ÖGSF: 15. Jahrestagung der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft 2012

Juvenile Stroke

Das wissenschaftliche Programm wurde mit der „Hans-Chiari-Gedenkvorlesung“ mit dem Thema „Juvenile Stroke“ eröffnet. Prof. Bo Norrving, Präsident der World Stroke Organization (WSO), umriss die diagnostischen Algorithmen und therapeutischen Möglichkeiten beim juvenilen Schlaganfall und präsentierte die ersten Ergebnisse der SIFAP-Studie. Hierbei handelt es sich um die weltweit größte Studie zum juvenilen Schlaganfall mit über 5.000 eingeschlossenen PatientInnen aus 35 europäischen Forschungszentren, in der genetische Analysen, insbesondere zum Morbus Fabry, MR-Bildgebung und eine detaillierte Abklärung der Ätiopathogenese Inhalt des Studienprotokolls waren. Zahlreiche Auswertungen dieser Studie wurden von Prof. Norrving, dem Vorsitzenden des Steering-Komitees dieser Studie, in seinem Vortrag den Zuhörern näher gebracht. In seinem Referat wies Prof. Norrving besonders auch auf den wichtigen Beitrag der Grazer Neurologie hin, die mit Prof. Fazekas und Prof. Enzinger das Zentrum für die MR-Auswertungen der SIFAP-Studie war. Prof. Norrving wurde für seine wissenschaftliche Tätigkeit in der Schlaganfall-Forschung die Ehrenmitgliedschaft der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft verliehen.

State of the Art – Vorhofflimmern

Die Bedeutung des Vorhofflimmerns als Risikofaktor des Schlaganfalls ist hinlänglich bekannt. Auswertungen des österreichischen Schlaganfall-Registers zeigen, dass in der Altersgruppe von 76–85 Jahren bei 38,5 % der PatientInnen Vorhofflimmern als Ursache zugrunde liegt, in der Altersgruppe über 85 Jahre sind es 47,9 %. Die neuen oralen Antikoagulantien, die seit kurzem zur Verfügung stehen, können mit Fug und Recht als entscheidender Fortschritt in der Schlaganfallprävention bezeichnet werden und stellen eine Alternative zu den Vitamin-K-Antagonisten dar. Dies war der Grundtenor der Referate, gehalten von Prof. Krieger aus Kopenhagen sowie von Prof. Lang und Prof. Kyrle aus Wien.
Die Ergebnisse der 3 großen Studien zeigten durchwegs eine Nichtunterlegenheit bzw. teilweise eine Überlegenheit der neuen Substanzen gegenüber den Cumarinen. Der Thrombininhibitor Dabigatran (Pradaxa®) wie auch der Faktor-Xa-Antagonist Rivaroxaban (Xarelto®) wurde in Europa bzw. in Österreich zur Prävention des Schlaganfalls und systemischer Embolien beim nichtvalvulären Vorhofflimmern bereits zugelassen. Auch die dritte Substanz, ein Faktor-Xa-Antagonist (Apixaban) war bei der Vorbeugung von Schlaganfall und peripherer Embolie bei Vorhofflimmern wirksamer als die Vitamin-K-Antagonisten. Eine Zulassung in den USA und in Europa wurde beantragt.
Die Handhabung der neuen Antikoagulantien aus Sicht des Gerinnungsspezialisten wurde von Prof. Kyrle von der klinischen Abteilung für Hämatologie & Hämostaseologie am AKH Wien ausführlich dargestellt. Von den Referenten wurde darauf hingewiesen, dass die Indikation zur Antikoagulation auch bei Schlaganfall-PatientInnen mit paroxysmalem Vorhofflimmern gegeben ist.
Die Detektion eines paroxysmalen VHF nach einem stattgehabten ischämischen Ereignis ist deshalb von entscheidender Bedeutung für die Wahl der geeigneten Sekundärprävention. Prof. Krieger präsentierte hierzu erste Ergebnisse zu einer multizentrischen Studie mit implantierbaren EKG-Rekordern. Die Ergebnisse aus der Crystal-AF-Studie, der ersten randomisierten Studie zur Detektion des Vorhofflimmerns bei kryptogenem Schlaganfall mittels implantiertem Loop-Recorder, werden erst 2013 vorliegen.

State of the Art – Akuttherapie

Das Thema Akuttherapie stellte ebenfalls einen Höhepunkt der Tagung dar. Prof. Aichner, Wagner-Jauregg-Krankenhaus Linz, gab in seinem Referat einen Überblick über Entwicklung und Perspektiven der Schlaganfallversorgung in Österreich. Er unterstrich die Bedeutung der flächendeckenden Akutversorgung durch die Stroke Units in Österreich. Besonders positiv erwähnt wurden die Aktivitäten der österreichischen Schlaganfall-Zentren bei der Durchführung klinischer Studien und die Forschungsaktivitäten durch nationale und internationale Kooperationen.
Prof. James Grotta, Houston, Texas, Pionier in der Entwicklung neuer Akuttherapien des Schlaganfalls, referierte zum jetzigen Stand der systemischen Thrombolyse und gab einen Überblick zu laufenden Studien über neue Thrombolytika, mechanische Rekanalisation und Neuroprotektion.

State of the Art – Risikoprädiktion und Sekundärprävention

Prof. Manuel Mayr, King’s College London, präsentierte in seinem Referat die methodischen Möglichkeiten und Entwicklungen im Biomarker-Sektor und die neuen Möglichkeiten der Proteomik und Systembiologie. Zusätzlich wurde auf den derzeitigen Stand der microRNA-Forschung, insbesondere in Bezug auf Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen, eingegangen. Doz. Alber von der Kardiologie in Innsbruck gab in seinem Referat einen umfassenden Überblick zu den neuen Plättchenfunktionshemmern, präsentierte die Ergebnisse der TRITONTIMI-38- und Plato-Studie und stellte die Indikationsgebiete von Prasugrel (Efient®) und Ticagrelor (BriliqueTM) aus kardiologischer Sicht dar.

Pflegesymposium

Zum zweiten Mal wurde bei der Schlaganfall-Tagung auch ein Pflegesymposium abgehalten, welches vom Pflegeteam der Stroke Unit Innsbruck organisiert wurde. Vor über 300 TeilnehmerInnen aus allen Bundesländern wurden verschiedenste Themen im Bereich Schlaganfallversorgung vor – gestellt. Inhalte waren unter anderem die Prozesse der Notrufbearbeitung in der Rettungsleitstelle Tirol, das Schlaganfall-Akutmanagement in der Notaufnahme, Ablauforganisation bei stationären PatientInnen, das Aufnahme-Assessment als wirkungsvolles Instrument in der Pflege, Konzepte der Frühmobilisation und Früherkennung, Maßnahmen zur Erfassung von Schlaganfallkomplikationen, Ernährungstherapie und Dysphagie-Abklärung sowie rechtliche Aspekte bei freiheitsentziehenden Maßnahmen. Die TeilnehmerInnen waren von den Referaten begeistert und unterstrichen durch die große Beteiligung eindrucksvoll die Wichtigkeit des Pflegepersonals auf den Schlaganfall-Stationen.