapeutischen Techniken stellt man fest, dass sie, obwohl hoch effektiv, gerne übersehen werden. Gestalttherapie beruht auf Ansätzen der Tiefenpsychologie und wird auch „Therapie der Gefühle“ genannt. Sie involviert bedrohliche Traumfiguren und Objekte als unbekannte und verdrängte Aspekte des Selbst, welche danach streben, in die Persönlichkeit integriert zu werden. Anhand von Identifikation, Wahrnehmung, Konfrontation, der oft mithilfe des Rollenspiels angewandten Two-Chair-Methode und Dialog soll dies erreicht werden. Die Two-Chair-Methode – bei den Psychotherapeuten wird sie als die „Via regia“ verstanden, um innere Konflikte anzusprechen und zu lösen – ist eine der Standardtechniken, um Klienten mit ihren eigenen Gefühlen und Emotionen zu konfrontieren. Die evaluierten Strategien zur Insomniebehandlung zielen auf das Verhalten und nicht auf die Erfahrung oder die dahinter stehende Emotion ab. Das ist die Qualität der Gestalttherapie.
Basierend auf dem theoretischen System der Gestalttherapie führen wir folgende Techniken ein:
RESÜMEE: Die Forschung der Behandlung von Schlafstörungen ist im Fluss und die Erkundung und Evaluierung nicht-pharmakologischer Behandlungsansätze hat gerade erst begonnen. Man kann also nur raten, zu experimentieren, verschiedene Ansätze zu kombinieren und vielleicht auch neue zu entwickeln.
Unseren Behandlungsansatz, das Schlafcoaching, kann man am Institut für Bewusstseins- und Traumforschung in einem 3-semestrigen Lehrgang erlernen. Informationen dazu finden Sie auf www.traum.ac.at.