Um den Fortschritt der Medizin zu gewährleisten, darf nicht nur auf Lehrbuchwissen zurückgegriffen werden, sondern es muss mittels stetiger Forschung versucht werden, die Grenzen des aktuellen Wissens kontinuierlich zu erweitern. Die Wissenschaft darf aber nicht nur für aktiv forschende ÄrztInnen eine Rolle spielen, sondern sollte – zumindest in Grundzügen – für alle klinisch tätigen ÄrztInnen ein besonderes Handwerkszeug sein, das befähigt, Forschungsergebnisse und neue Publikationen (kritisch) zu bewerten, gute Studien von schlechten zu unterscheiden bzw. Entscheidungen evidenzbasiert treffen zu können. Die Wissenschaft stellt somit unbestritten eine ärztliche Kernkompetenz dar und ist demnach auch ein Steckenpferd der Jungen Gyn.
In ihrem Focus auf Wissenschaft beleuchtet die Junge Gyn nicht nur klinisch relevante „Landmark-Studien“ (kritisch) in GYN-AKTIV, sondern bietet auch eine Plattform an, mit deren Hilfe sich junge WissenschaftlerInnen untereinander vernetzen und einen Einblick in aktuelle Forschungsprojekte geben können. In diesem Sinne freut es mich sehr, anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages am 21. 3. 2020 im Folgenden die derzeit in Wien etablierte TriO-Studie vorzustellen.
Die Studie läuft erfolgreich seit 11/2019 als Kooperationsprojekt zwischen der Universitätsklinik für Frauenheilkunde (Medizinischen Universität Wien) und dem Institut für Entwicklungspsychologie (Hauptuniversität Wien) und zielt darauf ab, das heterogene entwicklungspsychologische Outcome von Kindern und Jugendlichen mit Trisomie 21(T21) genauer unter die Lupe zu nehmen.
Theoretischer Hintergrund: Mit einer Prävalenz von 1/700 Lebendgeburten ist die T21 die häufigste numerische Chromosomenaberration bei Neugeborenen, die mit einer intellektuellen Beeinträchtigung einhergeht.1 Als grobes Maß hierfür beschreibt die Literatur Intelligenzquotienten, die von einer leichten bis zu einer schweren mentalen Retardierung reichen können.2, 3 Differenziert betrachtet, finden sich bei der T21 spezifische neuropsychologische Funktionen (z. B. expressive Sprachmodalität, Arbeitsgedächtnis, explizites Lernen) betroffen, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß.4–6 Auch Defizite im adaptiven und sozialen Verhalten, in diversen Exekutivfunktionen sowie der Grob- und Feinmotorik, jedoch wiederum in unterschiedlichem Ausmaß, sind häufig beschrieben. Im weiteren Entwicklungsverlauf erkranken einige Erwachsene mit T21 bereits sehr früh an einer Alzheimer-Demenz, andere erst viel später oder gar nicht.4 Alles in allem handelt es sich bei der T21 um ein äußerst heterogenes genetisches Syndrom, das in seiner phänotypischen Ausprägung eine enorme Variabilität aufweist. Dies spiegelt sich in der Tatsache wider, dass ein Teil der T21-Betroffenen ein weitgehend selbstständiges Leben führt und ein anderer Teil auf Plege und/oder Betreuung angewiesen ist.
Zielsetzung & Fragestellungen: Die TriO-Studie fokussiert daher auf die detaillierte Erhebung und Charakterisierung des entwicklungspsychologischen Outcomes von Kindern und Jugendlichen mit T21. Im Detail sollen die folgenden Fragestellungen beantwortet werden:
Durchführung der Studie: Familien mit Kindern und/oder Jugendlichen (6–17 Jahre), bei denen eine T21 vorliegt, werden an die Forschungs-, Lehr- und Praxisambulanz für Psychologie, 1010 Wien, eingeladen. Die Kinder/Jugendlichen bekommen altersentsprechend Aufgaben zu unterschiedlichen Entwicklungsbereichen vorgelegt. Parallel zur entwicklungspsychologischen Untersuchung wird mit der primären Bezugsperson ein Interview darüber geführt, inwieweit die T21-Diagnose das familiäre Leben beeinflusst. Als Dankeschön für die Teilnahme erhalten die Familien eine schriftliche Rückmeldung über die entwicklungspsychologische Untersuchung mit einem individuellen Stärken-Schwächen-Profil sowie eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 20 Euro.
Geplante Ergebnisse: Mit Hilfe der TriO-Studie soll ein Beitrag zum differenzierten Verständnis der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit einer T21 geleistet werden. Dieses Wissen soll in Zukunft dabei helfen, dass sich Eltern adäquat auf ihren Nachwuchs vorbereiten können und dass T21-Kinder und -Jugendliche gezielt und individualisiert in ihrem Entwicklungsverlauf bestmöglich gefördert werden können.
Finanzielle Förderung: Hochschulvertretung der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems (Hp-KPH) & Universität Wien.
Wir hoffen mit der TriO-Studie ein erstes spannendes Forschungsprojekt vorgestellt zu haben. Möchtet Ihr eine Studie näher beleuchtet haben oder selbst ein Forschungsprojekt Eures Krankenhauses vorstellen, so kontaktiert uns unter jungegyn@oeggg.at. Ansonsten haltet Euch über unsere Website (www.jungegyn-oeggg.at), Facebook-Seite oder über unsere GYN-AKTIV-Beiträge up to date. Wir freuen uns auf Eure Nachrichten!
Um weitere Studiendetails zu erhalten oder sich für eine Teilnahme anzumelden, stehen die folgenden Kontaktdaten zur Verfügung: