Im – nach oft gehörtem Selbstverständnis dieses Landes – wahrscheinlich besten Gesundheitssystem Europas kann zwar jeder Patient, den es zwickt, in der Nacht die Notaufnahme eines Universitätsspitals aufsuchen, auf einen Termin für die Strahlentherapie müssen onkologische Patienten hingegen 2 Monate warten. Das passt aber offenbar genauso wenig ins Image wie die drohende Halbierung der OP-Kapazitäten – denn darüber darf offiziell nicht einmal geredet werden.
Schon gar nicht von jenen, die genau wissen, wie es läuft: Primarärzte am AKH Wien, die es trotzdem tun, wurden vom Rektor aufgefordert, mediale Äußerungen zu unterlassen. Der so genannte Maulkorberlass schwirrte durch alle Medien. Und auch wenn es kein eigentlicher Erlass, sondern „nur“ ein Schreiben des Rektors war, eine Schweigeaufforderung bleibt es allemal.
In der Folge wurde eine – zwar etwas kryptisch, aber immerhin schon öffentlich – angekündigte Pressekonferenz „Klinikvorstände und Abteilungsleiter zeigen Defizite in PatientInnenversorgung, Wissenschaft und Lehre auf und präsentieren Vorschläge für Auswege aus der Krise“ von der veranstaltenden Agentur ohne Angabe von Gründen wieder abgesagt. Und das, was es offenbar trotzdem zu sagen gab, wurde daraufhin in einer schriftlichen Stellungnahme von einem „renommierten Arzt des Hauses“ – wegen des „Maulkorberlasses des Rektors“ – anonym kundgetan.
Klinikvorstände (!), die Verantwortung für eine ganze Abteilung tragen, müssen offenbar tatsächlich mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn sie in Wahrung dieser Verantwortung darauf hinweisen, dass die Versorgungsqualität gefährdet ist. Von verantwortlichen Ärzten, die nicht mehr wissen, wie sie einen Betrieb, den sie verantworten (!) müssen, aufrechterhalten können, wird Schweigen eingefordert.Im demokratischen Österreich, nicht irgendwo, das ist bemerkenswert.
- Und sie halten sich auch weitgehend daran. Das ist auch bemerkenswert.