Die Österreichische Krebshilfe organisierte ein Online-Gespräch, bei dem ExpertInnen Fragen von Brustkrebspatientinnen direkt beantworteten, anstatt klassische Vorträge zu halten. Die zweitägige Diskussion behandelte aktuelle Themen wie die COVID-19-Impfung bei Brustkrebs, das immer aktuelle Thema Kinderwunsch und konkrete Fragen zur Behandlung.
Am 5. und 6. März 2021 fand der erste Online-Dialog zum Thema Brustkrebs der Österreichischen Krebshilfe statt. Das Motto der Veranstaltung „Gemeinsam Brücken bauen“ verriet bereits das besondere Konzept: Es sollte ein Gespräch auf Augenhöhe sein, bei dem die ExpertInnen keine klassischen Vorträge halten, sondern Fragen beantworten, die von Betroffenen vorab und per Live-Chat gestellt wurden.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Doris Kiefhaber, Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe, und Dr. Tanja Schneider.
Einer der per Livestream zugeschalteten ExpertInnen am ersten Tag war Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann, Leiter des Tumorzentrums Oberösterreich und Vorstandsmitglied der Österreichischen Krebshilfe. Er sprach über das besonders stark nachgefragte Thema COVID-19-Impfung. Die übergeordnete Frage, ob die Impfung auch für Brustkrebspatientinnen empfohlen wird, beantwortete er mit einer klaren Empfehlung, da KrebspatientInnen allgemein ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 haben. Dabei sollten Patientinnen, die gerade unter Akuttherapie stehen, idealerweise ca. eine Woche nach bzw. zwei Wochen vor der nächsten Infusion geimpft werden. Therapiepausen empfiehlt Weltermann nicht, versucht wird jedoch, Patientinnen, die vor einer Erstbehandlung stehen, noch davor zu impfen. Kortisonhaltige Antiemetika werden aufgrund ihrer immunsuppressiven Wirkung derzeit eher
zurückhaltend verabreicht. Auch werden in manchen Situationen Chemotherapien, die normalerweise nach der Operation stattfinden, vorgezogen oder bei weniger aggressiven Brustkrebstypen neoadjuvante endokrine Therapien vor einer Operation durchgeführt.
Im Gegensatz zu einer stark immunsuppressiven Hochdosistherapie und Stammzelltransplantation bei Blutkrebserkrankungen oder Lymphomen geht der Impfschutz bei einer Brustkrebsbehandlung im Normalfall nicht verloren. Die Immunschwäche nach Chemotherapie hält für ca. drei Monate an, danach werden auch die Impfungen gegen Pneumokokken oder Pertussis wieder aufgenommen. Viele Patientinnen äußerten die Sorge, dass ihre Behandlung durch die COVID-19-Impfung beeinträchtigt werden könnte. „Der Erfolg der Therapie kann bei Brustkrebspatientinnen durch die Impfung nicht abgeschwächt werden“, stellte Weltermann dazu klar.
Ähnlich wie bei COVID-19 ist bei Brustkrebs generell die Angst ein großer Faktor im Leben der Betroffenen. Dazu gab Mag. Karin Isak, Klinische Psychologin und psychoonkologische Beraterin der Österreichischen Krebshilfe, am zweiten Tag der Veranstaltung Brustkrebspatientinnen wertvolle Tipps zum Umgang mit der Angst, zu Beratungsmöglichkeiten und Entspannungsübungen. Möchten die Patientinnen noch Kinder bekommen, tauchen viele Fragen bei den betroffenen Paaren auf, die im Vorfeld gut geklärt werden sollten, z. B., ob das Kind durch Chemotherapien Schädigungen erleiden könnte, oder auch die Sorge, dass das Kind einer erkrankten Mutter möglicherweise früh die Mutter verlieren könnte. Daher riet Isak dazu, sich mit dem Thema gut auseinanderzusetzen und es mit medizinischen und psychologischen ExpertInnen sowie dem Partner zu besprechen. Das Thema Kinderwunsch aus medizinischer Sicht stand danach auch im Mittelpunkt der nächsten Diskussionsrunde. Der Präsident der Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG), Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant, stimmte zu, dass ein bestehender Kinderwunsch möglichst bald und noch vor einer etwaigen Therapie mit dem behandelnden Arzt besprochen werden sollte. Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe, erklärte die zwei vorrangigen Ansätze, wie die Fruchtbarkeit bei einer Krebsbehandlung erhalten werden kann. Schon vor Beginn einer Chemotherapie können begleitende Maßnahmen zum Schutz des Eierstocks durchgeführt werden. Durch das Versetzen in eine künstliche Menopause können die Eizellen geschützt werden. Diese Methode ist vor allem sinnvoll, wenn die Chemotherapie zeitnah zu beginnen ist. Außerdem können Spermien sowie Eizellen und auch Eierstockgewebe entnommen werden und für eine spätere In-vitro-Fertilisation tiefgefrorenund wieder eingesetzt werden. Dies gilt ebenfalls für den lobulären Brustkrebs trotz dessen Potenzial, in den Eierstock zu metastasieren.
Sevelda nahm den Patientinnen zudem die häufige Sorge, dass eine Schwangerschaft die Prognose einer Krebserkrankung verschlechtert. „Meist ist die am Beginn stehende Verzögerung der Behandlung von zwei bis sechs Wochen vor allem beim Brustkrebs unproblematisch“, betonte der Präsident der Österreichischen Krebshilfe. Natürlich ist jedoch der zeitliche Kontext wichtig, da eine langjährige hochdosierte Hormontherapie das Brustkrebsrisiko erhöhen kann. Nach einer Chemotherapie sollte ca. zwei bis drei Jahre mit einer Schwangerschaft gewartet werden, um auftretende Rezidive abzuwarten. Bei einer antihormonellen Therapie wird empfohlen, diese für zumindest 18 bis 24 Monate durchzuführen, um bei einer durchschnittlichen Risikosituation danach für 12 bis 18 Monate ein ausreichend sicheres Fenster für eine Schwangerschaft zu öffnen.
Im Programmpunkt „Bisphosphonate gegen Knochenmetastasen“ wurde nach der Bisphosphonatinduzierten Unterkiefernekrose gefragt. Gnant erklärte den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Annahmen, dass die Reduktion der Knochenresorption aufgrund der Bisphosphonate gemeinsam mit den lokal hohen Drücken auf kleinen Flächen, die beim Kauen auf den Zähnen bzw. im Kiefer auftreten, zu Durchblutungsstörungen führen – und damit zu einem Sauerstoffmangel und Absterben des Knochens. Viele Patientinnen, die mit Aromatasehemmern behandelt werden, fragten nach Möglichkeiten, Nebenwirkungen wie Haarausfall zu vermeiden. „Ich glaube, das Nebenwirkungsmanagement ist mittlerweile fast die wichtigste Kunst in der Behandlung von Brustkrebs“, sagte Gnant zu diesem wichtigen Punkt. Während die Beschwerden oft vor allem subjektiv sind und Außenstehenden weniger deutlich auffallen, gibt es zunächst die einfache Option, innerhalb der Substanzklasse das Präparat zu wechseln. Dazu können Lifestyle- Faktoren wie Sport und Ernährung viel zu einer Besserung beitragen. Bei schweren Fällen kann ein Wechsel von einem Aromatasehemmer auf Tamoxifen in Betracht gezogen werden.
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Rupert Bartsch von der Klinischen Abteilung für Onkologie und Leiter der Brustambulanz der Onkologie am Universitätsklinikum AKH Wien diskutierte zum Abschluss der Veranstaltung gemeinsam mit Paul Sevelda die Therapie bei metastasiertem Brustkrebs. Sie unterstrichen beide die Wichtigkeit, den BRCA-Mutationsstatus bei jeder Betroffenen mit metastasierter Brustkrebserkrankung zu kennen, da es dazu mit den PARP-Inhibitoren zielgerichtete Therapien gibt. Einigkeit herrschte unter den Brustkrebsspezialisten und den Vertreterinnen der Patientinnen, wie Mag. Claudia Altmann-Pospischek, gleichermaßen, dass besonders in der metastasierten Situation die Lebensqualität nicht aus den Augen verloren werden darf. So muss der Effekt einer Behandlung sehr streng gegen die zu erwartenden Nebenwirkungen abgewogen werden. Einig waren sich die Moderatorinnen und alle Beteiligten zuletzt auch, dass der Dialog auf Augenhöhe gelungen war. Zusätzlich nutzten an beiden Tagen je ca. 200 Teilnehmer die Möglichkeit, per Livestream zuzusehen. Eine Wiederholung dieses neuen Formats scheint damit aussichtsreich.
Alle Videos zum Nachsehen finden Sie auf der Website der Österreichischen Krebshilfe:
Nachsorge, Tumormarker/Bildgebung (OÄ Dr. Ursula Denison, Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda)
Operation & Strahlentherapie (OÄ Dr. Ursula Denison, Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda)
Ernährung: Fakten versus Fake News (Julia Lobenwein, BSc)
COVID-19-Impfung (Univ.-Doz. Ansgar Weltermann)
Umgang mit der Angst (Mag. Karin Isak)
Kinderwunsch (Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant)
Bisphosphonate (Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant)
Therapie bei frühem Brustkrebs (Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant)
Therapie bei metastasiertem Brustkrebs & Ausblick auf neue Therapien (Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Univ.-Prof. Dr. Rupert Bartsch)
https://www.krebshilfe.net/services/webinare-videos/brustkrebs-online-dialog-2021
Vertreterinnen der Patientinnen:
Mag. Claudia Altmann-Pospischek (geschlossene Facebook-Gruppe „Metastasierter Brustkrebs Österreich“)
Michaela Lukow (geschlossene Facebook-Gruppe „Brustkrebs“)
Andrea Pape (geschlossene Facebook-Gruppe „Brustkrebs Österreich“)
Dr. Tanja Schneider (Ärztin & Breast Cancer Advisor Administratorin der geschlossenen FB-Gruppe „Brustkrebs“)
Quelle: Österreichische Krebshilfe, Brustkrebs Online Dialog 2021: Patient*innen
fragen – Expert*innen antworten. 5. und 6. März 2021