Biomarker-Evaluierung bei Asthma und COPD

Biomarker gelten als wichtiges Tool der modernen Medizin und medizinischen Forschung. Bei Asthma und COPD unterstützen sie vor allem die Therapieentscheidung und die Vorhersage des Therapieansprechens, wie Prof.in Dr.in Daiana Stolz im Interview mit IM FOKUS aufzeigte. Einen diagnostischen Biomarker gibt es bislang nur beim Asthma.

Frau Prof.in Stolz, was versteht man eigentlich genau unter dem Begriff Biomarker?

Schaut man sich die Literatur an, so hat man das Gefühl, dass die Biomarkerforschung in den vergangenen Jahren explodiert ist, aber Biomarker gibt es natürlich schon sehr viel länger.

Denken Sie nur an den Blutdruck oder die Körpertemperatur, die schon im 19. Jahrhundert in der klinischen Routine bestimmt wurden ­– auch das sind Biomarker.  Allgemein definiert man Biomarker als Merkmale, die uns Informationen über bestimmte Prozesse im Körper geben. Biomarker können nicht nur im Blut, sondern auch in speziellen Geweben, in der Ausatemluft, im Urin oder in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit vorkommen. Sie können z. B. prognostisch, diagnostisch oder prädiktiv sein.

Welche Eigenschaften sollte ein guter Biomarker haben?

Überlegt man sich, einen Biomarker neu einzuführen, sind folgende Charakteristika zu berücksichtigen: Zunächst einmal muss der Biomarker eine Verbesserung gegenüber derzeitigen Standards bieten. Die Messung/Erhebung hat idealerweise Einfluss auf das Patientenmanagement und kann das Outcome verbessern – man spricht dann von einem „actionable“ bzw. „valuable“ Biomarker. Auch wäre es gut, wenn ein Biomarker hilft, Kosten zu sparen. Nicht zuletzt ist es wichtig, dass ein Biomarker in der klinischen Routine anwendbar ist, d. h. die Probennahme darf nicht zu kompliziert sein und die Bestimmung nicht zu lange dauern.

Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von Biomarkern ist das Asthma bronchiale. Welche Biomarker sind hier bereits etabliert?

Beim Asthma haben wir Biomarker, die uns bei der Diagnose, bei der genauen Charakterisierung des Asthmas, bei der Therapiewahl und der Vorhersage des Therapieansprechens unterstützen.
Asthma lässt sich in die Kategorien Type-2-(T2-)high und T2-low einteilen, je nachdem ob die Typ-2-Inflammation dominiert oder nicht. Liegt ein T2-high Asthma vor – und das lässt sich anhand bestimmter Biomarker feststellen – ist die Wahrscheinlichkeit für ein Ansprechen auf Medikamente, die die Typ-2-Entzündung modulieren, hoch.
Was sind das nun für Biomarker? Eine gemeinsame Task Force der European Respiratory Society und der American Thoracic Society hat kürzlich vorgeschlagen, dass ein in der Atemluft gemessener FeNO-(fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid-)Wert ≥ 50 ppb (parts per billion), bei passenden klinischen Beschwerden und Ausschluss anderer Ursachen, eine Asthma-Diagnose erlaubt. Einen Hinweis auf das Vorliegen einer Typ-2-Entzündung gibt die Erhöhung eosinophiler Granulozyten, die in der bronchoalveolären Lavage, im Lungengewebe, im Blut und im Auswurf gemessen werden kann. In der Praxis erfolgt die Bestimmung meist im Blut und im Auswurf. Ein indirekter Biomarker für die Anwesenheit von Eosinophilen im Lungengewebe ist in der Atemluft gemessenes erhöhtes FeNO. Die beiden genannten Biomarker zeigen also, ob ein T2-high-Asthma vorliegt. Ob es sich dabei um ein allergisches oder nicht-allergisches Asthmas handelt, kann durch Bestimmung weiterer Biomarker, wie z. B. die IgE-Konzentration im Blut, beantwortet werden. Alternativ kann ein Skin-Prick-Test durchgeführt werden. Zur Modulation der Typ-2-Inflammation eignen sich Antikörper gegen IL-4/-13 oder IL-5; steht die allergische Komponente im Vordergrund, kann ein Anti-IgE-Antikörper eingesetzt werden. Für die Therapiewahl mitentscheidend sind auch etwaige Komorbiditäten.
Neben den oben beschriebenen etablierten Biomarkern, werden auch die zeitliche FeNo- und Peak Flow-Variabilität zunehmend als Biomarker erforscht.

Auch bei COPD spielen Biomarker eine wichtige Rolle. Welche Biomarker kennt man hier?

Anders als beim Asthma, haben wir bei COPD keine diagnostischen Biomarker. Die meisten Biomarker geben uns Auskunft über das zu erwartende Ansprechen bzw. Nicht-Ansprechen auf bestimmte Therapien, speziell auch bei akuten COPD-Exazerbationen. Gut untersucht (und FDA-approved) ist die Procalcitonin-(PCT-)Bestimmung: ist das PCT in der Exazerbation nicht erhöht, kann auf eine antibiotische Behandlung verzichtet werden. Ähnlich verhält es sich mit dem C-reaktiven Protein (CRP): weisen Patient:innen in der Exazerbation niedrige CRP-Werte auf, werden sie sich ohne Antibiotika erholen.
Viel diskutiert bei COPD sind die Eosinophilen im Blut zur Einschätzung der Wirksamkeit inhalativer Kortikosteroide (ICS). Dabei gilt: je höher die Zahl der Eosinophilen, desto besser das Ansprechen auf ICS. Aktuellen Empfehlungen zufolge soll ab einem Wert von 300 Zellen/µl ein ICS eingesetzt werden, zwischen 100 und 300 Zellen/µl gibt es eine Kann-Empfehlung, bei < 100 Zellen/µl wird von ICS abgeraten. Einschränkend sei hier erwähnt, dass der Zusammenhang zwischen Eosinophilen-Zahl und ICS-Response bislang nicht als primärer Endpunkt in einer randomisierten klinischen Studie untersucht wurde. Vielmehr handelt es sich um einen sekundären Outcome anderweitig fokussierter Studien. Eine Studie mit dem primären Outcome Eosinophilie wäre jedenfalls wünschenswert.
Für die Zukunft spannend: bestimmte Prohormone mit kardiologischer Ätiologie als prognostische Biomarker bei COPD, dazu zählen beispielsweise Proadrenomedullin, Copeptin oder pro-atrial natriuretic peptide (pro-ANP). Weiters interessant als Biomarker sind FeNO, Diffusionskapazität, Club Cell Protein 16 (CC16) oder Surfactant Protein D (SP-D).

Ist die Bestimmung von Biomarkern bei Asthma und COPD im klinischen Alltag schon angekommen? Welche Hürden gibt es in der täglichen Praxis?

In der Praxis braucht es bei Asthma und COPD natürlich nach wie vor das klinische Verständnis, aber ganz ohne Biomarker kommen wir auch nicht mehr aus.

Beim Asthma denke ich da an die Bestimmung von FeNo und Eosinophilenzahl, die auf jeden Fall sinnvoll ist. Ist der Zugang dazu schwierig, können die Peak Flow-Variabiliät und die Reversibilität der Lungenfunktion weiterhelfen. Letzteres bedeutet, dass man die Lungenfunktion vor und nach Gabe eines kurzwirksamen Beta-2-Agonisten bestimmt, um zu schauen, ob und wie sich die Lungenfunktion verbessert. Die fehlende Erstattung der FeNO -Messung durch die Krankenkasse stellt sicherlich eine Hürde dar; die Bestimmung der Eosinophilen muss in einem Labor durchgeführt werden, das dauert einen Tag, sodass das Ergebnis erst kommt, wenn der/die Patient:in längst zu Hause ist.
Bei COPD halte ich eine Bestimmung der Eosinophilen für sinnvoll, in der Exazerbation sollte man sich auch PCT und CRP anschauen. Darüber hinaus lohnt sich die Erfassung von Biomarkern, die für andere Erkrankungen sprechen (Stichwort: Differenzialdiagnose). So kann in der Exazerbation ausgeschlossen werden, dass der Verschlechterung der respiratorischen Beschwerden eine andere Ursache als die COPD selbst zugrunde liegt. Das könnte z. B. ein Herzinfarkt (erhöhtes Troponin), eine Herzinsuffizienz (erhöhtes NT-proBNP) oder eine Lungenembolie (erhöhte D-Dimere) sein.
Zusammenfassend haben Biomarker bei Asthma und COPD einen unterstützenden und wichtigen praktischen Wert.

Vielen Dank für das Gespräch!