Nach KDOQI-Kriterien leiden in Europa je nach Studie zwischen 9,2 und 12,5 % der erwachsenen Bevölkerung an einer chronischen Nierenerkrankung. Die Prävalenz von Patienten in den Stadien CKD III und IV ist in Norwegen und Holland vergleichbar mit jener in den USA (4.360/100.000 bis 5.300/100.000), die Inzidenz der terminalen Niereninsuffizienz ist in den USA interessanterweise fast dreimal so hoch. Wir alle wissen aber auch, dass trotzdem innerhalb von 10 Jahren nur sehr wenige Patienten, die sich in den CKD-Stadien I–III befinden, dialysepflichtig oder transplantiert werden (0,5–1/1.000 Patientenjahre) und erst bei Patienten im Stadium IV das renale Risiko gleich hoch ist wie jenes, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln (ca. 60/1.000 Patientenjahre). Diese Tatsache stellt Screeningprogramme vor große Probleme, da zwar bei sehr vielen Patienten die Diagnose einer Nierenerkrankung gestellt wird, aber nur bei wenigen als Konsequenz die terminale Niereninsuffizienz droht. Ein weiteres Problem ist derzeit die Tatsache, dass jene Parameter, die für die Diagnosestellung der CKD herangezogen werden, nur eine geringe Sensitivität für die Vorhersage der terminalen Niereninsuffizienz in einer Population haben. Eine Albuminurie über 200 mg/Tag erfasst nur 31 % aller Hypertoniker und Diabetiker, die 10 Jahre später an der Dialyse sind; wenn eine Kombination von Proteinurie und eGFR (mindestens Mikroalbuminurie und eGFR unter 60 ml/min/1,73m2) herangezogen wird, liegt die Sensitivität für eine terminale Niereninsuffizienz innerhalb der nächsten 10 Jahre innerhalb einer Population bei 66 %. Wir brauchen also neue Biomarker, die idealerweise besser als Proteinurie und eGFR die renale Prognose von Patienten in den Stadien I–III der chronischen Nierenerkrankung (oder auch schon vorher) abschätzen lassen. Natürlich kann man argumentieren, dass für den Großteil der renalen Hochrisikopopulation keine spezifische Therapie zur Verfügung steht. Allerdings werden neue, vielversprechende Substanzen auf diesem Gebiet derzeit der klinischen Testung unterzogen. Es ist aber anzunehmen, dass diese Medikamente Nebenwirkungen haben werden bzw. dass ihr Preis relativ hoch sein wird, sodass eine Stratifizierung der Patienten sinnvoll sein wird.
SYSKID, ein multinationales Projekt, welches im Rahmen des 7. Rahmenprogrammes der EU gefördert wird, hat sich die Suche nach derartigen Biomarkern zur Aufgabe gemacht. Um diese Aufgabe sinnvoll zu bewältigen, wurde in einer Kooperation mit der Universität Groningen, Niederlande, die bereits vorhandene Literatur systematisch hinsichtlich bereits bekannter Marker durchsucht, und deren Validität wurde anhand etablierter Qualitätsparameter analysiert. Die Ergebnisse dieses systemischen Reviews wurden 2011 in Diabetic Medicine publiziert.