An der physiologischen Blutgerinnung sind drei Komponenten beteiligt: Thrombozyten, Gerinnungsfaktoren und das Gefäßendothel. Kommt es zu einer Verletzung des Gefäßendothels, werden in der Gefäßwand vorkommende Gerinnungsaktivatoren freigesetzt, die die Blutgerinnungskaskade aktivieren.
Die Blutstillung kann in zwei Phasen unterteilt werden:
Es gibt physiologische Inhibitoren, um eine Überreaktion des Gerinnungssystems zu vermeiden:
Ein Ungleichgewicht im Gerinnungssystem kann zu Blutungen oder zu einer Thromboseneigung führen. Im Rahmen der Kinderwunschtherapie ist vor allem bei der Abklärung habitueller Aborte die Thromboseneigung von Bedeutung.
Bereits eine ovarielle Stimulation mit Gonadotropinen im Rahmen einer IVF/ICSI-Therapie geht mit einer Aktivierung des Gerinnungssystems her. Dies ist vergleichbar mit einer Schwangerschaft und kann wie diese ein erhöhtes Thromboserisiko darstellen. Ein basaler Gerinnungsstatus sollte aus diesem Grund bei jeder Kinderwunschpatientin vor Start einer IVF/ICSI-Behandlung erstellt werden, um eine Thrombose- oder Blutungsneigung auszuschließen. Dieser beinhaltet:
Bei Auffälligkeiten im basalen Gerinnungsstatus, vor allem bei Verlängerung von Quick oder PTT, ist immer eine Vorstellung bei einem Hämatologen sinnvoll, um eine genaue Abklärung zu ermöglichen.
Das Risiko für die Entwicklung einer Thrombose während eines IVF/ICSI-Zyklus ist mit 0,1–0,3 % relativ selten. Interessant sind dabei der hohe Anteil von Thrombosen im Bereich der oberen Extremität und die Tatsache, dass in über 98 % der Fälle die Thrombosen nach der Ovulationsinduktion auftreten. Besonders gefährdet sind Patientinnen, die im Rahmen der IVF/ICSI-Therapie ein OHSS entwickelt haben. Das Risiko für das Auftreten einer Thrombose steigt bei diesen Patientinnen auf 4 % an.
Thrombophilie-Screening bei Frauen vor einer ART: Generell besteht keine Indikation für ein allgemeines Thrombophilie-Screening bei Frauen vor einer ART. Thrombophilie kann jedoch manchmal im Falle von erfolgslosen IVF/ICSI-Versuchen bedingt durch ein Implantationsversagen (definiert als drei Transfers von qualitativ guten Embryonen ohne eine Schwangerschaft) oder habituellen Aborten eine Rolle spielen. Vor allem bei Frauen mit einer positiven Anamnese bei der Patientin selbst oder in ihrer Familie soll eine ausführlichere Gerinnungsdiagnostik erfolgen. Hierzu gehört:
Diese Autoantikörper sind gegen Phospholipide gerichtet und aktivieren die Thrombozytenadhäsion am Endothel. Die Prävalenz des Anti-Phospholipid-Syndroms (APLS) beträgt 2–5 % der Bevölkerung, bei Thrombophilie-Patienten jedoch in etwa 30 %. 2–15 % aller Patientinnen mit habituellen Aborten sind betroffen. Es wird zwischen einem primären APLS und einem sekundären APLS unterschieden, beim sekundären APLS liegen noch weitere Autoimmunerkrankungen vor. Am häufigsten werden Anti-Cardiolipin-Antikörper gefunden. Von einem „triplepositiven“ APLS spricht man, wenn alle 3 Antikörper positiv sind. Dieses ist mit einem besonders hohen Risiko für Schwangerschaftskomplikationen assoziiert. Anti-Phospholipid-Antikörper können auch nach einer bereits erfolgreichen Schwangerschaft auftreten.
In der Leitlinie der DGGG und OEGG sind Kriterien festgelegt, wann eine Bestimmung von Lupus-Antikörpern erfolgen sollte (Tab.).
Mehrere Studien konnten ein erhöhtes Risiko für ein Implantationsversagen und habituelle Aborte bei Faktor-V-Leiden-Mutation, Prothrombin-Mutation, Anti-Phospholipid-Antikörpern und Protein-C-Mangel zeigen. In Metaanalysen blieb nur ein signifikantes Risiko für Anti-Phospholipid-Antikörper bestehen. Daher empfehlen die ESHRE und die AWMF-Leitlinie der DGGG und der OEGGG, sich im Screening auf diese Antikörper zu beschränken, wenn die Anamnese der Patientin keinen Hinweis auf eine erhöhte Thromboseneigung zeigt.
Differenziertes Vorgehen: Die Therapie der Faktor-V-Leiden-Mutation, der Prothrombin-Mutation, des ATIII-, Protein-C- und Protein-S-Mangels besteht in einer Heparingabe in prophylaktischer Dosierung (z. B. 40 mg/d) ab Beginn der Kinderwunschtherapie bis 6 Wochen postpartal. Bei der MTHFR-Mutation ist die hochdosierte Gabe von Folsäure (5 mg/Tag) wesentlich, eine Heparinisierung sollte nur bei einer homozygoten Mutation und erhöhtem Homozysteinspiegel erfolgen. Die PAI-1-Mutation sollte ebenfalls nur in ihrer homozygoten Form behandelt werden. Liegen Anti-Phospholipid-Antikörper vor, ist zusätzlich zur Heparinisierung eine prophylaktische Gabe von ASS 100 mg notwendig, um die verstärkte Thrombozytenaggregation zu hemmen.
Ohne Einfluss auf die Schwangerschaftsrate: Nun stellt sich die Frage, ob man statt einer Abklärung nicht direkt bei Patientinnen mit Implantationsversagen oder habituellen Aborten mit einer Heparin- oder ASS-Therapie beginnen könnte, ohne vorher eine Abklärung zu machen. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Studien, die eine Gabe von Heparin und/oder ASS bei Patientinnen mit Implantationsversagen oder habituellen Aborten ohne Thrombophilie untersucht haben. In Metaanalysen konnte keine Verbesserung der Schwangerschaftsrate gezeigt werden, dafür aber Nebenwirkungen wie Blutungen. Dies zeigt, dass eine Thrombophilie-Diagnostik vor Einleiten einer Heparin- oder ASS-Therapie immer sinnvoll ist, um eine unnötige Therapie und damit Nebenwirkungen bei nicht betroffenen Patientinnen zu vermeiden. Eine antithrombotische Therapie zum alleinigen Zweck der Verbesserung der Schwangerschafts- und Lebendgeburtenrate ist nicht indiziert.