Tatsächlich können seit dem 24. März 2011 auch in Österreich radioaktive Substanzen, die in Fukushima freigesetzt worden sind, mit höchstempfindlichen Messgeräten nachgewiesen werden. Diese Werte liegen jedoch weit unterhalb von Konzentrationen, die gesundheitlich bedenklich sein können.
Radioaktive Stoffe kommen auch natürlich vor, etwa im Erdboden. Beim radioaktiven Zerfall senden sie Energie in Form von ionisierender Strahlung aus. Weil radioaktive Stoffe in unterschiedlichen Konzentrationen in der Natur vorkommen, gibt es einen natürlichen Strahlungshintergrund, der lokal mit der Bodenbeschaffenheit variiert. Darüber hinaus gelangt aus dem Weltall kosmische Strahlung auf die Erde.
Gray und Sievert: Die Energiemenge, die der Körper durch ionisierende Strahlung aufnimmt, wird in Gray gemessen: Ein Gray entspricht einer Energieaufnahme von einem Joule pro Kilogramm Körpermasse. Um die Wirkung der Strahlung auf den menschlichen Körper auszudrücken, wird die biologische Wirksamkeit durch Strahlungswichtungsfaktoren berücksichtigt. Das Produkt aus Organenergiedosis und Strahlungswichtungsfaktor heißt Organdosis und wird in Sievert (Sv) gemessen.
Für den Menschen stellt eine Dosis von 1 Sv bereits eine hohe Strahlenbelastung dar, die akut wirken kann: Veränderungen im Blutbild sind zu beobachten, Übelkeit, Erbrechen, Fieber etc. können auftreten. Mehr als 8 Sv sind absolut tödlich, sofern keine medizinischen Gegenmaßnahmen getroffen werden. Insgesamt beträgt die effektive Dosis des Menschen durch natürliche Quellen etwa 2,9 Millisievert (mSv) pro Jahr, fast die Hälfte davon wird durch das Radon, ein radioaktives Edelgas, das aus dem Boden und in geringer Konzentration praktisch überall vorkommt, verursacht.
Strahlenbelastung durch künstliche Quellen: Auf den Menschen wirkt heutzutage neben der natürlichen Strahlenexposition auch Strahlung aus medizinischen (v. a. Röntgenuntersuchungen) und technischen Anwendungen ein. Im Durchschnitt beträgt die Strahlenbelastung aus künstlichen Quellen in Österreich 1,4 mSv pro Jahr. Eine Thorax-Röntgenaufnahme belastet den Körper mit 0,01-0,03 mSv, eine Computertomographie mit 10-20 mSV. Über die gesamte österreichische Bevölkerung gemittelt beträgt die jährliche Strahlendosis aus natürlichen und zivilisatorischen Quellen eines/-r Durchschnittsösterreichers/-in rund 4,3 mSv (Quelle: AGES). Wer beruflich mit Strahlung zu tun hat, darf 20 mSv pro Jahr ausgesetzt sein, in begründeten Ausnahmefällen sogar 50 mSv.
Gegenmaßnahmen: wann machen Kaliumjodidtabletten Sinn? Für die Strahlenbelastung der Bevölkerung in der Umgebung der betroffenen Reaktoren in Japan sind zunächst zwei radioaktive Stoffe von besonderer Bedeutung. Zum einen sind dies die radioaktiven Isotope des Jod (unter anderem Jod-131 und Jod-133) und Radionuklide des Elements Cäsium (vor allem Cäsium-134 und Cäsium-137). Die Wirkung von radioaktiven Isotopen des Jods kann abgemildert werden, indem gefährdete Personen rechtzeitig nicht-radioaktives Jod einnehmen, da so eine Anreicherung des eingeatmeten oder eventuell mit Nahrung aufgenommenen radioaktiven Jods in der Schilddrüse verhindert werden kann. Aufgrund der Ereignisse in Japan ist die Einnahme von Jodtabletten in Österreich nicht notwendig. Insbesondere wird dringend vor der vorsorglichen Einnahme von Kaliumjodidtabletten in der für den Strahlenschutz erforderlichen Dosierung durch Schwangere abgeraten. Als FDA-Kategorie-D-Medikament können Kaliumjodidtabletten in dieser Dosierung signifikante Risiken für den Feten bedeuten (v.a. Auftreten einer kindlichen Hypothyreose). Die Tabletten dürfen im Katastrophenfall nur nach ausdrücklicher Empfehlung durch die Gesundheitsbehörden eingenommen werden. Erst bei höherer Strahlenbelastung (Interventionsschwelle für junge Erwachsene: 100 mSv) wird die Einnahme für 18- bis unter 40-jährige Erwachsene, einschließlich Schwangere und Stillende, empfohlen.
Tab.: Ionisierende Strahlung – wichtige Dosis- und Grenzwerte | |
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Dosis |
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0,01-0,03 mSv |
Dosis bei einer Thorax-Röntgenaufnahme |
Bis zu 0,1 mSv |
Dosis durch Höhenstrahlung bei einem Flug von Europa nach Japan |
1,4 mSv pro Jahr |
durchschnittliche jährliche Dosis einer Person in Österreich aus künstlichen (v.a. medizinischen) Quellen |
2 mSv in 50 Jahren |
gesamte Dosis für eine Person im Voralpengebiet auf Grund des Reaktorunfalls von Tschernobyl für den Zeitraum 1986-2036 |
2,9 mSv pro Jahr |
durchschnittliche jährliche Strahlenexposition der Bevölkerung in Österreich aus natürlichen Quellen |
10-20 mSv |
ungefähre Dosis für eine Ganzkörper-Computertomographie eines Erwachsenen |
20 mSv pro Jahr |
Grenzwert (maximal zulässige Dosis) der jährlichen Strahlenexposition für beruflich strahlenexponierte Personen |
50-100 mSv |
Schwellendosis für angeborene Fehlbildungen oder Tod des Fetus |
100 mSv |
bei dieser Dosis treten in einer Bevölkerungsgruppe etwa 1% zusätzliche Krebs- und Leukämiefälle auf |
250 mSv |
Grenzwert (maximal zulässige Dosis) für eine Person beim Einsatz lebensrettender Maßnahmen im Katastrophenfall (Katastrophendosis) |
500 mSv |
bei akuter Exposition treten ab dieser Schwellendosis akute Strahleneffekte auf (zum Beispiel Übelkeit, Erbrechen) |
3.000-4.000 mSv |
ohne medizinische Eingreifen sterben bei dieser Dosis 50% der exponierten Personen nach 3-6 Wochen, wenn es sich um eine in kurzer Zeit erfahrene Strahlenbelastung handelte |
> 8.000 mSv |
sicherer Tod |
Es gibt keine Studien an Menschen zur Festlegung des teratogenen Risikos durch ionisierende Strahlen für Ungeborene. Die meisten diesbezüglichen Informationen basieren auf Extrapolationen der Atombombenexplosionen in Hiroshima und Nagasaki sowie auf Daten der Katastrophe von Tschernobyl.1-2 Wird eine schwangere Frau einer Bestrahlung ausgesetzt, dann kann es zur Fehlgeburt oder zu Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen bei dem ungeborenen Kind kommen. Zudem besteht für das Ungeborene ein erhöhtes Risiko, später an Krebs oder Leukämie zu erkranken.
Strahlenempfindlichkeit nach Entwicklungsstadium: Das Risiko für das Ungeborene hängt nicht nur von der Strahlendosis, sondern auch vom Entwicklungsstadium des Ungeborenen und den Reparaturmechanismen der fetalen Zellen ab:
Krebsrisiko im späteren Leben: Strahlenbelastung vor der Geburt kann das Krebsrisiko einer Person im späteren Leben erhöhen. Ungeborene Kinder sind besonders empfindlich gegenüber der krebserzeugenden Wirkung von radioaktiver Strahlung. Auch hier hängt das Ausmaß des Risikos von der Strahlendosis und der Dauer der Exposition ab. Angenommen ein Fetus/Embryo wird einer Strahlendosis von 50 bis 100 mSv (500 Thorax-Röntgenaufnahmen) auf einmal ausgesetzt, so entspricht dies einem erhöhten lebenslangen Krebsrisiko von weniger als 2% (neben dem allgemeinen Lebenszeitrisiko für Krebs von 40% bis 50%).
Abschliessend sei noch erwähnt, dass einmalige (irrtümliche) radiologische Untersuchungen in der Schwangerschaft kein wesentliches Risiko darstellen. Im Rahmen der üblichen radiologischen und nuklearmedizinischen Diagnostik wird die Schwellendosis von 50 mSv für das Ungeborene im Allgemeinen nicht überschritten. Nach derzeitigem Kenntnisstand besteht darüber hinaus kein Anlass, aufgrund der Exposition an kosmischer Strahlung generell von Flugreisen abzuraten. Schwangere müssen auf einen gelegentlichen Flug, insbesondere Kurzstreckenflug, wegen der Strahlenexposition nicht verzichten. Andere medizinische Gründe (etwa Nähe zum Geburtstermin, Neigung zu Aborten und Frühgeburten, eine ausgeprägte Anämie oder Thrombosegefährdung durch langes Sitzen) können allerdings gegen den Flug sprechen. Die zusätzliche Strahlenexposition durch einen bestimmten Flug kann mittels EPCARD-Programm berechnet werden (siehe Internetlink).
Quellen und weiterführende Links: Center for Disease Control (CDC) – Strahlung und Schwangerschaft: www.bt.cdc.gov/radiation/prenatal.asp Deutsches Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: www.bmu.de Österreichisches Umweltbundesamt: www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/kernenergie/strahlenschutz/ Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES): http://www.ages.at/lebensmittel/gesundheit/strahlenschutz Rechenprogramm EPCARD: http://www.gsf.de/epcard |
1 Otake M., Schull W.J., Yoshimaru H.: A review of forty-five years study of Hiroshima and Nagasaki atomic bomb survivors. Brain damage among the prenatally exposed. J Radiat Res (Tokyo) 1991; 32 (Suppl. 249)
2 Wertelecki W.: Malformations in a chornobyl-impacted region. Pediatrics 2010; 125:e836
3 De Santis M., Cesari E., Nobili E. et al.: Radiation effects on development. Birth Defects Res C Embryo Today 2007; 81:177
4 Mettler F.A., Upton A.C.: Medical Effects of Ionizing Radiation, 2nd ed, WB Saunders, Philadelphia, 1995