Vorhofflimmern tritt häufig gemeinsam mit anderen Erkrankungen auf. Werden diese jeweils separat behandelt, können sich im Laufe der Zeit viele Verschreibungen ansammeln. Diese Polypharmazie führt zu entsprechend mehr Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente und Wechselwirkungen untereinander.
Vorhofflimmern (VHF) ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen weltweit und tritt in der älteren Bevölkerung immer häufiger auf. Es kann sich im Anschluss an und/oder zusammen mit anderen Erkrankungen entwickeln und ist damit eine der häufigsten Krankheiten mit mehreren Begleiterkrankungen. Basierend auf den Zulassungsstudien für die vier Nicht-Vitamin-K-antagonistischen oralen Antikoagulanzien (NOAKs) Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban sind Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Diabetes, Schlaganfall und Herzinfarkt die häufigsten Komorbiditäten bei Vorhofflimmern. Mit Abstand der häufigste begleitende Risikofaktor ist dabei Bluthochdruck, der in den vier Studien bei insgesamt 88 % (Range 79–94 %) der Patient:innen nachgewiesen wurde. Danach folgen Herzinsuffizienz und Diabetes mit 46 % bzw. 31 %. Meist steht die Anzahl der Komorbiditäten zudem in direktem Zusammenhang mit Polypharmazie, die als gleichzeitige Einnahme von fünf oder mehr Medikamenten definiert ist. So wurde bei Patient:innen mit VHF auch eine Prävalenz der Polypharmazie von 76,5 % gefunden, mit einem Median von 6 Medikamenten pro Patient:in.1
Polypharmazie ist eine häufige Folge, wenn verschiedene (Begleit-)Erkrankungen einzeln nach ihren jeweiligen Leitlinien behandelt werden. Sie kann zu Interaktionen zwischen den Wirkstoffen, fehlender Adhärenz und Anwendungsfehlern führen. Eine der Unterkategorien der Polypharmazie ist die so genannte Pillenlast. Diese ist definiert als die Anzahl der Medikamente, die ein:e Patient:in pro Tag einnehmen muss, und ist einer der wichtigsten Faktoren, die die Therapieadhärenz beeinflussen können. Durch das vorsichtige Absetzen „unnötiger“ Medikamente, das Einsetzen von Wirkstoffkombinationen oder die Verwendung von Formulierungen mit einmal täglicher Gabe kann die Pillenlast reduziert werden. Ein anderer Ansatz ist die sogenannte pharmazeutische Betreuung, bei der Apotheker:innen das Arzneimittelmanagement in multidisziplinärer Zusammenarbeit mit Ärzt:innen, Pfleger:innen und den Patient:innen selbst überwachen, indem sie die Medikation kontinuierlich überprüfen, Patientengespräche führen und Beratungen durchführen. Im Falle der Antikoagulation kann es außerdem sinnvoll sein, von beispielsweise Warfarin auf NOAKs zu wechseln, da diese weniger Interaktionen mit anderen Medikamenten bewirken.1
Ein wichtiger Interaktionsmechanismus für NOAKs ist die Ausscheidung über den P-Glykoprotein-(P-gp-)Transporter nach der Absorption im Darm. P-gp ist auch an der aktiven renalen Ausscheidung von NOAKs beteiligt. Die hepatische Elimination von Rivaroxaban und Apixaban verläuft maßgeblich über Cytochrom-P (CYP) 3A4. Im Allgemeinen führen daher starke Induktoren von P-gp und/oder CYP3A4 (wie Rifampicin, Carbamazepin usw.) zu einer deutlichen Verringerung der NOAK-Plasmaspiegel. NOAKs sind jedoch reine Substrate von P-gp und CYP3A4 und induzieren oder inhibieren diese nicht. Die gleichzeitige Gabe von NOAKs mit anderen Substraten von CYP3A4, P-gp oder beiden verändert die Plasmaspiegel dieser Arzneimittel daher nicht signifikant. Umgekehrt ist die Anwendung von NOAKs in Kombination mit Arzneimitteln, die starke Inhibitoren von P-gp und/oder CYP3A4 sind, nicht ratsam. Dies muss berücksichtigt werden, da viele Medikamente, die bei VHF-Patient:innen eingesetzt werden, P-gp-Inhibitoren sind (z. B. Verapamil, Dronedaron, Amiodaron, Ranolazin und Chinidin). Eine Dosisreduktion von NOAKs ist jedoch nur gemäß der jeweiligen Dosisreduktionskriterien empfohlen; wenn möglich, sollten immer die getesteten und zugelassenen Dosishöhen eingesetzt werden. Pflanzliche Arzneimittel werden hinsichtlich ihres Interaktionspotenzials häufig unterschätzt, darunter der starke CYP3A4- und P-gp-Induktor Johanniskraut. Daneben erhöht die Gabe von NOAKs gemeinsam mit anderen Antikoagulanzien, Plättchenaggregationshemmern oder nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) die Gefahr von Blutungen. Allgemein ist bei Patient:innen mit zusätzlichen Risikofaktoren oder Polypharmazie besondere Vorsicht geboten bzw. kann eine Messung der Plasmalevel in Betracht gezogen werden.2
Mögliche pharmakokinetische Interaktionen von Edoxaban mit anderen Substanzen wurden in sechs Studien untersucht. Edoxaban ist ein direkter Faktor-Xa-Hemmer und Substrat für P-gp, womit P-gp-hemmende kardiovaskuläre Wirkstoffe das Potenzial haben, dessen Arzneimittelexposition zu erhöhen. Die gesamte Einwirkung von Edoxaban, gemessen als Fläche unter der Kurve, stieg bei gleichzeitiger Verabreichung mit Chinidin um 76,7 %, mit Verapamil um 52,7 % und mit Dronedaron um 84,5 %. Die 24-Stunden-Konzentration als Messung des Talspiegels war für Chinidin (11,8 %), Verapamil (29,1 %) und Dronedaron (157,6 %) ebenfalls erhöht. Amiodaron erhöhte die gesamte Edoxaban-Exposition um 39,8 % und verringerte die 24-Stunden-Konzentration um 25,7 %. Die gleichzeitige Verabreichung mit Digoxin (+9,5 % bzw. –9,4 %) oder Atorvastatin (+1,7 % bzw. +7,9 %) hatte nur minimale Auswirkungen auf die Gesamt- und 24-Stunden-Konzentration von Edoxaban.3 Bis auf Dronedaron ist bei diesen kardiovaskulären Medikamenten keine Dosisanpassung von Edoxaban nötig. Daher soll die Dosis nur bei folgenden Substanzen aufgrund von Medikamenteninteraktionen (von 60 mg auf 30 mg einmal täglich) reduziert werden: Ciclosporin, Dronedaron, Erythromycin oder Ketoconazol.2, 4 Edoxaban wird im Gegensatz zu anderen NOAKs (Apixaban und Rivaroxaban) nicht über CYP3A4 abgebaut, wodurch das Interaktionspotenzial mit anderen Substanzen (welche über CYP3A4 abgebaut werden) nicht erhöht wird.4
NOAKs weisen im Vergleich zu Warfarin weniger Interaktionen mit anderen Arzneimitteln auf. Als Substrate von P-gp und CYP3A4 ist dennoch bei der gemeinsamen Gabe mit anderen Medikamenten, die bei Patient:innen mit VHF eingesetzt werden und häufig P-gp inhibieren, Vorsicht geboten. Ein zusätzlicher Risikofaktor ist Polypharmazie aufgrund der häufigen Komorbiditäten bei VHF.