In der modernen Medizin bilden wir uns tagtäglich zu verschiedensten Themen fort, um unseren Patient:innen ein umfassendes, optimales Therapieschema anbieten zu können. Ein Werkzeug, das wir hierfür stets benötigen, ist Kommunikation. Die besten Botschaften verhallen durch mangelnde Kenntnis in Gesprächsführung, gute Kenntnisse sind heilsam für unsere Patient:innen und uns selbst. Ein paar Highlights und Inhalte, die Sie in der Gesprächsführung mit Patientinnen, welche die Diagnose eines gynäkologischen Tumors erhalten haben, berücksichtigen sollten, werden im folgenden Artikel beleuchtet.
Im klinischen Alltag bleiben oft nur wenige Minuten zwischen den einzelnen Patient:innenkontakten. Dicht gedrängt sind Gespräche im Rahmen der Nachsorge, Zwischenuntersuchungen, Aufklärungen bis hin zu Palliativgesprächen. Es ist beeindruckend, welche unterschiedlichen Gesprächssituationen Sie tagtäglich meistern. Schaffen Sie einen geeigneten Rahmen, bereiten Sie sich inhaltlich und strukturell gut auf das anstehende Gespräch vor, um für Ihre Patientinnen, gleichzeitig auch für sich selbst, gut gerüstet zu sein. Struktur vorgeben, über Inhalt und zeitlichen Rahmen zu informieren ist auch für unsere Patientinnen hilfreich. Gute Vorbereitung und Ihre volle Aufmerksamkeit auf das Gespräch zu richten hat nicht nur den Effekt, dass sich die Patientin wahrgenommen fühlt, sondern verkürzt die Gesprächszeit signifikant. Ein gutes Gespräch muss nicht lange dauern.
Es gibt kaum eine andere Erkrankungsgruppe, die mit so vielen Mythen vergesellschaftet ist wie onkologische Erkrankungen. Unsere Patientinnen bringen bereits zum ersten Gespräch ein enormes Vorwissen mit. Fragen Sie danach! Bei über 1.000 verschiedenen Erkrankungen, die wir unter dem Begriff „Krebs“ zusammenfassen, ergeben sich oft bei ein und derselben Erkrankung – wie beim Mammakarzinom mit mehreren Subtypen und Stadien – gänzlich andere therapeutische Konzepte. Selbst wenn die Information/das Vorwissen faktisch richtig ist, kann es im konkreten Fall doch gänzlich anders sein. Wenn Sie auf dieses Vorwissen gezielt eingehen (was Sie nur können, wenn Sie danach fragen!) und zum Beispiel erklären, warum im Falle Ihrer Patientin eine andere Strategie empfohlen wird, schafft das Vertrauen, und die Patientin hat nicht das Gefühl, dass sie falsch beraten ist, weil die Vorinformation nicht ident mit der von Ihnen gegebenen Information ist. Fragen wir nicht explizit „Was haben Sie bereits zu Ihrer Erkrankung gehört? Was wissen Sie dazu?“, wird – im Falle nicht deckungsgleicher Informationen – ein Teil der Patientinnen unsere Ordination mit Zweifel verlassen und möglicherweise nicht zu uns zurückkehren, eine Zweitmeinung einholen oder – im Worst-Case-Szenario – der Schulmedizin den Rücken kehren.
Wir sind gewohnt, zuerst über Dinge, die uns als Ärzt:innen wichtig erscheinen, zu informieren und dann unserer Patientinnen zu fragen, was Sie wissen wollen. Drehen Sie es um! Es hat viele Vorteile, es kann zum Beispiel das Gespräche verkürzen und die Aufnahmefähigkeit unserer Patientinnen verbessern. Eine mögliche Einleitung wäre: „Ich möchte gerne mit Ihnen heute die möglichen Nebenwirkungen der Therapie besprechen. Was ist Ihr Anliegen heute? Welche Themen beschäftigen Sie? Welche Fragen möchten Sie mir stellen?“ Wenn Sie zunächst auf die Fragen Ihrer Patientin eingehen, sind die für die Patientin wichtigen Fragen beantwortet – und sie kann Ihnen besser folgen. Sie erhöhen somit die Aufmerksamkeitsspanne und fördern die Adhärenz.
Dies bedarf für uns Ärzt:innen möglicherweise der meisten Übung, ist in der Praxis nach professioneller Anleitung/professionellem Coaching gleichzeitig gar nicht so schwer. Emotionen (Sorgen, Ängste, Verzweiflung, Wut, Trauer …) ansprechen, stets als Frage formuliert und diesen Platz lassen, kann schon sehr viel bewirken. Es gibt viele Dinge, die wir nicht lösen können (schlechte Nachrichten sind schlechte Nachrichten); mit unseren Patientinnen gemeinsam die Situation auszuhalten kann für unsere Patientinnen gute Unterstützung bedeuten. Bedenken Sie, dass Emotionen häufig nicht von den Patientinnen verbalisiert werden, nicht immer für uns klar erkennbar werden.
Eine gute Option, ein Gespräch zu beenden, ist das Zusammenfassen aller Informationen, die Sie erhalten und gegeben haben, und schlagen Sie ein gemeinsames Prozedere vor. Vereinbaren Sie weitere Termine, geben Sie Information über Rahmen und Inhalte für das nächste Gespräch.
Selbstbestimmtheit scheint gerade Frauen mit gynäkologischen Tumoren sehr wichtig zu sein, sollte jedenfalls in einer modernen Ärzt:innen-Patientinnen-Beziehung berücksichtigt werden. Grundvoraussetzung ist nebst Charakteristika der Patientin selbst und Beziehung ein Gespräch auf Augenhöhe. Informieren Sie Ihre Patientinnen über unterschiedliche Behandlungskonzepte (achten Sie auf klare Sprache, kurze Sätze ohne Fachausdrücke), Vor- und Nachteile, Ziele der Behandlungsoptionen, und lassen Sie Patientinnenwünsche – wann immer möglich – einfließen. Gleichzeitig: Lassen Sie Patientinnen mit Entscheidungen nicht allein, Ihre Expertise und Ihr Fachwissen ist immer gefragt.
Information aus dem Internet: Wenn wir uns eine neue elektrische Zahnbürste kaufen, werden wir uns vorab informieren, und heutzutage hat man schnell alle Informationen im Internet zur Verfügung. Auch wenn wir Ärzt:innen selbst zu Patient:innen werden, fragt man schon einmal „Dr. Google“. Warum sollten wir davon ausgehen, dass unsere Patientinnen sich nicht mit der Erkrankung auseinandersetzen und Informationen auch aus dem Internet einholen? Natürlich sollten wir darauf hinweisen, mit Informationen aus dem Netz – wie immer – vorsichtig umzugehen. Weisen Sie auf die Nutzen und Risken hin, bieten Sie sich als Diskussionspartner:in an. So können Sie am ehesten davon ausgehen, dass Ihre Patientin ihr Wissen mit Ihnen teilt. Somit können Sie Ihre Patientin bestmöglich beraten.
Besonders gynäkologische Tumoren und deren Therapie beeinflussen das Sexualleben einer Frau und somit die Beziehung eines Paares oftmals erheblich. Es kann zum Beispiel zu Veränderungen des Körperbildes, der Libido und/oder der Lubrikation kommen, das Vertrauen in den eigenen Körper kann beeinträchtigt werden. Es ist die Aufgabe des Arztes/der Ärztin, unsere Patientinnen über diese Nebenwirkungen der Erkrankung und Therapie (Operation, Strahlentherapie, medikamentöse Therapien) wie über jede andere Nebenwirkung auch zu informieren und klar zu signalisieren, dass im Rahmen eines ärztlichen Gespräches Platz für Fragen zur Sexualität ist. Bedenken Sie, dass es sehr häufige Nebenwirkungen sind, viele Patientinnen davon betroffen sind und es doch therapeutische Möglichkeiten gibt.
Ein nicht unbeträchtlicher Anteil unserer Patientinnen nimmt zusätzliche komplementäre Maßnahmen in Anspruch. Hier gilt ebenso: Es ist wichtig, dass unsere Patientinnen Vertrauen zu uns haben, Verständnis bei uns finden und die Sicherheit haben, auch dieses Thema mit uns besprechen zu können. Das wird unter anderem dann gelingen, wenn wir komplementäre Methoden nicht gänzlich und vorab ablehnen, sondern auch hier eine Nutzen-Risiko-Diskussion anstreben. Natürlich ist es wichtig, über die bekannten Interaktionen aufzuklären und potenzielle Risken darzulegen, gleichzeitig über die Wirkung unterstützender Maßnahmen ohne nennenswerte Risken zu informieren.
Zusammenfassend ist ärztliche Gesprächsführung/Kommunikation ein zentrales Werkzeug unseres klinischen Alltags. Rahmenbedingungen, Wissen und Sichtweise der Patientinnen kennenzulernen, inhaltliche Ziele des Gespräches zu definieren, Emotionen anzusprechen und einen gemeinsamen Behandlungspfad festzulegen sind entscheidende Elemente im Aufbau eines Ärzt:innen-Patientinnen-Gespräches. Es ist wichtig, auf das Vorwissen unserer Patientinnen einzugehen und Tabuthemen wie z. B. Sexualität routinemäßig zu besprechen.
Uns die Situation unserer Patientinnen bewusst zu machen, Emotionen anzusprechen und zuzulassen, sie gemeinsam mit unseren Patientinnen auszuhalten, ermöglicht auch uns selbst einen besseren Umgang und zufriedeneren Alltag.