Schockraumsperre und fehlendes Change-Management

Die Wogen gehen seit Wochen hoch. DAS „Flaggschiffe der Unfallchir­urgie“, das Lorenz-Böhler-Krankenhaus in Wien muss seit April an den Wochenenden den Schockraum sperren. Schockraumpflichtige Schwerstverletzte müssen somit am Wochenende bei Anfragen der Rettung abgelehnt werden. Die Schockraumschließung ist unter Androhung disziplinarrechtlicher Konsequenzen angeordnet. Mittlerweile hat auch die Wiener Ärztekammer auf Seiten der Belegschaft Stellung bezogen und warnt vor einer gravierenden unfallchirurgischen Unterversorgung.

Die Mitarbeiter sind empört. Die Hintergründe für diese dienstrechtliche Anordnung scheinen unklar, alle möglichen Konzepte und Pläne für das Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus stehen im Raum, vielfach nur als Gerücht, kommuniziert wird mit der Belegschaft offenbar wenig. So gestaltete sich auch die Recherche zu diesem Thema am Anfang schwierig. Mit Ausnahme des Sprechers der Belegschaft durfte­ niemand reden, jedenfalls nicht offiziell. Sogenannte Maulkorberlässe­ kennen wir noch aus den heißen Zeiten rund um die Arbeitszeitdebatte an der MUW und am KAV – wie es ausschaut, geht das also auch bei anderen Trägern …

Tatsächlich war die Geschäftsführung der AUVA dann letztlich doch bereit, Rede und Antwort zu stehen, sogar sehr ausführlich. Hintergrund der Schockraumsperre am Lorenz-Böhler ist offenbar eine große Umgestaltung und Umstrukturierung innerhalb der AUVA-Häuser. Das Konzept sollte am 3. Juli der Öffentlichkeit präsentiert werden: Unter das Dachmarke „Traumazentrum Wien“ soll am Lorenz-Böhler offenbar der Schwerpunkt rekonstruktive Chirurgie forciert werden, wohingegen der Standort Meidling schon länger ein spezielles Schockraumkonzept verfolge.

Offenbar steht also hinter den für Mitarbeiter als auch die breite ­Öffentlichkeit so unverständlichen Entscheidungen ein schon länger geplantes Konzept – das offenbar nicht kommuniziert wurde und über das Eingeweihte auch nicht reden durften.

Grobe Veränderungen gehen sicher immer mit Diskussionen einher. Sie mögen berechtigt sein oder nicht. Bestimmt sind sie oft auch schmerzhaft. Sie aber scheibchenweise durch die Hintertür umzusetzen und die eigentlichen Akteure nicht im Boot zu haben, macht sie nicht weniger schmerzhaft und erhöht auch keine Akzeptanz. Werden Mitarbeiter und Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen, die hinter verschlossenen Türen beschlossen werden, gesetzt und werden Entscheidungen nicht plausibel begründet, sondern nur mit Teilstatistiken scheibchenweise kundgetan, nährt das Zweifel und Misstrauen.

Was immer das neue Konzept nun bedeutet, für den Standort Lorenz-Böhler und für die unfallchirurgische Versorgungssituation Wiens, ohne mit den Hauptakteuren – den eigenen Mitarbeitern – ausreichend zu kommunizieren, wird es kaum gehen.

AutorIn: Susanne Hinger

Chefredakteurin (E-Mail)

Foto: feel image – Fotografie/Felicitas Matern


Klinik 03|2017

Herausgeber: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH
Publikationsdatum: 2017-07-03