In den nächsten 30 bis 40 Jahren wird einerseits die Bevölkerungszahl um 20 % abnehmen und andererseits wird die Lebenserwartung noch weiter ansteigen; dieser Anstieg ist nicht zuletzt auch durch medizinische Innovationen bedingt. So sind u. a. Fortschritte in der Diagnostik, der operativen Behandlung und in der medikamentösen Therapie vieler Krebserkrankungen dafür verantwortlich, dass PatientInnen länger überleben.
Bei Überlegungen zur zukünftigen Struktur unseres Faches ist es insbesondere notwendig, Gedanken zur derzeitigen „Krankenhauslandschaft“ anzustellen: 2005 haben sich in Deutschland über 1.000 Kliniken an der Versorgung von gynäkologisch-geburtshilflichen Patientinnen beteiligt. Schlüsselt man diese Kliniken entsprechend ihrer Größe auf, so versorgen
Zusätzlich gibt es 31 Universitätskliniken, die sowohl kleinen als auch großen Krankenhäusern zugeordnet werden können. Interessant ist auch die Zahl der behandelten Fälle im Verhältnis zur Größe der Kliniken. Dabei zeigt sich, dass
Zusammenfassend kann demnach festgestellt
versorgt werden.
Aus diesen Fallzahlen ist zwingend abzuleiten, dass es in Deutschland keine Spezialisierung gibt. Kleine Krankenhäuser mit 1.000 Fällen weisen dasselbe Versorgungsspektrum auf wie große Krankenhäuser und Universitätskliniken!
Basierend auf der demografischen Entwicklung der letzten 30–40 Jahre ist zu erwarten, dass in unserem Fachbereich in den kommenden Jahren die Fallzahlen zurückgehen werden, es ist von einer Abnahme der stationären Fälle bis zum Jahre 2020 um etwa 7,3 % auszugehen. Berücksichtigt man zusätzlich den medizinischen Fortschritt, so ist in den nächsten 10 Jahren ein Rückgang um etwa 13 % anzunehmen.
Im Einzelnen wird es zu einer Abnahme
In Deutschland werden jährlich 50.000–60.000 Mammakarzinome und etwa 25.000 gynäkologische Karzinome neu diagnostiziert. Zwar stehen schon heute für die Versorgung von Patientinnen mit Mammakarzinom zertifizierte Brustkrebszentren und für die Versorgung von gynäkologischonkologischen Fällen zertifizierte gynäkologische Krebszentren zur Verfügung, allerdings wird es notwendig sein, die stationären Leistungen weiter zu zentralisieren, d. h. von Seiten der Krankenhäuser sind weitere Schwerpunktbildungen in der Onkologie vorzunehmen. Geht man nun von der Annahme aus, dass idealerweise 500 gynäkologisch- onkologische Fälle in einem Zentrum versorgt werden, so würden für Deutschland 50 Zentren ausreichen. Bei 300 Versorgungsfällen müssten 80 Zentren vorgehalten werden. Diese Zahlen sind allerdings nicht realistisch, da eine solche Zentrumsbildung für die Versorgung von über 40 Millionen Frauen in Deutschland ungeeignet wäre. Anzustreben sind Zentrumsbildungen mit 100–200 Fällen, das würde 200–250 Kliniken entsprechen. Diese Zentren dürften sich allerdings nicht nur auf die operative Therapie beschränken, sondern sie müssten zusätzlich Aufgaben im Bereich der Diagnostik wahrnehmen und vor allem auch zwingend systemisch-onkologische Therapien durchführen; in Bezug auf das Mammakarzinom zusätzlich auch plastische Operationen. Die Nachsorge hätte idealerweise in Kooperation mit den niedergelassenen Fachärzten zu erfolgen.
Auch kleine Häuser können trotz dieser strukturellen Vorgaben überleben, wenn sie aktiv auf die sinkenden Patientinnenzahlen reagieren und im Verbund mit benachbarten Kliniken Schwerpunkte bilden sowie neue Kooperationsformen und neue Strukturen wagen.
Tatsache ist, dass eine onkologische Schwerpunktbildung neben ökonomischen Aspekten eine Vielzahl von Vorteilen hat, so u. a. höchste Spezialisierung, beste Interdisziplinarität und entsprechend auch höhere Qualität. Eine potenzielle Gefahr bestünde allerdings in der Abspaltung von Mammazentren und gynäkologisch-onkologischen Zentren vom Restfach und somit in der Auflösung des Gesamtfaches Gynäkologie und Geburtshilfe. Es wird deshalb unsere zentrale Aufgabe sein, das Auseinanderfallen unseres Faches mit allen Mitteln zu verhindern und trotz Spezialisierung eine gemeinsame Zukunftsstrategie zu entwickeln, mit dem Ziel, die Gesamtheit unseres Faches zu erhalten.
AUSBLICK: Um der gynäkologischen Onkologie eine erfolgreiche Zukunft zu ermöglichen, wird es zweifellos notwendig sein, die derzeitigen Strukturen zu verdichten, wir brauchen insgesamt weniger Kliniken, diese allerdings mit gezielten Spezialisierungen und modularem Aufbau (Mammakarzinome, gynäkologische Karzinome, Urogynäkologie etc.). Weiters ist die interdisziplinäre Vernetzung durch Schaffung von Diagnostik- und Therapieboards, durch Einsatz von Telematik, Vernetzung der Zentren untereinander und verbesserte Studienteilnahme zu stärken. Nicht zuletzt wird es gelingen, durch Zentralisierung Innovationen gezielter und dadurch auch ökonomischer einzusetzen. GynäkologInnen werden dann im Rennen bleiben, wenn sie – wie in England, Frankreich und Holland schon üblich – Fähigkeiten trainieren, statt nur Zahlen erarbeiten. Die zentrale Herausforderung wird allerdings darin bestehen, einerseits die Einheit des Faches zu erhalten und andererseits alle Module in den großen Klinken, gegebenenfalls auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten, vorzuhalten. Wenn es gelingt, diese großen Aufgaben zu meistern, wird es möglich sein, ein zukunftsträchtiges Konzept für die gynäkologische Onkologie zu entwickeln.
ANMERKUNG: auszugsweise Wiedergabe eines Beitrags in „Frauenarzt“ 52 (2011), Nr. 8. Der von Prof. Kreienberg freundlicherweise zur Verfügung gestellte Beitrag ist in weiten Teilen auf die österreichischen Verhältnisse umlegbar.