Etwa 20–50 % aller Frauen leiden unter rezidivierenden Harnwegsinfektionen (rHWI). Definitionsgemäß spricht man von einem rHWI, wenn ≥ 3 Harnwegsinfektionen pro Jahr oder ≥ 2 HWI im Halbjahr auftreten. Es sind überwiegend junge Frauen betroffen (Altersgipfel im 24. Lebensjahr). Ein zweiter Peak findet sich im 65. Lebensjahr. 27 % der rHWI treten innerhalb von 6 Monaten, 44 % innerhalb von 12 Monaten auf. Die Inzidenz liegt bei den betroffenen Frauen bei 0,3–7,6 (mittel 2,6) Infektionen/Jahr.
Neben der genetischen Prädisposition (Blutgruppe, Sekretorstatus, Dichte der Adhäsionsrezeptoren) spielt das Sexualverhalten (Anzahl der Sexualpartner, Cunnilingus, Analverkehr) und die gewählten kontrazeptiven Maßnahmen (spermizide Substanzen) eine wesentliche Rolle. Vorausgehende Harnwegsinfektionen, Postmenopause und antimikrobielle Therapien sind weitere wichtige Risikofaktoren.
Ein ausführliches Anamnesegespräch ist für einen Therapieerfolg essenziell, um bei diesen Patientinnen mit meist großem Leidensdruck und langem Leidensweg die Symptome und etwaige prädisponierende Faktoren zu evaluieren.
Bei jeder rHWI-Episode sollte eine Harnkultur mit Antibiogramm veranlasst werden. Das Keimspektrum bei rHWI sind Escherichia-coli-Stämme (75–90 % der Patientinnen) sowie Staphylococcus saprophyticus bei Verwendung spermizider Kondome.
Zum Ausschluss einer Vaginitis sowie zur Bestimmung der vaginalen Flora (Laktobazillen?) sollte nach der ersten erfolglosen rHWI-Therapie einmalig ein Vaginalabstrich erfolgen. Die Voraussetzung hierfür ist die Gewinnung einer geeigneten Probe für eine bakteriologische Auswertung inklusive STD-Diagnostik (Chlamydien, Mykoplasmen, Ureaplasmen, Neisserien, Trichomonaden, Trichomonas vaginalis, Candida sp., Herpes simplex).
Anatomische Anomalien bzw. Pathologien sollten mittels Ultraschall des Harntraktes einmalig beim ersten Rezidiv ausgeschlossen werden, wenn es keine schlüssige Erklärung (z. B. rHWI immer bei St. p. Geschlechtsverkehr) gibt. Eine gynäkologische und urologische Begutachtung ist spätestens ab dem zweiten Rezidiv indiziert.
Vor Beginn jeder Prophylaxemaßnahme steht die Antibiotikatherapie, um den akuten HWI (akute Zystitis) zu behandeln (siehe entsprechender Artikel in dieser Ausgabe). Bei rHWI ist eine antimikrobielle Therapie auf Basis des Antibiogramms (so vorhanden) erforderlich. Single-Shot-Therapien sind bei rHWI-Episoden nicht indiziert. Jene Antibiotika, die aufgrund ihrer Halbwertszeit nur einmal pro Tag verabreicht werden (Chinolone, Trimethoprim und Cefixim), sollen spätestens ab dem zweiten Therapietag nach dem letzten Ausurinieren vor der Nachtruhe eingenommen werden. Hintergrund ist die deutlich höhere Antibiotikakonzentration im Blasenharn, die während der Nacht erreicht wird.
Die Ergebnisse von rHWI-Studien zum Nutzen der antibiotischen Prophylaxe sind aufgrund der unterschiedlichen Definition des rHWI oft sehr heterogen.
Gemäß EAU-Leitlinien werden zur Prophylaxe Nitrofurantoin, Trimethoprim sowie bei speziellen Indikationen Fluorchinolone und Cephalexin bzw. Cefaclor empfohlen. Die Kombination von Trimethoprim mit einem Sulfonamid bietet bei Harnwegsinfektionen keinen Vorteil, geht jedoch mit einer höheren Nebenwirkungsrate einher. Die Dosierungsempfehlungen sind in der Tabelle zusammengefasst.
Die Effektivität der Einmaldosis als Postkoitalprophylaxe bzw. situationsabhängige Prophylaxe wird in der Literatur am Beispiel von Cotrimoxazol mit 0,3–1,3 (Verum) vs. 3,6 (Placebo) rHWI pro Patientin/Jahr angegeben. Vorteile sind der geringere Antibiotikaeinsatz, die höhere Akzeptanz und die niedrigere Nebenwirkungsrate.
Der Erfolg einer 3-Tages-Therapie im Rahmen einer intermittierende Selbstmedikation wird in den Studien mit 2,2 (Selbstmedikation) vs. 0,2 (Langzeitprophylaxe) rHWI pro Patientin/Jahr angegeben. Als Voraussetzung werden eine entsprechende Compliance der Patientin und die Möglichkeit, den behandelnden Arzt bei Bedarf in den nächsten 48 Stunden erreichen zu können, genannt.
Die antimikrobielle Langzeitprophylaxe hat mit 0–0,9 vs 0,8–3,6 (Placebo) rHWI pro Patientin/Jahr in den verschiedenen Studien die größte Erfolgsrate. Bei den Patientinnen kann eine 95%ige rHWI-Reduktion während der Prophylaxezeit erzielt werden. Allerdings treten bei der Hälfte der Patientinnen nach Absetzen neuerlich rHWI auf. Das jeweilige Antibiotikum soll vor der Nachtruhe nach dem letzten Ausurinieren als „Betthupferl“ eingenommen werden. Die Dauer der Langzeitprophylaxe wird nach einer sechsmonatigen Testphase festgelegt, wobei es keine verbindlichen Empfehlungen für die Langzeitphase gibt. In der Praxis hat sich eine Prophylaxedauer von zumindest 3–6 Monaten mit anschließendem Auslassversuch etabliert. Bei Auftreten eines neuerlichen HWI muss erneut eine entsprechende Therapie verordnet werden, an die sich dann die Sekundärprophylaxe über einen längeren Zeitraum anschließt. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind allergische Komplikationen, gastrointestinale Beschwerden sowie bei bis zu 19 % der Patientinnen vaginale Candidiasis bzw. Soor. Generell wird eine 5%ige Abbruchquote aufgrund von Nebenwirkungen angegeben. Die Compliance beträgt während der Prophylaxezeit von sechs Monaten etwa 58 %–74 %.
Den Patientinnen sollte empfohlen werden, während der rHWI-Therapie auf Analverkehr, Masturbation sowie Cunnilingus zu verzichten, bei hartnäckigen rHWI-Episoden ist eine temporäre sexuelle Abstinenz anzudenken; bei Nonnen sind Harnwegsinfektionen signifikant seltener.
Spermizide und mit Spermiziden beschichtete Kontrazeptiva (Intravaginalovula, Diaphragma, Kondome) sowie Intrauterinpessare können das rHWI-Risiko nachweislich erhöhen. Studien weisen darauf hin, dass Nonoxynol-9 im Vergleich zu anderen Spermiziden mit einem erhöhten rHWI-Risiko einhergeht, da es Laktobazillen schon in niedriger Konzentration abtötet. Beschichtete Intrauterinspiralen können ebenfalls das rHWI-Risiko bis um den Faktor 14 erhöhen.
Bei postmenopausalen Patientinnen konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden, dass die intravaginale Östrogengabe einen signifikanten Anstieg von Laktobazillen bewirkt bei gleichzeitigem Abfall des pH-Wertes und Abnahme der Kolonisation mit Enterobakterien. Die Effektivität wird mit 0,5 Infektionen pro Patientin und Jahr vs. 5,9 in der Placebogruppe angegeben. Bei lokaler Applikation von 1-mal täglich Estriol 0,5 mg ist nicht mit gynäkologischen Nebenwirkungen zu rechnen. Eine orale Östrogengabe in dieser Indikation ist kontraindiziert. Bei Vorliegen östrogenabhängiger Tumoren ist die vaginale Östrogensubstitution nicht indiziert.
Die Wirksamkeit einer unspezifischen Immunstimulation mit Indigowurzel, Lebensbaum und Sonnenhut ist nicht belegt.
Gezeigt wurde die Wirksamkeit der oralen Immunstimulation durch E.-coli-Lysate mit 18 verschiedenen uropathogenen Stämmen (Uro-Vaxom®). Der postulierte Wirkmechanismus ist eine Upregulation der E.-coli-spezifischen sekretorischen IgA. Klinische Daten zeigen eine Verminderung der Rezidivrate um 20 %–80 % nach 6 Monaten, in einer Studie um 34 % nach 12 Monaten. Eine prospektiv randomisierte Studie (Uro-Vaxom® vs. Nitrofurantoin) bei Mädchen mit rHWI ergab vergleichbare Ergebnisse in beiden Gruppen.
Nach einer Grundimmunisierung mit der Einnahme einer Kapsel morgens auf nüchternen Magen über 90 Tage folgt anschließend eine dreimonatige Behandlungspause. Zur Boosterung kommt nach der 90-tägigen Behandlungspause eine Intervalltherapie mit 10 Tagen Therapie und 20 Tagen Therapiepause alternierend über die folgenden 3 Monate. Aufgrund des in experimentellen Studien gefundenen Absinkens der sekretorischen IgA kann nach jeweils 6 Monaten Behandlungspause eine neuerliche Intervalltherapie alle 6 Monate zur Boosterung überlegt werden. Bei Auftreten einer Durchbruchsinfektion sollte die Prophylaxetherapie nicht unterbrochen werden.
Ein saurer Urin (pH 5) vermindert die Bakterienadhärenz am Urothel bzw. am Harnkatheter. Nitrofurantoin hat im leicht sauren Milieu eine bessere antimikrobielle Aktivität. Fruchtsäfte sind ungeeignet, den Harn anzusäuern, da sie im Gegenteil zu einer Alkalisierung des Harns führen.
Vor den Mahlzeiten kann der Harn mit 3-mal täglich 0,5–1,0 g L-Methionin angesäuert werden. Kontraindikationen sind Hyperurikämie, metabolische Azidose, Leberinsuffizienz, Harnsäure- oder Zystinsteine sowie eine Homozysteinurie.
Eine Ansäuerung mit Vitamin C in einer Dosierung von 2–3-mal täglich 0,5 g, jedoch nicht als Brausetablette, wird aufgrund der schlechteren Verträglichkeit wenig eingesetzt.
Zu den alten „Hausrezepten“ zählt auch die Ansäuerung des Harnes mit einem Esslöffel Essig am Abend. Wissenschaftlich wurde eine Wirkung von Essig bei rHWI nicht bewiesen.
Die großfruchtige Moosbeere aus der Gattung der Heidelbeeren hat eine antiadhärente Wirkung durch Fruktose und Proanthozyanide, sie hat keinen direkten antibakteriellen Effekt und bewirkt keine Senkung des Urin-pH-Werts. In einem Ex-vivo-Modell konnte gezeigt werden, dass die effektivste Dosis bei 72 mg Proanthozyanidin pro Tag liegt. Der hohe Gehalt an Oxalsäure könnte jedoch das Steinbildungsrisiko erhöhen. Bis heute gibt es aufgrund widersprüchlicher Studienergebnisse keine klare Therapieempfehlung für den Einsatz von Cranberrypräparaten in der rHWI-Prophylaxe. Aufgrund des typischen Geschmacks oder auch der übermäßigen Kalorienzufuhr sind erhöhte Abbruchraten beschrieben.
Laktobazillen produzieren Milchsäure, die eine Erniedrigung des Vaginal-pH-Werts bewirkt, und verhindern die Adhärenz von Enterobakterien am Blasenepithel. Durch Östrogen wird die Kolonisation mit Laktobazillen gefördert. Die probiotische Wirkung von Laktobazillen ist spezifisch für die jeweilige Spezies und die probiotischen Wirkungen der unterschiedlichen Stämme können sich durchaus unterschieden. Die Kombination von Lactobacillus rhamnosus GR-1 und Lactobacillus reuteri RC-14, welche 1–2‑mal täglich in Kapselform verabreicht wird, soll die Rezidivrate in einem Beobachtungszeitraum von 12 Monaten um bis zu 73 % senken.
Intravesikale Prophylaxe: Die Instillation des apathogenen E.-coli-Stammes A3972 bei querschnittgelähmten Patienten konnte die rHWI-Rate reduzieren.
Auch eine Instillation von Hyaluronsäure (40 mg Hyaluronsäure/pro Woche über vier Wochen, anschließend einmal monatlich über vier Monate) wurde in wenigen Studien als Therapieoption bei unkomplizierten rHWI untersucht.
Eine ausreichende, normale Trinkmenge (etwa 2 Liter/Tag) ist anzustreben, da die vermehrte Flüssigkeitszufuhr die Keimzahl reduziert. Es wird empfohlen, die antibiotische Prophylaxe abends einzunehmen, um einen möglichen – wissenschaftlich nicht nachgewiesenen – Verdünnungseffekt zu vermeiden.
Der Nutzen eines Ausurinierens unmittelbar nach dem Geschlechtsverkehr ist wissenschaftlich nicht erwiesen, aber dennoch empfehlenswert. Anamnestisch muss ein physiologisches Miktionsverhalten erfragt werden. Bei Verdacht auf ein pathologisches Miktionsverhalten muss eine urologische Begutachtung (Flow-EMG, Ultraschall/Restharn, Miktionsprotokoll) angestrebt werden.
Übertriebene genauso wie mangelnde Intimhygiene ist kontraproduktiv. Vaginalduschen oder Vaginalspülungen sind zu unterlassen, da durch diese Eingriffe lediglich die Vaginalschleimhaut und ihre Flora beschädigt werden und das Risiko von rezidivierenden HWI eher steigt.