Univ.-Prof. Dr. Dorothee von Laer
Leiterin des Instituts für Virologie, Medizinische Universität Innsbruck
(Foto: Florian Lechner/MUI)
Die erste große Antikörper-Studie in der Bevölkerung von Ischgl hatte im April des vergangenen Jahres eine Seroprävalenz von 42,4 % in der Gesamtbevölkerung gezeigt. Im November wurden die Ischgler erneut getestet. Die Beteiligung an der Folgestudie war abermals hoch, insbesondere unter jenen, die im April positiv getestet worden waren.
Die am 18. Februar präsentierte Studie der Medizinischen Universität Innsbruck ist mit knapp über 900 Teilnehmern eine der größten und mit einer Nachbeobachtungszeit von 8 Monaten auch eine der längsten durchgeführten Antikörperstudien zu SARS-CoV-2. Für die Folgestudie in der ersten Novemberwoche konnten knapp 900 erwachsene Personen aus Ischgl (im Alter von 18 bis 89 Jahren) rekrutiert werden. Von ihnen hatten 801 Personen schon an der ersten Studie im April teilgenommen.
Die im April 2020 durchgeführte Basisstudie hatte eine Seroprävalenz von 42,4 % in der Ischgler Bevölkerung gezeigt. Allerdings waren in diese Basisstudie auch Teilnehmer unter 18 Jahren eingeschlossen gewesen, in der nunmehrigen Folgestudie wurden nur Erwachsene untersucht.
Betrachtet man also nur die 801 (erwachsenen) Probanden, die jetzt an der Folgestudie und davor im April an der Basisstudie teilgenommen haben, dann lag im April die Seroprävalenz bei 51,4 %. Bei der Folgeuntersuchung im November lag die Seroprävalenz in dieser Gruppe noch immer bei 45,4 %, fasst Studienleiterin Dr. Wegene Tamire Borena, Institut für Virologie, Innsbruck, die Ergebnisse zusammen.
Das bedeutet: „Bei knapp 90 Prozent von den im April 2020 seropositiv Getesteten konnten auch im November Antikörper detektiert werden“, erläutert Institutsleiterin Univ.-Prof. Dr. Dorothee von Laer. Damit könne man von einer relativ stabilen Immunität sprechen.
Neutralisationstest zur Bestätigung spezifischer Antikörper. Der Nachweis SARS-CoV-2-spezifischer Antikörper erfolgte in der Folgestudie wie schon in der Basisstudie mit unterschiedlichen kommerziellen Antikörpertests. In der Folgestudie wurde zusätzlich ein Teil der Proben in einem Neutralisationstest auf spezifische neutralisierende Antikörper hin untersucht, um die kommerziellen Antikörpertests zu überprüfen und insbesondere bei differierenden Ergebnissen der kommerziellen Tests das Vorliegen spezifischer Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu bestätigen.
Nachweis von zellulärer Immunität. In der Studie wurde neben der antikörperbasierten Immunität auch die zelluläre Immunität untersucht. Die Testverfahren sind sehr komplex. Konkret wurden 93 Proben auch auf das Vorliegen SARS-CoV-2-spezifischer T-Zellen untersucht.
Die gute Nachricht: Eine hohe T-Zellimmunantwort ließ sich auch in Proben mit kaum oder nicht mehr nachweisbarem Antikörpertiter belegen, was die Rolle der zellulären Immunität nach COVID-19 untermauert, wie von Laer betont. Es sei daher denkbar, dass eine Immunität auch dann besteht, wenn keine Antikörper mehr nachweisbar sind.
Zu bedenken sei ferner, dass davon auszugehen sei, dass eine Infektion per se zwar von den Antikörper-Antwort verhindert wird, die Schwere der Erkrankung aber von der T-Zell-Antwort bestimmt wird. „T-Zellen schützen vor schweren Verläufen“, wie von Laer erläutert.
Schwere der Erkrankung korreliert mit Antikörper-Persistenz. In der Folgestudie wurden die ProbandInnen auch zu ihren Symptomen befragt. Je schwerer die Symptome beschrieben wurden, desto mehr neutralisierende Antikörper waren auch nach acht Monaten noch nachweisbar. Eine erste Analyse lässt hier also den Schluss zu, dass das Ausmaß der beschriebenen Symptome mit der Antikörper-Persistenz korreliert.
„Mit dieser Folgestudie war es erstmals möglich, in einer gleichbleibenden Population parallel zu den biologischen Daten auch den Verlauf der Neuinfektionsrate vergleichend zu beobachten“, so von Laer. Die Neuinfektionsrate lag in Ischgl in dieser sogenannten 2. Welle bei unter 1 %. Damit kam Ischgl um vieles besser durch die 2. Welle als der Rest Österreichs. Diese Entwicklung wird auch in der Analyse einer begleitenden Studie der Paris Lodron Universität Salzburg dargestellt, in der der Inzidenz-Verlauf der Gemeinde Ischgl anderen vergleichbaren Orten gegenübergestellt wurde.
Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Zwar könne bei einer Seroprävalenz zwischen 40 und 50% noch nicht von einer Herdenimmunität ausgegangen werden, dennoch dürfte die hohe Seroprävalenz in Kombination mit flankierenden Präventionsmaßnahmen eine zweite Welle im Herbst verhindert haben. Und das stimmt vorsichtig optimistisch, auch im Hinblick auf notwendige Durchimpfungsraten, die erreicht werden müssen, um in Kombination mit Präventionsmaßnahmen wieder eine Rückkehr zu einer gewissen Normalität zu erlauben.
Redaktion: Susanne Hinger