Zulässigkeit der PID in Deutschland

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs im Juli, dass aus dem Embryonenschutzgesetz kein Verbot der PID mehr abgeleitet werden kann, war dieser Bundestags-Entscheidung voraus gegangen. Aufgrund dieses Urteils war der Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert und war nach langer Diskussion der rechtlichen und ethischen Gesichtspunkte im Bundestag dann zu einer Entscheidung gekommen. Es standen drei Gesetzentwürfe zur Diskussion, wobei letztlich der Gesetzentwurf von Peter Hintze und Ulrike Flach die Mehrheit erhielt. Danach soll die Pränataldiagnostik in Ausnahmefällen zulässig sein. Um Rechtssicherheit für die betroffenen Paare und die Ärzte herzustellen, ist das Embryonenschutzgesetz um eine Regelung zu ergänzen, die die Voraussetzung und das Verfahren einer PID festlegt. Zur Vermeidung von Missbräuchen soll die PID nach verpflichtender Aufklärung und Beratung sowie einem positiven Votum einer interdisziplinär zusammengesetzten Ethikkommission in den Fällen zulässig sein, in denen ein oder beide Elternteile die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Im Vorfeld der PID soll eine sorgfältige Diagnostik bei beiden Partnern nach strengen Kriterien erfolgen. Zur Gewährleistung eines hohen medizinischen Standards soll die PID an lizenzierten Zentren vorgenommen werden. Die weiteren Durchführungsbestimmungen werden wahrscheinlich von dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer erarbeitet. Bereits 2003 wurde ein Diskussionsentwurf zu Richtlinien für die Präimplantationsdiagnostik von der Bundesärztekammer vorgelegt. Dieser Diskussionsentwurf müsste jetzt entsprechend überarbeitet werden.

Eine Stellungnahme der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften hat in der Bundestagsdebatte eine wichtige Rolle gespielt. In dieser Stellungnahme wird ausführlich die Auswirkung in der begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik in Deutschland diskutiert. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe hat die naturwissenschaftlichmedizinischen Grundlagen, die rechtlichen und ethischen Aspekte ausführlich diskutiert. In den Empfehlungen der Leopoldina werden strikte Voraussetzungen zur Anwendung einer PID formuliert, so dass einem Ausufern der Anwendung und einem von manchen befürchteten Dammbruch vorgebeugt wird, insbesondere durch die Richtlinienkompetenz einer zu benennenden Sachverständigungsstelle. Die Zulassung jeder einzelnen PID muss durch die benannte Sachverständigenstelle geprüft werden. Da sich die PID nur für monokausale erbliche Krankheiten eignet, kann es insgesamt pro Jahr nur eine sehr begrenzte Anzahl von Untersuchungen geben. Nicht mehr als 200 PID-Fälle werden erwartet.

Memorandum der Bundesärztekammer mit Zulassungsantrag für die PID: Auch die Bundesärztekammer hat durch eine Arbeitsgruppe des Wissenschaftlichen Beirats ein Memorandum zur Präimplantationsdiagnostik erarbeitet. Sowohl in der Arbeitsgruppe der Leopoldina als auch im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer haben Experten aus der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe intensiv mitgearbeitet. Dieses Memorandum der Bundesärztekammer wurde vom Vorstand verabschiedet und der Antrag auf Zulassung der PID erhielt nach intensiver Debatte auf dem Deutschen Ärztetag in Keil im Mai 2011 204 Ja-Stimmen und 33 Nein-Stimmen bei 6 Enthaltungen. Auf dem Deutschen Ärztetag 2003 in Rostock wurde dieses noch mehrheitlich abgelehnt. Nach dem Memorandum zur PID soll diese für Erkrankungen durchgeführt werden, für die bei einem Paar ein hohes genetisches Risiko bekannt ist. Die Bundesärztekammer wird sich dafür einsetzen, dass bei den Landesärztekammern PID-Kommissionen gebildet werden, die die Einzelfälle zur PID anonym prüfen.

Auch einer Forderung von Ethikkommissionen entsprochen: Bereits 1995 hat die Universitätsfrauenklinik Lübeck, gemeinsam mit Prof. Schwinger vom Institut für Humangenetik, einen Antrag an die Ethikkommission der Universität gestellt, um eine Präimplantationsdiagnostik durchzuführen bei einem Paar, das durch die Veranlagung zu einer Mukoviszidose belastet war. Es war bereits die Geburt eines Kindes mit Mukoviszidose vorausgegangen, dass zwei Jahre nach der Geburt verstarb. Bei zwei nachfolgenden Schwangerschaften wurde nach pränataler Diagnostik ebenfalls die Veranlagung zu einer Mukoviszidose erkannt. Die Eltern entschieden sich nach entsprechender Beratung zu einem Schwangerschaftsabbruch. Die Ethikkommission der Universität Lübeck konnte zwar aus ethischen Gründen einer Präimplantationsdiagnostik zustimmen, jedoch wurde ein Widerspruch gesehen zum bestehenden Embryonenschutzgesetz. Die Ethikkommission hat uns aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dieses Embryonenschutzgesetz entsprechend zu ändern, damit die Präimplantationsdiagnostik mit bestimmter Indikationsstellung zugelassen wird.

Für manche die einzige Hoffnung – ein Fallbeispiel aus der Praxis: Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit der PID bei strenger Indikationsstellung haben wir in Lübeck mit der Präimplantationsdiagnostik begonnen. Es konnte im April nach Präimplantationsdiagnostik eine Schwangerschaft erreicht werden, die derzeit problemlos läuft. Es handelt sich hierbei um ein Desbuquois-Syndrom, eine monogenetisch vererbbare Skelettanomalie, bei der die Kinder meist intrauterin oder früh nach der Geburt versterben, da sich Lunge und Herz nicht entwickeln können. Das Paar hatte bereits drei Schwangerschaften mit diesem Syndrom und intrauterinem Fruchttod hinter sich. Nach hormoneller Stimulation, In-vitro-Fertilisation der Eizellen und Biopsie mit genetischer Untersuchung der Blastomeren konnten zwei genetisch unbelastete Embryonen transferiert werden, von denen sich einer implantiert hat. Die Schwangerschaft ist in der 15. Woche und läuft problemlos.

FAZIT: Trotz langjähriger Diskussionen von Vertretern der DGGG und der Politik, gemeinsam mit der Bundesärztekammer, konnte erst jetzt die gesetzliche Grundlage für die Zulässigkeit der PID geschaffen werden. Dies ist ein später, aber doch großer Fortschritt für die Gynäkologie in Deutschland. Es werden damit endlich die Reisen für die PID ins Ausland unnötig.

 

Quelle: Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: „Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik in Deutschland“ (Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. Klaus Diedrich für die DGGG), August 2011