Dr. Kilian Gust, FEBU
Universitätsklinik für Urologie, Leiter der Uro-Onkologie Ambulanz, Medizinische Universität Wien
Dr. Kilian M. Gust, Dr. Stephan Korn und Dr. Andreas Bruchbacher, Universitätsklinik für Urologie, MUW, über die Highlights beim Urothel-, Prostata- und Nierenzellkarzinom.
Über die letzten Jahre hat sich die Therapielandschaft, insbesondere durch Implementierung der Immun-Checkpoint-Inhibitoren (CPI) beim metastasierten Urothelkarzinom dramatisch verändert. Auch in der nahen Zukunft sind viele Neuerungen und Erweiterungen zu erwarten, wenn man die aktuelle Studienlandschaft betrachtet, sowohl im metastasierten Stadium als auch in früheren Tumorstadien inklusive dem nichtmuskelinvasiven Blasenkarzinom (NMIBC).
Hochrisiko-NMIBC
Beim Hochrisiko-NMIBC ist der Standard weiterhin die intravesikale Instillation von BCG, bestehend aus Induktion und bis zu dreijähriger Erhaltungstherapie.
Die Phase-III-Studie NIMBUS, präsentiert von Grimm et al., unterstreicht erneut die Wichtigkeit der Einhaltung des etablierten Schemas mit sechs wöchentlichen Instillationen, gefolgt von einer Erhaltungstherapie, bestehend aus einer Sequenz von drei Instillationen im wöchentlichen Abstand. In dieser Studie zeigte sich durch die Verringerung der Anzahl der Instillationen die Zeit bis zum ersten Rezidiv signifikant verkürzt. Nach 12 und 24 Monaten zeigten sich Rezidivraten von 11 % vs. 24 % und 15 % vs. 34 % für die Standard- und die reduzierte Instillationsgruppe.1 Die hohe Rezidivrate beim Hochrisiko-NMIBC erfordert neue therapeutische und blasenerhaltende Optionen, da der bisherige Standard bei Versagen einer BCG-Therapie, die radikale Zystektomie, mit einer hohen Morbidität und Einschränkung der Lebensqualität verbunden ist.
Eine neuartige therapeutische Option wurde von Boorjian et al. mit Nadofaragene firadenovec (NF) präsentiert. Hierbei handelt es sich um eine intravesikal applizierte, genvermittelte Therapie zur Expression von IFN-alpha-2b. Bei BCG-unresponsive-Patienten mit High-Grade-NMIBC im Sinne eines CIS zeigte sich bei dreimonatlichen Instillationen ein komplettes Ansprechen bei 53 % (55/103) innerhalb von drei Monaten. Bei Patienten mit papillären Tumoren ergab sich unter der Therapie ein High-Grade-rezidivfreies 1-Jahres-Überleben von 44 % gegenüber 24 % bei CIS-Patienten.²
Neoadjuvantes Setting
Des Weiteren stellt der geltende Standard einer neoadjuvanten, cisplatinbasierten Kombinationstherapie des muskelinvasiven Blasenkarzinoms vor radikaler Zystektomie weiterhin eine Herausforderung dar; nicht nur wegen der relativ geringen Akzeptanzrate, sondern auch wegen der weiterhin überschaubaren Effektivität, gemessen an der Verlängerung des Gesamtüberlebens. Bei einer Vielzahl von aktuell laufenden Studien wurden im Rahmen des diesjährigen ASCO GU gleich drei relevante Studien vorgestellt.
Mit NEO-BLADE, einer randomisierten Phase-II-Studie, konnten Hussain et al. aufzeigen, dass die Kombination einer neoadjuvanten Chemotherapie (NAC) mit Gemcitabin/Cisplatin (GC) und dem Multityrosinkinaseinhibitor Nintedanib zu einer Verlängerung des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens führt, jedoch ohne dass sich die Rate an pathologisch komplettem Ansprechen (pCR) erhöhte, was für die alleinige neoadjuvante Chemotherapie als Surrogatmarker für Gesamtüberleben gilt. Diese Ergebnisse unterstreichen einmal mehr, dass für neuartige Therapien und Kombinationen bisher etablierte Prognosemarker neu definiert werden müssen, was auch für die aktuell laufenden und teilweise schon veröffentlichten neoadjuvanten Studien mit CPI gilt.3
Die neuartige Kombination von GC mit dem CPI Nivolumab wurde in BLASST-1 in der neoadjuvanten Situation untersucht. In dieser kleinen, einarmigen Phase-II-Studie mit 41 Patienten konnten Gupta et al. ein pCR bei 34 % der Patienten aufzeigen. Dies liegt jedoch im selben Bereich wie mit alleiniger NAC. Bei insgesamt guter Verträglichkeit der Kombination müssen ein längeres Nachsorgeintervall und die Ergebnisse der anderen laufenden Chemo-CPI-Kombinationsstudien abgewartet werden, um den Stellenwert endgültig beurteilen zu können.4
Für die klassische cisplatinbasierte NAC fehlte bisher der direkte Vergleich zwischen den Schemata ddMVAC und GC in einer randomisierten Phase-III-Studie. Mit GETUG/AFU V05 VESPER wurde eben dieser nun von Culine et al. präsentiert. Es zeigten sich pCR-Raten von 36 % und 42 % für GC und ddMVAC. Jedoch ist der numerische Unterschied zwischen beiden Kombinationschemotherapien nur bedingt beurteilbar, da im Rahmen dieser Studie vier dreiwöchentliche Zyklen GC mit sechs zweiwöchentlichen Zyklen ddMVAC verglichen wurden.5
Metastasierte Situation
Aber auch für das metastasierte Urothelkarzinom wurden neue Daten präsentiert. Mit neuen Daten der bereits beim ESMO 2019 in Barcelona vorgestellten Studie EV-103 konnten Rosenberg et al. weiterhin sehr vielversprechende Ergebnisse der Kombination von Pembrolizumab (Pembro) mit Enfortumab Vedotin (EV) zeigen. EV ist ein neuartiges Antikörper-Chemo-Konjugat, gerichtet gegen Nectin-4, welches an der Oberfläche der meisten Urothelkarzinomzellen exprimiert ist. Durch die intrazelluläre Freisetzung der Chemotherapie sind die Nebenwirkungsraten im Vergleich zur klassischen, systemischen Chemotherapie deutlich verringert. In Kohorte A (n = 45) dieser Phase-I/II-Studie wird die Kombination von Pembro und EV in der Erstlinientherapie an Cisplatin-ungeeigneten Patienten mit lokal fortgeschrittenem und metastasiertem Urothelkarzinom untersucht. Mit einer objektiven Ansprechrate von 73 % und einer Tumorreduktion bei 93 % der Patienten (Abb. 1) konnte nach nunmehr einem Jahr bei 54 % der Patienten ein fortwährendes Ansprechen beobachtet werden, was einem progressionsfreien 1-Jahres- und Gesamtüberleben von 50 % bzw. 82 % entspricht, bei einem medianen progressionsfreien Überleben von 12,3 Monaten.6
Auch in diesem Jahr konnten beim ASCO GU spannende neue Arbeiten im Bereich Prostatakarzinom vorgestellt werden. Zahlreiche Forschungsgebiete wurden hierbei abgedeckt, von der Detektion und Bildgebung bis hin zur Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms in verschiedenen Settings (kastrationsresistent, hormonsensitiv).
Früherkennung und Bildgebung
In der Frühdetektion wurden überzeugende Ergebnisse aus der Forschungsgruppe Klotz et al. präsentiert: Ziel dieser Studie ist die Verifizierung eines Tests für die Prostatakarzinomerkennung (Erstdiagnose) mittels Harntest und der in weiterer Folge Vermeidung von Prostatabiopsien. Hierfür wurden in einem ersten Schritt „small non-coding RNAs“ aus Harn von 235 Patienten vor Prostatabiopsie gewonnen und die am besten prädiktiven für das Array ausgewählt. In einem zweiten Schritt wurde der so entwickelte Test bei insgesamt 600 Patienten (300 normales Prostataparenchym – 300 Prostatakarzinom) validiert. Der Test zeigte durchgehend gute Ergebnisse: Zum einen wurde hinsichtlich des Vorliegens eines Prostatakarzinoms (kein Karzinom vs. ISUP* Grade Group [GG] 1–5) mit einer Sensitivität (Se) von 94 % und Spezifität (Sp) von 92 %, mit einem positiv prädiktiven Wert (PPV) von 92 % und negativ prädiktivem Wert (NPV) von 94 % validiert.
Zum anderen wurde auf das Vorliegen eines klinisch signifikanten Prostatakarzinoms (kein Karzinom und GG 1 vs. GG 2–5) getestet: Die Ergebnisse: Se 93 %, Sp 90 %, PPV 91 %, NPV 92 %. Limitationen waren die fehlenden Angaben von Prostatavolumen und PSA sowie die Verifizierung, die lediglich mittels Biopsie erfolgte (Missing Rates).7
Zur Bildgebung des lokalisierten High-risk-Prostatakarzinoms vor geplanter radikaler Prostatektomie mit Lymphadenektomie wurden die Ergebnisse der OSPREY-Studie präsentiert. Hier wurde die Metastasen-Detektionsrate des 18F-DCFPyL PSMA PET-CT prospektiv und histologisch verifiziert bei 268 Patienten gezeigt. Im Falle eines initialen Stagings vor lokaler Therapie kam es zu einem Upstaging bei 22 % (verglichen mit konventioneller Bildgebung CT/Szintigrafie). 14 % zeigten einen lokalen Lymphknotenbefall (N1); 10,7 % der Patienten wurden mittels PET fernmetastasiert (alle M-Stadien) gestaged. Nach Operation und dementsprechender histologischer Verifizierung der pelvinen Lymphknotenmetastasen beläuft sich der PPV insgesamt auf 86,7 % bei einer Sensitivität von 30,6 bis 41,9 % und einer Spezifität von 96,3 bis 98,9 %. Eine generelle histologische Verifizierung von Knochenmetastasen erfolgte nicht, die Ergebnisse der zweiten Kohorte (Patienten mit biochemischen Rezidiv oder Knochenmetastasen) wurden (noch) nicht präsentiert. Lediglich ein Patient dieser Kohorte wurde mittels Knochenbiopsie richtig positiv getestet.8
Fortgeschrittenes Prostatakarzinom
Auch im Bereich des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms wurden einige spannende Arbeiten hinsichtlich neuer Biomarker und Therapien präsentiert.
Der Decipher-Test, welcher auf RNA-Expressionsmustern basiert, wurde in der Studie RTOG 9601 validiert. Die Prostatektomie-Präparate der RTOG-9601-Studie (Salvage-Radiatio +/– Bicalutamid bei biochemischem Rezidiv) wurden hinsichtlich ihres Expressionsmusters neu aufgearbeitet. Anhand dieser Präparate der prospektiven Studie konnte bei einem medianen Follow-up von 13 Jahren ein signifikanter Zusammenhang eines hohen Decipher-Scores mit dem Auftreten von Metastasen und kurzem prostatakarzinomspezifischem Überleben gezeigt werden.9
Die 5-Jahres-Analyse der Phase-II-Studie STOMP zeigte den potenziellen Vorteil der metastasengerichteten Therapie (Operation oder Bestrahlung) im Vergleich zur Observanz bei Patienten mit biochemischen Rezidiv nach lokaler Prostatatherapie und bis zu drei neu detektierten Metastasen in einer PET-CT. 62 Patienten hatten keine weitere Prostatakarzinomtherapie bei Studieneinschluss und wurden 1 : 1 randomisiert (Observanz vs. metastasengerichtete Therapie). Die Zeit bis zum Einleiten einer ADT konnte signifikant verlängert werden (HR 0,57, 80%-KI: 0,38–0,84), p = 0,06), die Zeit bis zur Kastrationsresistenz (noch) nicht. Bei einem Gesamt-5-Jahres-Überleben von 85 % waren 6 der 14 aufgetretenen Todesfälle mit dem Prostatakarzinom assoziiert.10
Auf dem Gebiet des metastasierten hormonsensitiven wie auch kastrationsresistenten Prostatakarzinoms lag der Schwerpunkt der heuer vorgestellten Arbeiten auf Lebensqualität und Vorhersagemarkern. So konnte zum Beispiel das Ausmaß des PSA-Ansprechens innerhalb der ersten drei Monate unter neu etablierter Abirateron-Therapie beim metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinom als Maß für deren Effektivität herangezogen werden. In einer Gruppe von 134 Patienten waren Patienten mit einem PSA-Abfall über 98 % innerhalb der ersten drei Monate länger im hormonsensitiven Status im Vergleich zu Patienten mit einem PSA-Abfall unter 98 % innerhalb der ersten drei Monate.11
In einer anderen Arbeit wurden 160 therapienaive Prostatabiopsate der CHAARTED-Studie (Docetaxel + ADT vs. ADT beim hormonsensitiven metastasierten Prostatakarzinom) hinsichtlich ihres Genexpressionsprofils in die Subtypen Luminal A, Luminal B und Basal klassifiziert. Es konnte gezeigt werden, dass hinsichtlich des Gesamtüberlebens der Luminal-B-Subtyp deutlich von der chemohormonalen Therapie (Docetaxel und ADT) im Vergleich zu ADT allein profitierte (Gesamtüberleben Luminal B: ADT 30 Monate, ADT und Docetaxel 52 Monate, p = 0,007). Beim basalen Subtyp konnte kein Vorteil des Gesamtüberlebens durch die Kombinationstherapie im Vergleich zu ADT gezeigt werden (Gesamtüberleben Basal: ADT 47 Monate, ADT und Docetaxel 49 Monate, p = 0,6). Unabhängig vom getesteten Subtyp konnte die Zeit bis zur Kastrationsresistenz durch die zusätzliche Gabe von Docetaxel signifikant verlängert werden.12
Zudem wurde für die initiale Therapie des metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinoms ein klinisch bedeutender Endpunkt vorgestellt.
Die TITAN-Studie (Apalutamid vs. Placebo beim metastasierten, hormonsensitiven Prostatakarzinom) zeigte bereits ein signifikant besseres Gesamt- und progressionsfreies Überleben in der Apalutamid-Gruppe. Nun wurde auch der Endpunkt Progression-free Survival 2 (PFS2) vorgestellt: Dieser Endpunkt beschreibt den Zeitpunkt zwischen Randomisierung und Progression unter der Folgetherapie nach Apalutamid oder Placebo. Insgesamt erhielten 277 Patienten eine Folgetherapie nach Apalutamid oder Placebo, die mediane Therapiedauer der Hormontherapie betrug 11,9 Monate nach Apalutamid und 11,8 Monate nach Placebo, die mediane Therapiedauer der Taxan-Therapie betrug 11,0 Monate nach Apalutamid und 11,3 Monate nach Placebo.
Patienten unter Apalutamid (im Vergleich zu Placebo) in der Erstlinie zeigten eine signifikant längere Gesamttherapiedauer/Erreichen des PFS2 (HR 0,66, 95%-KI 0,50–0,87) auch nach nachfolgender Therapielinie und unabhängig von der Art der Therapie (hormonelle Therapie oder Taxane).13
Im Bereich des kastrationsresistenten metastasierten Prostatakarzinoms wurden zwei Arbeiten vorgestellt, die die Lebensqualität unter laufender Therapie untersuchten:
Die Aufarbeitung des Abirateron- und Docetaxel-Arms der STAMPEDE-Studie (Multitherapiearmstudie für Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom) analysierte Daten von 515 Patienten, die zur selben Zeit in einen der beiden Arme rekrutiert wurden. Es zeigte sich eine signifikant bessere Lebensqualität über die gesamte Beobachtungsdauer von zwei Jahren für Abirateron. Zudem trat der erwartete deutliche Unterschied im ersten Behandlungsjahr ebenso ein. Obwohl der Unterschied in den Scores der Lebensqualität statistisch signifikant war, konnte der klinisch vordefinierte Endpunkt von mindestens vier Punkten Unterschied nicht erreicht werden.14
In einer weiteren Analyse der Studie CARD (Cabazitaxel vs. Abirateron/Enzalutamid nach Docetaxel und gegensätzlichem Abirateron/Enzalutamid) zeigten die Patienten unter Cabazitaxel eine bessere Lebensqualität sowie geringere Schmerzraten. Die auf dem ESMO 2019 präsentierten initialen Daten zeigten bereits einen Überlebens- und progressionsfreien Vorteil von Cabazitaxel im Vergleich zu Abirateron/Enzalutamid nach erfolgter gegensätzlicher Antiandrogentherapie.15
Zuletzt wurde noch eine spannende Kombinationstherapie (Pembrolizumab plus Enzalutamid) beim kastrationsresistenten metastasierten Prostatakarzinom vorgestellt: Patienten erhielten in der Phase-II-Studie KEYNOTE-199 die Kombinationstherapie nach Progress unter Enzalutamid-Therapie. Bei akzeptablem Nebenwirkungsprofil konnte bei einigen Patienten (12 %) ein Ansprechen, bei 51 % eine „disease control“ (Ansprechen, stabile oder Mixed-Response-Erkrankung) gezeigt werden. Die Kombinationstherapie Pembrolizumab + Enzalutamid wird auch aufgrund dieser Ergebnisse aktuell in einer Phase-III-Studie evaluiert.16
Updates von Phase-III-Studien
Auch beim diesjährigen ASCO GU wurde ein ganzer Tag dem Nierenzellkarzinom gewidmet. Weiterhin war eines der Hauptthemen die CPI-Therapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom (mRCC). Zum einen wurden Updates von großen Phase-III-Studien präsentiert, zum anderen beinhalteten viele Studien neue experimentelle Methoden, über die noch kein eindeutiges prospektives Wissen zur Verfügung steht.
Mit großer Spannung wurden die von Tannir et al. präsentierten 42 Monate Follow-up-Daten der Studie CheckMate 214 erwartet. Diese Studie untersuchte die Wirkung der dualen CPI-Therapie mit Nivolumab (PD-1-Inhibitor) und Ipilimumab (CTLA-4 Inhibitor) (Nivo + Ipi) im Vergleich zur Sunitinib-Monotherapie (Sun). Bereits die ersten Studienergebnisse führten zu einem Paradigmenwechsel in der Erstlinien-Behandlung des mRCC bei Patienten mit intermediärem und schlechtem Risikoprofil. Auch nach 42 Monaten bewirkte die Kombination Nivo + Ipi vs. Sunitinib ein besseres Gesamtüberleben mit 53 % vs. 44 % in der Gesamtpopulation; vor allem bei Patienten mit intermediärem/schlechtem Risikoprofil (IP) (50 % vs. 36 %). Auch in Bezug auf das objektive Ansprechen schnitt die Kombination in der Gesamtpopulation (68 % vs. 53 %) und bei IP-Patienten (68 % vs. 52 %) besser ab. Patienten mit günstigem Risikoprofil hatten weiterhin ein besseres objektives Ansprechen auf Sun (54 % vs. 29 %) (Abb. 2). Interessanterweise zeigte sich nun, dass in dieser Kohorte mehr Komplettremissionen mit Nivo + Ipi als mit Sun erreicht wurden (13 % vs. 7 %).17
Diese Daten unterstreichen die Wirkung dualer CPI-Therapie und zeigen, wie wichtig die Implementierung der CPI-Therapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom ist.
Weiters wurde von Motzer et al. ein Datenupdate der Studie CheckMate 025 präsentiert. Die finalen Studiendaten beziehen sich auf einen fünfjährigen Follow-up-Zeitraum der ersten CPI-Studie beim mRCC. CheckMate 025 untersuchte die Wirksamkeit von Nivolumab (Nivo) im metastasierten Nierenzellkarzinom gegenüber dem mTOR-Inhibitor Everolimus (Eve) bei Patienten, die vorab schon mit VEGF-Inhibitoren behandelt wurden. Es zeigte sich, dass Patienten unter Nivo in Bezug auf Gesamtüberleben (25,8 vs. 19,7 Monate) und objektives Ansprechen (23 % vs. 4 %) weiterhin besser abschnitten als unter Eve. Auch nach fünf Jahren Therapie mit einem CPI wurden keine neuen Nebenwirkungen gemeldet. Patienten unter Eve hatten mehr schwerwiegende Nebenwirkungen (Grad 3/4) als mit Nivo behandelte Patienten (37 % vs. 21 %).18
Diese Daten zeigen, dass Nivolumab ein potenter CPI ist und im Sinne der Patientensicherheit keine unerwarteten Nebenwirkungen auch Jahre nach oder in Therapie zu erwarten sind.
Immun- plus Strahlentherapie
Ein weiterer Sitzungsschwerpunkt war die CPI-Therapie in Kombination mit Strahlentherapie. Erste Daten zweier prospektiver Phase-II-Studien wurden präsentiert.
Die von Hammers et al. präsentierte RADVAX-RCC-Studie untersucht den Effekt der Bestrahlung von Tumormetastasen zur Freisetzung weiterer Antigene, um so die Immunantwort unter Nivo+Ipi-Kombinationstherapie bei therapienaiven mRCC-Patienten (n = 25) zu verbessern. Bisher erreichten 14 von 25 Patienten eine partielle Remission (bei gemessener Tumormasse wurde die radiotherapierte Läsion nicht einberechnet). Insgesamt wurde bei sicherem Nebenwirkungsprofil ein objektives Ansprechen von 56 % erreicht.19 Weitere Daten sind zu erwarten, insbesondere zu Biomarkern, die Rückschlüsse auf die Antigenfreisetzung geben.
Masini et al. präsentierten erste Ergebnisse zur NIVES-Studie, die den Effekt von Nivo plus stereotaktischer Bestrahlung (10 Gy in 3 Fraktionen) im bereits vorbehandelten mRCC untersuchte. 69 Patienten wurden von Juli 2017 bis März 2019 in die Studie eingeschlossen und ein objektives Therapieansprechen wurde bei 19 % bzw. eine Krankheitsstabilisierung bei 63,5 % der Patienten erreicht. Weder hatte der Ort der Metastasenbestrahlung einen Einfluss auf das Ansprechen noch konnten schwerwiegende Nebenwirkungen der Strahlentherapie zugeordnet werden.20
Der Stellenwert der Strahlentherapie ist derzeit beim mRCC unterrepräsentiert. Mit Spannung werden weitere Updates erwartet, um mehr Evidenz zu schaffen.
Neue Substanzen
Abseits der CPI-Studien wurden auch Phase-II-Daten zu neuen Substanzen, die insbesondere in den VEGF-Signalweg eingreifen, präsentiert.
Erste Daten zum HIF-2-alpha-Inhibitor MK-6482 präsentierten Choueiri et al. HIF-2-alpha spielt eine entscheidende Rolle im Hypoxie-Signalweg in der Zelle und wird im klarzelligen Nierenzellkarzinom in über 90 % der Fälle überexprimiert. Die Idee der HIF-2-alpha-Inhibition liegt darin, noch gezielter als VEGF-Inhibitoren das Tumorwachstum zu verhindern. 55 Patienten (mindestens eine Vortherapie) wurden in die Studie eingeschlossen. Bei 80 % konnte eine Stabilisierung der Erkrankung bzw. bei 24 % ein objektives Ansprechen erreicht werden. Das Nebenwirkungsprofil war durchaus akzeptabel. Anämie und Hypoxie waren die häufigsten höhergradigen Nebenwirkungen.21
Insgesamt betrachtet ist MK-6482 aktiv in der Behandlung des mRCC und wurde gut von der Patientenpopulation vertragen. Eine Phase-III-Studie ist bereits in Planung.
Des Weiteren wurden erste Daten zur Kombinationstherapie mit Sitravatinib plus Nivolumab bei bereits vorbehandelten mRCC-Patienten von Msaouel et al. präsentiert. Sitravatinib ist ein Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI), der zusätzlich zu VEGFR, c-KIT und c-MET auch die TAM-Rezeptor-Familie (Tyro3, Axl, MerTK) inhibiert. Die Idee hinter der Kombinationstherapie liegt darin, dass Sitravatinib Immunzellen modulieren kann, um somit die Nivolumab-Therapie zu verbessern. Bisher wurden 34 Patienten behandelt und ein medianes progressionsfreies Überleben von 10,5 Monaten wurde erreicht. Ein objektives Ansprechen konnte bei knapp 40 % der Patienten gemessen werden. Vom Nebenwirkungsprofil ähnelt Sitravatinib anderen VEGF-Inhibitoren mit Symptomen wie Müdigkeit, Durchfall, Bluthochdruck und Hand-Fuß-Syndrom.22 Sitravatinib in Kombination mit Nivolumab ist wirksam und in punkto Nebenwirkungsspektrum zu managen. Ob nun diese Therapie besser als andere TKI+CPI-Kombinationen ist, wird in Zukunft evaluiert werden.
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