Dr. Sabine Taschner-Mandl, PhD, wurde von der Medizinischen Universität Wien gemeinsam mit einer Kollegin im Jänner 2022 als „Researcher of the Month“ ausgezeichnet. Im Interview berichtet sie über ihren beruflichen Werdegang und ihr letztes Erfolgserlebnis: die erstmalige Beschreibung der Funktion eines Proteins.
Sie haben an der Universität Wien Mikrobiologie und Genetik studiert, wie war der weitere Weg bis zur Leiterin der Forschungsgruppe für Tumorbiologie an der St. Anna Kinderkrebsforschung?
Dr. Sabine Taschner-Mandl, PhD: Ich war damals schon eher an der angewandten bzw. medizinischen Forschung interessiert, die den Patient:innen zugutekommen kann, als an der reinen Grundlagenforschung. Meine Diplomarbeit habe ich bei Intercell absolviert, einem Unternehmen, das Impfstoffe entwickelte. In dieser Zeit wurde mein Interesse für die Immunologie geweckt, und ich habe mein PhD-Studium am Institut für Immunologie der Medizinischen Universität Wien begonnen. Dort lag der Fokus meiner Forschung auf der Entstehung der blutbildenden Zellen und deren Funktionen. Im Rahmen meiner PhD-Arbeit hatte ich auch Kontakt zu Dr. Sabine Strehl, Leiterin der Gruppe Leukämiegenetik an der St. Anna Kinderkrebsforschung. Nach dem Abschluss des PhD-Studiums habe ich eine Anstellung als Postdoc an der St. Anna Kinderkrebsforschung in der Tumorbiologie-Gruppe von Assoz. Prof. Dr. Peter F. Ambros erhalten. Als Professor Ambros emeritiert ist, hat sich die Gelegenheit ergeben, die Forschungsgruppe Tumorbiologie zu leiten.
Würden Sie rückblickend etwas an Ihrem beruflichen Werdegang ändern?
Nein, auch wenn mich ein Medizinstudium immer sehr interessiert hat, ist es auf die unmittelbare Arbeit mit den Patient:innen ausgerichtet. Im Biologiestudium lernt man detaillierter über die Funktionsweise der Zellen, molekularen Signalwege und des Immunsystems.
Durch wen wurden Sie gefördert? Hatten Sie einen Mentor/eine Mentorin?
In jeder Station meiner Karriere hatte ich Mentor:innen: Zur Zeit meiner Diplomarbeit waren das Univ.-Prof. Dr. Alexander von Gabain und Prof. Dr. Max Birnstiel, welche zusammen mit weiteren Kollegen Intercell gegründet haben.
Univ.-Prof. Dr. Herbert Strobl hat mich während meiner Doktorarbeit gefördert. Sehr prägend war auch die Zeit mit Prof. Ambros an der St. Anna Kinderkrebsforschung. Prof. Ambros hat die Kinderkrebsforschung in Wien mitaufgebaut und den Großteil seiner Arbeit dieser gewidmet.
Haben Sie im Laufe Ihrer Karriere auch Rückschläge erlebt?
Natürlich, Rückschläge erlebt jeder Forscher/jede Forscherin. Sei es aufgrund der Technik oder auch aufgrund der Biologie selbst – die Vorgänge in den Zellen sind oft komplexer, als wir es in unseren Hypothesen annehmen. Dann müssen die Hypothesen angepasst und weitergearbeitet werden. Um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, ist es wichtig, hartnäckig zu bleiben und durchzuhalten. Diese kleinen Rückschläge werden aber immer durch Erfolge ausgeglichen.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Etwa 20 % meiner Arbeitszeit sind der Diagnostik gewidmet, wobei der Übergang zur Forschung hier fließend ist. Vor allem bei seltenen Tumoren werde ich oft von Kolleg:innen aus anderen österreichischen oder europäischen Spitälern mit speziellen Fragestellungen kontaktiert. Teilweise wenden wir diagnostische Verfahren an, die im klinischen Alltag noch nicht eingesetzt werden.
Die übrigen 80 % meiner Arbeitszeit verbringe ich mit der Betreuung meines Teams und meiner Arbeit als Mitglied internationaler Arbeitsgruppen. Die Arbeitszeit ist nicht auf 40 Wochenstunden begrenzt, was aber kein Problem ist, da ich sie sehr gerne mache.
Was bereitet Ihnen bei Ihrer Arbeit am meisten Freude?
Die Hoffnung, durch Forschung und Diagnostik den Patient:innen direkt helfen zu können. Ich wurde Ende letzten Jahres in den Vorstand der International Society of Paediatric Oncology Europe Neuroblastoma Group (SIOPEN) gewählt. Die SIOPEN setzt sich unter anderem dafür ein, dass neue Forschungsergebnisse schnell Eingang in den klinischen Alltag finden. So soll etwa die Diagnostik verbessert und verfeinert und nach Möglichkeit weniger invasiv erfolgen. Mit einer Flüssigbiopsie etwa können Tumormarker schonend im Blut nachgewiesen werden.
Sie sind im Monat Jänner gemeinsam mit Mag.a Tamara Weiss, PhD, als „Researcher of the Month“ der Medizinischen Universität Wien ausgezeichnet worden. Anlass war eine Publikation im Top-Journal „Nature Communications“.1 Welches Thema behandelt diese Veröffentlichung?
Einer meiner Forschungsschwerpunkte liegt auf dem Neuroblastom, welches gut- und bösartig verlaufen kann. Wir haben uns in diesem Projekt auf die Schwann-Zellen konzentriert, welche beim gesunden Menschen helfen, geschädigte Nerven zu heilen. Schwann-Zellen wandern in gutartige Neuroblastome ein und können auch dort einen Reparaturphänotyp ausbilden. Die neuronalen Tumorzellen werden zur Reifung angeregt und ihr ungebremstes Wachstum gestoppt. Wir konnten auch herausfinden, dass dieser Effekt durch das epidermale wachstumsfaktorähnliche Protein 8 (EGFL8) gesteuert wird. Die Funktion dieses Proteins war bisher unbekannt, was eine Seltenheit ist.
Danke für das Gespräch!
Referenz: (1) Weiss T, Taschner-Mandl S et al., Nat Commun 2021; 12:1624