Unter dem Einfluss der UV-B-Strahlung des Sonnenlichts entsteht durch photolytische Konversion von 7-Dehydrocholesterol das Prä-Vitamin D3, das durch eine thermische Isomerisierung in Vitamin D3 (Cholecalciferol) umgewandelt wird. Anschließend entsteht mittels 25-Hydroxylierung in der Leber 25-OHD3. 25-OH-D3 gilt aufgrund seiner hohen Konzentration als guter Indikator für den Vitamin-D3-Status. Das eigentlich biologisch aktive 1,25-OH-D3 entsteht durch die 1-alpha-Hydroxierung (Abb. 1). (ca. 75% der Vitamin-D-Produktion wird durch Sonnenlicht induziert, lediglich eine kleiner Anteil kann durch die Nahrung aufgenommen werden.
Der Hydroxylierungsabschnitt zu 25-OH-D3 findet vor allem in der Niere, aber auch in anderen Körperzellen (Brustdrüsenzellen, Prostatazellen, β-Zellen des Pankreas sowie Zellen des Immunsystems) statt. 1,25-OH-D3 entfaltet seine Wirkung zum Beispiel im Sinne der Inhibierung der Zellprofileration, der Förderung der Zelldifferenzierung und Immunregulation ähnlich den klassischen Steroidhormonen über einen intrazellulären Rezeptor. Dieser wird durch 1,25-OH-D3 besetzt, bindet an die DNS und modifiziert nach Interaktion mit verschiedenen Kofaktoren die Gentranskriptionsrate.
In einer Studie der Universität Heidelberg wurde anhand von 2.000 Männern (Durchschnittsalter 62 Jahre) der Testosteronspiegel mit dem Vitamin-D-Spiegel korreliert und es zeigte sich eine deutliche Abhängigkeit: In den Sommermonaten waren sowohl Testosteron wie Vitamin-D-Spiegel hoch und vice versa in den Wintermonaten niedrig; ein deutlicher Abfall der Libido und Vitalität war die Folge.
Auch eine Grazer Studie konnte diesen Zusammenhang beweisen, hier wurden die höchsten Werte im August und die niedrigsten Werte im März gefunden.
Knochen und Muskel: Die wichtigste Aufgabe des Vitamin-D-Systems stellt die Regulation des Kalziumstoffwechsels dar. 1,25-OH-D3 induziert in den Darmzellen Transportproteine, wodurch die Kalziumresorption im Darm ermöglicht wird. 1,25-OH-D3 ist mitverantwortlich für den Einbau des enteral aufgenommenen Kalziums in das Skelett und fördert so die Knochenmineralisation.
Dass das Vitamin-D-System nicht nur für die Knochenstruktur, sondern auch für die Muskelkraft von Bedeutung ist, ergab eine Metaanalyse. Diese zeigte, dass eine Substitution mit 700 bis 1.000 IU Vitamin D3/Tag zu einer Reduktion der Sturzhäufigkeit um 19% führt und somit wesentlich zur Prävention sturzbedingter Knochenbrüche beiträgt.
Vielzahl weiterer Funktionen: Im Übrigen spielt das Vitamin-D-System im Stoffwechsel der verschiedensten Organzellen eine wichtige Rolle, und zwar auf mehreren Funktionsebenen: So kommt Vitamin D u. a. im Rahmen der Apoptose und somit in der Onkologie ein bedeutender Stellenwert zu (insbesondere in Bezug auf Prostatakarzinom, Mammakarzinom und Kolonkarzinom). Weiters ist ein Vitamin-D-Mangel mit kardiovaskulären Erkrankungen (Hypertonie, Apoplexie etc.) und auch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus assoziiert. Vitamin D kommt in diesem Kontext eine hormonähnliche Wirkung auf die Insulinsekretion, die mit einer Verbesserung des Blutzuckerspiegels einhergeht, zu. Und nicht zuletzt zeigten rezente Arbeiten, dass bei niedrigen Vitamin-D-Konzentrationen die Prävalenz für das Auftreten von Depressionen erhöht ist.
Ein Großteil der Bevölkerung in den Industriestaaten (vor allem die älteren Jahrgänge) weist einen deutlichen 25-OH-D3-Mangel auf. Entsprechend einer Stichprobe wurden von 80% der PatientInnen jenseits des 65. Lebensjahres 25-OH-D3-Werte von unter bis maximal 30 ng/ml ermittelt. Nun ist an diesem Lebensalter ein 25-OH-D3-Serumspiegel von 30 bis 70 ng/ml als optimal an zu sehen, unterhalb dieses Bereiches kann es zu einem latenten Abfall der Kalziumionenkonzentration im Serum kommen, der einen sekundären Hyperparathyreoidismus mit Begünstigung osteoporotischer Veränderungen auslöst. In einer großen Studie an über 65-jährigen Probanden wurde gezeigt, dass sich durch die zusätzliche Aufnahme von 300.000 IE Vitamin D3/Jahr die Frakturrate an Unterarm, Wirbelsäule, Schenkelhals um mehr als 33% senken lässt. So scheint die Vitamin-D-Substitution effektiver als die Kalziumsubstitution zu sein.
Tab. 1: Vitamin-D-reiche Nahrungsmittel | |
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Lebensmittel | Vitamin D (μg) |
Hering, Portion Brotbelag | 3,8 |
Heilbutt, Portion Brotbelag | 2,5 |
Kabeljau, Portion | 2 |
Ei, 1 Stück | 1,5 |
Hühnerleber, Portion | 1,3 |
Butter, Portion | 0,24 |
Hartkäse, z. B. Gouda, Scheibe | 0,2 |
Milch, 3,5 % Fett, Glas | 0,14 |
Joghurt, 3,5 % Fett, Portion | 0,1 |
Weichkäse, z. B. Brie, Portion | 0,08 |
Nach: Pfizer |
Tab. 2: Orte der 1-alpha-Hydroxylierung | |
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Ort der 1-alpha-Hydroxylierung | Wirkung |
Niere | Endokrine Wirkungen: |
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Prostata, Kolon, Brustdrüse, Immunzellen, Pankreaszellen, Haut | Autokrine und parakrine Wirkungen: |
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Abschliessend sei festgestellt, dass unsere Kenntnisse über die Bedeutung des Vitamin-D-Systems, die, wie rezente Daten zeigen, weit über die Beeinflussung des Knochenstoffwechsels hinaus geht, zunehmen werden. Es steht außer Zweifel, dass in diesem Kontext einerseits verstärkt Augenmerk auf die Diagnostik von Vitamin-D-Mangelzuständen und andererseits konsequenterweise auf eine ausreichende Substitution gelegt werden wird. Rezente Arbeiten weisen darauf hin, dass, wie schon oben angeführt, dem Vitamin D3 über den Knochenstoffwechsel hinaus eine Vielzahl von weiteren, wichtigen Aufgaben zukommt, dieser Umstand wird sicher auch gerade bei dem verbreiteten Vitamin-D3-Mangel in den Industriestaaten zu einer frequenteren Analyseforderung und konsequenterweise Substitution führen.