Wie der österreichische Virologe Univ.-Prof. Florian Krammer, der an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York tätig ist, betont, dürften alle drei derzeit zugelassenen Impfstoffe auch gegen B.1.1.7, die erstmals in Großbritannien aufgetretene Variante, wirksam sein. Etwas anders sieht das bei B.1.351, der Variante aus Südafrika, aus.
Derzeit wird die Verbreitung von drei Virus-Varianten („variants of concern“) mit besonderer Sorge beobachtet: B.1.1.7 (in Großbritannien erstmals aufgetreten), B.1.351 (erstmals in Süd-Afrika aufgetreten) und P.1 (die aus Brasilien stammende Variante).
Fragezeichen bei der B.1.351-Variante
Was die drei derzeit wichtigsten besorgniserregenden Virus-Varianten eint, ist, dass sie aufgrund der „NELLY-Mutation“ (N501Y) – das ist die Mutation, die zu einer Veränderung im Spikeprotein führt – infektiöser sind als das davor verbreitete Wildtyp-Virus. Wie Krammer betont, gebe es derzeit aber keine robusten Daten, die zeigen würden, dass diese Varianten zu schwereren Verläufen führen oder bestimmte Altersgruppen vermehrt infizieren würden.
Sowohl bei der B.1.351-Variante als auch bei der P.1-Variante liegt zusätzlich auch die sogenannte „ERIK-Mutation“ (E484K) vor. Diese dürfte dafür verantwortlich sein, dass das Immunsystem von Genesenen, die eine Infektion mit dem Wildtyp durchgemacht haben, möglicherweise nicht ideal vor der neuerlichen Infektion mit einer der mutierten Varianten schützt, so Krammer. Die meisten der zugelassenen oder im Rolling Review der EMA befindlichen Impfstoffe – allerdings nicht alle – würden zwar einen herabgesetzten, aber immer noch guten Schutz gegen die B.1.351-Variante aufweisen, so Krammer. Anzunehmen sei, dass das auch für die aus Brasilien stammende P.1-Variante gelte, wenngleich es erst sehr wenige über In-vitro-Ergebnisse hinausgehende Studiendaten dazu gäbe. Es sei aber zu erwarten, dass zumindest schwere Verläufe abgewendet werden können.
Guter Schutz gegen B.1.1.7-Variante
Klarer ist die Situation mittlerweile, was die Wirksamkeit der Impfstoffe bei der britischen Variante B.1.1.7 betrifft, wie insbesondere Ergebnisse aus Großbritannien zeigen: „Hier dürften alle zugelassenen und im Rolling Review befindlichen Impfstoffe ähnlich gut wie gegen den Wildtyp wirken“, sagt Krammer.
Da in Österreich, auch in Tirol, bisher hauptsächlich die Wildtyp- oder die B.1.1.7-Variante nachgewiesen wurden, bedeute das, dass alle derzeit verfügbaren Impfstoffe einen guten Schutz bieten. Daher sollte mit jedem verfügbaren Impfstoff geimpft werden. Unbedingt sollte ein Abwarten auf die Verfügbarkeit anderer Impfstoffe vermieden werden.
Impfstoffadaptionen und mögliche Prime-Boost-Strategien
Impfstoffadaptionen an die neuen mutierten Varianten sind bei beiden Impfstofftypen – das heißt sowohl bei den Vektor- als auch bei den mRNA-Impfstoffen – möglich und in Entwicklung. Bis ein adaptierter Impfstoff verfügbar ist, wird es jedoch Monate dauern.
Denkbar wäre prinzipiell eine Impfstrategie, bei der nach der Grundimmunisierung mit einem der derzeitigen Impfstoffe später eine „Booster“-Impfung mit einem adaptierten Impfstoff erfolgt, durchaus auch mit einem Impfstoff einer anderen Technologie. Konkret könnte das bedeuten, nach der Immunisierung mit einem Vektorenimpfstoff die Booster-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff durchzuführen. „Solche Prime-Boost-Impfstrategien sollten so bald wie möglich in klinischen Studien getestet werden“, betont Krammer. Der prinzipielle Proof of Concept wurde dazu bereits in Studien mit Influenza-Impfstoffen erbracht, wo mit Prime-Boost-Strategien sogar ein stärkerer und breiterer Schutz erreicht werden konnte.
Nach durchgemachter Infektion könnte eine Teilimpfung ausreichen
Immer mehr Studien gibt es zur Impfung von Personen, die schon eine Infektion durchgemacht haben. Hier mehren sich die Hinweise, dass mit nur einer Teilimpfung ein völlig ausreichender Impfschutz aufgebaut wird. „Bereits eine Impfung führt zu einem massiven Ansteigen der Immunabwehr, verbunden mit oft starken Impfreaktionen, die auf eine gute Immunantwort hinweisen“, so Krammer. Eine zweite Teileimpfung würde bei dieser Personengruppe daher wenig Sinn machen.
Dieser Umstand ist letztlich auch hinsichtlich des optimalen Ressourceneinsatzes von großem Interesse, weil man sich die zweite Dosis sparen und jemand anderem zur Verfügung stellen könnte.
(Pressekonferenz des ÖVIH, 25.2.2021)
Text: Susanne Hinger