(Pressekonferenz im Bundesministerium, 15.1.2021; Dr. Andreas Bergthaler, CEMM)
Wie viele Proben werden derzeit sequenziert? Wie werden Verdachtsfälle ermittelt? Und wann werden die Sequenzierkapazitäten ausgebaut?
Für genaue Zahlen, um die Verbreitung der neuen Virus-Variante abschätzen zu können, fehlt zwar noch eine repräsentative Stichprobe. Es ist jedoch erwartbar, dass sich die Virus-Variante bereits breitflächig in Österreich verbreitet habe, sagt Dr. Andreas Bergthaler, CEMM. In Irland sind bereits etwa 50% der Neuinfektionen der neuen Variante zuzuschreiben, in Slowenien bis zu 15%,und auch in der Schweiz sind es schon 6%. Bundesminister Rudolf Anschober dazu: “Österreich wird hier keine Insel sein.”
Wie Daten aus England und Irland zeigen, ist die neue Variante etwa um 50% infektiöser als die alte. „Hochgerechnet mit einem Infektionsintervall von 5–6 Tagen ergibt das innerhalb eines Monats eine Verachtfachung oder gar Verzehnfachung der durch die neue Variante ausgelösten Fälle”, so Bergthaler.
Bis 15.1. lagen in Österreich ca. 100 Verdachtsfälle für die neue Virus-Variante B1.1.7 vor, laufend werden neue Verdachtsfälle gemeldet. Da das Prä-Screening dezentral in verschiedenen Laboren ganz Österreichs erfolgt und die Daten nicht zentral erfasst werden, kann – bis zur Bestätigung in der Sequenzierung – nur von einer ungefähren Anzahl an Verdachtsfällen gesprochen werden.
Wie werden Verdachtsfälle ermittelt?
Die sogenannte “englische” Variante (B1.1.7) verfügt über eine Vielzahl von Mutationen und wird deshalb auch als Virus-Variante (und nicht mehr als Mutante) bezeichnet. Ob ein Fall tatsächlich der neuen Virus-Variante zuzuschreiben ist, kann nur nach einer Genom-Sequenzierung festgestellt werden. Doch Sequenzieren ist ein höchst aufwändiger Prozess.
Daher werden Prä-Screening-Tests durchgeführt:
Dazu werden herkömmliche PCR-Tests geringfügig verändert, so dass damit auch eine bestimmte, für die Virus-Variante typische Mutation detektiert wird, wie Bergthaler erläutert. Diese mutationsspezifischen PCR-Untersuchungen könnten auch in der Routinediagnostik in den Labors durchgeführt werden.
Von einem Verdachtsfall für die neue Virus-Variante spricht man also, wenn diese mutationsspezifische PCR positiv ist. Damit wird jedoch nur das Vorliegen dieser einen Mutation festgestellt. Ob tatsächlich B1.1.7 vorliegt (die Virus-Variante verfügt über mindestens 17 Mutationen), muss anschließend durch Genom-Sequenzierung bestätigt werden.
Warum dauert Sequenzieren so lange?
Die äußerst komplexe Methode wurde über ein Jahr hindurch aufgebaut (CEMM mit Partner-Organisationen) und in den Abläufen maximal optimiert, so dass die Sequenzierung eines Genoms 7 Kalendertage in Anspruch nimmt, erläutert Dr. Bergthaler: Allein die Vorbereitung der Probe ist sehr aufwändig und dauert 2–3 Tage, das Sequenzieren benötigt wieder 2 Tage. Die damit generierten Rohdaten müssen dann mit leistungsstarken Rechnern analysiert werden – ein Vorgang, der wieder 1–2 Tage in Anspruch nimmt.
Bis jetzt wurden in Österreich 1.300 Virusgenome sequenziert. Um einen repräsentativen Überblick über die Verbreitung der neuen Virus-Variante zu erhalten, sollen die Sequenzier-Kapazitäten nun massiv ausgeweitet werden, so Bundesminister Rudolf Anschober.
Welcher Anteil an positiven Proben wird derzeit sequenziert?
In Österreich werden derzeit 0,3% der positiven SARS-CoV-2-Proben sequenziert. Die Kapazitäten sollen um das 10-Fache erhöht werden, so dass künftig 400 Virusgenome pro Woche sequenziert werden können.
Wie viel wird in anderen europäischen Ländern sequenziert?
Im Vergleich dazu: in Dänemark werden derzeit 12%, in England 5% der positiven Proben sequenziert. Die Schweiz liegt bei etwa 1%, Deutschland liegt mit nur 0,1–0,2% sogar hinter Österreich, auch dort will man aufstocken. Andere Länder, vor allem in Ost-Europa, verfügen über fast gar keine Kapazitäten zur Sequenzierung. Bergthaler verweist auch auf die gesamteuropäische Perspektive und die Notwendigkeit, Länder ohne Infrastruktur und ohne Sequenzier-Kapazitäten zu unterstützen. „Es wäre auch für uns eine wichtige Absicherung, zu wissen, welche Viren in Osteuropa zirkulieren.“
(Pressekonferenz am 15.1.2021)
Text: Susanne Hinger