UIM 08|2024
Zur Ausgabe »
Die Diagnose des Asthmas ist manchmal selbst bei klassischen Symptomen schwierig: Die objektivierbare reversible Obstruktion ist häufig episodenhaft – wie zum Beispiel nach saisonalem Allergenkontakt. Und Exazerbationen, die orale Kortikosteroide brauchen, empfinden manche Patient:innen als therapiebedürftige Einzelfälle. Das Asthma ist jedoch eine chronische entzündliche Erkrankung mit übermäßiger Aktivierung des Typ-2-Immunsystemarms, die unter anderem die allergischen Reaktionen mit Mastzellausschüttung, eosinophile Gewebsinfiltrierung und eine tiefgreifende Veränderung der Atemwegsschleimhaut, -muskulatur und neuronaler Aktivität beinhaltet.1 Diese chronische Typ-2-(T2-)Entzündung ist veränderlich, ausgelöst und erschwert durch Allergien oder epitheliale Reizung der Atemwege, kann aber auch schwelend verbleiben.
Bluteosinophile (B-EOS) sind eine Gewebsinfiltration entfernt von der eosinophilen Entzündung der Atemwege und somit adäquate T2-Marker mit mäßiger Diskrepanz und leichter klinischer Zugänglichkeit.1,2 Zur Erfassung der allergischen Typ-2-Entzündung ist der Gesamt-Immunglobulin-E-(IgE-)Wert lediglich ein indirekter T2-Marker, da er auch monoklonale, nichtallergische IgE miterfasst.1,2 Ein direkterer T2-Marker ist die asthmaauslösende Allergie, validiert durch den Prick-Test.2 Fraction of exhaled Nitric Oxide (FeNO) ist Stickstoffmonoxid, das in Lungenepithel und Makrophagen nach IL-13-Auslösung produziert und ausgeatmet wird und somit ein eher direkter Marker der T2-Atemwegsentzündung, der aber auch Bias-anfällig ist.2,3
Typ-2-Biomarker erfassen die ursächliche Entzündung bei Asthma und werden aktuell von den neuen europäischen, deutschen und englischen Leitlinien an vorderste Front der Diagnosestellung und Therapie bei schwerem Asthma gestellt.2,4,5 Im klinischen Alltag muss man sich derzeit bei T2-Markern bewusst sein, dass sie besonders durch orale, aber auch inhalative Kortikosteroideinnahme deutlich gesenkt werden, ebenso durch Rauchen; eine aktuelle Erkältung, allergische Reaktion oder chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP) wiederum erhöhen sie.6–8 Wenn man diese und mehr Bias hinzuzieht, helfen erhöhte T2-Marker bei der Asthmadiagnose, wenn nicht die klassische reversible Obstruktion vorhanden ist.
Bei bestehendem Verdacht auf Asthma und entweder eine irreversible Obstruktion, bronchiale Hyperreagibilität (BHR), Peak-Flow-/(FEV1-)Variabilität oder sogar lediglich typische Symptome mit einem FeNO von ≥ 50 ppb (Achtung: resp. Infekte erhöhen FeNO) ist eine moderate T2-Marker-Erhöhung ausreichend, um eine inhalative Kortikosteroidtherapie mit Beta-Mimetikum (z. B. Formoterol, ICS/FABA) je nach Symptomen mit kurzfristiger Kontrolle zu versuchen.2 Bei bestehenden Allergien gilt Allergenkarenz und die Evaluierung einer allergenspezifischen Immuntherapie (AIT).2
Bei weiterhin unkontrollierten Symptomen muss mittels mehrmaliger T2-Marker- und klinisch-lungenfunktioneller Kontrolle die Diagnose Asthma geprüft werden. Dreimalig negative T2-Marker ohne Kortikosteroideinfluss sprechen für Differenzialdiagnosen. Bei sicherer Diagnose ist ein hohes FeNO primär eine Adhärenzaussage, weiters müssen Komorbiditäten behandelt, andere Auslöser eliminiert und schlussendlich die ICS-Dosis erhöht werden.2,9
Sind die Symptome und das Asthma kontrolliert, ist ein hohes FeNO bei guter Adhärenz ein Hinweis, die ICS-Therapie auf dieser Dosierung zu behalten; ein niedriges FeNO zeigt eine ICS-Therapiesenkung an. Ziel ist die niedrigste ICS-Dosierung, die Symptome, T2-Entzündung und somit gefährliche Exazerbationen eliminiert.2
Besteht trotz einer moderaten oder hohen ICS-Kombinationstherapie mit zwei oder drei Wirkstoffen ein unkontrolliertes Asthma, gibt es häufige oder schwere Exazerbationen oder eine bestehende Atemwegsobstruktion, ist von einem schwierigen oder schweren Asthma auszugehen und eine Durchuntersuchung zu initiieren.2,9
Wie kann man schwieriges von schwerem Asthma trennen? Bei dieser Frage helfen Biomarker nicht mehr viel weiter, auch wenn sie eine aktive T2-Entzündung darstellen – schlechte Therapieadhärenz und Inhalationstechnik und erschwerende Komorbiditäten können die Entzündung begünstigen.9 Stattdessen soll eine umfassende Durchuntersuchung stattfinden: Bodyplethysmografie mit Diffusionsanalyse (DLCO), Computertomogramm des Thorax (und der Nasennebenhöhlen), immunologische Untersuchungen (ggf. Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage), kardiologische Abklärung mit EKG und Echokardiografie, Schlaflaborabklärung mittels Polygrafiescreening und eine Erfassung von Refluxsymptomen, Depression und Angstzuständen.9
Die Durchuntersuchung und optimale Behandlung von gefundenen Komorbiditäten ist Voraussetzung für eine gute Therapie des schweren Asthmas. Nicht nur, dass behandelte Komorbiditäten die Asthmakontrolle wesentlich erleichtern und die Medikamentenlast sogar senken können, sie helfen auch bei der Auswahl der Biologika für das schwere Asthma.9
Bei klassischem allergischem Asthma mit einem ganzjährigen Allergen kann als Erstes eine Anti-IgE-Therapie (Omalizumab) gegeben werden. Hier dienen die Biomarker dazu, die Wahrscheinlichkeit eines Therapieerfolges abzuschätzen: Bei einem FeNO ≥ 20 ppb oder erhöhten Bluteosinophilen (B-EOS ≥ 260/mcl) ist der Therapieerfolg wahrscheinlicher, da diese Werte eine aktive allergische Entzündung widerspiegeln. Gleichfalls kann eine Anti-IgE-Therapie bei komorbider Urtikaria oder CRSwNP indiziert sein und diese Patient:innen sekundär in der Asthmatherapie unterstützen.10
Liegen bei Patient:innen mit allergischem Asthma lediglich ein oder mehrere saisonale Allergene vor, kann die Anti-IgE-Therapie nicht gegeben werden, unabhängig davon, wie hoch das Gesamt-IgE oder wie schwer die saisonalen Allergien sind. Besteht gleichzeitig eine moderate oder schwere atopische Dermatitis, am besten mit bekannten FeNO-Werten ≥ 50 ppb, ist eine Anti-IL-4/13-Therapie geeignet. Andernfalls müsste eine Behandlung wie bei nichtallergischem Asthma erfolgen.2
Bei nichtallergischem Asthma sind die T2-Biomarker ausschlaggebend für die Therapiewahl: Bei hohen Bluteosinophilen (z.B. B-EOS ≥ 300/mcl, unter OCS-Therapie B-EOS ≥ 150/mcl) kann eine Anti-IL-5/IL-5R-Therapie (Benralizumab, Mepolizumab, Reslizumab) bevorzugt werden. Die genaue Wirkstoffauswahl ist durch Komorbiditäten, maximale Bluteosinophilenzahl und bevorzugtes Therapieintervall (2, 4 oder 8 Wochen) festgelegt. Bei allen Anti-IL-5/IL-5R-Wirkstoffen gilt, je höher die T2-Entzündungslast und die damit verbundenen Beschwerden (hohe Bluteosinophile, Kortisonabhängigkeit, zäher Mukus, häufigere Exazerbationen), desto höher ist die Erfolgswahrscheinlichkeit der Anti-IL-5/IL-5R-Therapie.11 Bei schwerer CRSwNP und anderen hypereosinophilen Erkrankungen (charakteristisch mit B-EOS ≥ 1.000/mcl) kann die Anti-IL-5/IL-5R-Therapie auch therapeutisch verabreicht werden.²
Besteht ein nichtallergisches Asthma und ein FeNO ≥ 50 ppb (leitliniengerecht zumindest: OCS-Therapie oder FeNO ≥ 25 ppb oder B-EOS ≥ 150/mcl), hilft das Vorhandensein einer (operativ behandelten) CRSwNP zur Entscheidung zur Ersttherapie mit Anti-IL-4/13-Therapie (Dupilumab). Erfolgsgaranten sind hohe FeNO-Werte trotz operativer Nasenpolypenentfernung, die eine lokale T2-Entzündung markieren, und hohe Bluteosinophilenzahlen (B-EOS ≥ 300/mcl).2,12,13 Weites sind die eosinophile Ösophagitis, CRSwNP und Prurigo nodularis Indikationen für eine Anti-IL-4/13-Therapie.2
Liegt weder die dominante allergische Diathese noch eine herausragende B-EOS- oder FeNO-Erhöhung vor, muss zunächst eine erneute Überlegung durchgeführt werden: Besteht eine T2-Marker-Unterdrückung durch Kortikosteroide oder aber asthmaähnliche Symptome, verursacht durch Differenzialdiagnosen? Bei bestätigtem Asthma ohne dominanten Phänotyp ist eine Anti-TSLP-(Thymus-Stroma-Lymphopoietin-)Therapie die Therapie der Wahl zur Reduktion der Exazerbationen und Verbesserung der Asthmakontrolle. Ein Therapieerfolg ist bei hohen T2-Markern (B-EOS ≥ 300/mcl) wahrscheinlicher.2,14
Alle Therapieversuche mit Biologika sollen über 3–6 Monate laufen, bis es zur Entscheidung nach klinischer und lungenfunktioneller Kontrolle kommt. Klinisch verwendbare Verlaufsmarker und Surrogatwerte für die Asthmakontrolle, Exazerbationsfreiheit und Obstruktionsverbesserung gibt es derzeit nicht, jedoch ist der Therapieerfolg klinisch leicht erfassbar.2,11
Asthma ist eine chronische Typ-2-entzündliche Erkrankung und ist verursacht durch das erworbene und angeborene Immunsystem. Neue Biomarker können die allergische und eosinophile Atemwegsentzündung gut darstellen. Bluteosinophile, allergische Asthmaauslöser und das ausgeatmete Stickstoffmonoxid (FeNO) unterstützen die Asthma-Diagnose und die Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden und Biologika, indem sie die unterschwellige kortikosteroidsensitive Entzündung zeigen, die Adhärenz testen und die Auswahl der Biologika erleichtern. Einzig die Veränderlichkeit der Biomarker muss berücksichtigt werden, insbesondere durch Kortikosteroide, Rauchen, Erkältungen und Typ-2-Komorbiditäten.