Pharmakotherapie: In seinem Übersichtsvortrag über die Geschichte der Antikonvulsiva ging Prof. Dr. B. Steinhoff, Ärztlicher Direktor der Epilepsiezentrums Kehl-Kork, Deutschland, darauf ein, dass die zahlreichen neu zugelassenen Antikonvulsiva seit den 1990er-Jahren vor allem in puncto Verträglichkeit, aber auch Anfallskontrolle einen Fortschritt in der medikamentösen Behandlung schwer behandelbarer Epilepsien brachten. Für die Entwicklung weiterer Substanzen müssten jedoch neue Wege gegangen werden. Möglichkeiten seien die Verbesserung bekannter Wirkstoffe oder die Anwendung eines komplett neuen Wirkmechanismus. Hoffnungsträger am Horizont könnten die Entwicklung von Brivaracetam als Abkömmling von Levetiracetam oder Perampanel als erster nichtkompetitiver AMPA-Rezeptor-Antagonist sein.
Diagnostik: Prof. Dr. H. Stefan, Neurologische Universitätsklinik Erlangen, Deutschland, wies anhand einiger Fallbeispiele auf die Bedeutung der fundierten Differenzialdiagnostik sowie auf die Möglichkeit autonomer Funktionsstörungen im Anfall mit lebensbedrohlichen Konsequenzen hin. Ebenso behandelte er epileptische Anfälle als Folge einer limbischen Enzephalitis: Bei entsprechendem Verdacht sollte die Bestimmung der antineuronalen Antikörper gegen antineuronale Oberflächenmoleküle sowie gegen intrazelluläre antineuronale Antigene bedacht werden.
Status epilepticus: Prim. Univ.-Prof. Dr. E. Trinka, Neurologische Universitätsklinik Salzburg, ging auf neue Erkenntnisse in der Behandlung des Status epilepticus ein: Neue Studien im Tierversuch weisen darauf hin, dass eine frühe Kombinationstherapie von Diazepam und Levetiracetam bei der Behandlung des Status epilepticus hocheffektiv ist. Ebenso erfolgversprechend im Tierversuch ist die Kombination aus Diazepam, Ketamin und Brivaracetam. Gründe hierfür sind möglicherweise eine Abnahme der Wirksamkeit von GABA-ergen Substanzen mit zunehmender Dauer des Status epilepticus und eine bessere Wirksamkeit antiglutamaterger Substanzen in der Spätphase. Der klinische Einsatz von Lacosamid in der Behandlung des Status epilepticus hat bisher in mehreren Fallserien von bis zu 48 PatientInnen erfolgversprechende Ergebnisse gezeitigt.
Epilepsiechirurgie: Prim. Univ.-Prof. DI Dr. Ch. Baumgartner, Vorstand der 2. Neurologischen Abteilung des Krankenhauses Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel, berichtete über die Fortschritte der Epilepsiechirurgie durch verbesserte chirurgische Verfahren und diagnostische Möglichkeiten. Bedeutend für ein gutes Behandlungsergebnis durch einen epilepsiechirurgischen Eingriff ist die frühzeitige Planung einer operativen Maßnahme, die nach Versagen von zwei korrekt eingesetzten Antikonvulsiva in ausreichender Dosis nach zwei Jahren erfolgen sollte. Derzeit liegt die durchschnittliche Latenz jedoch bei 20 Jahren Krankheitsdauer bis zur Operation!
Die Anzahl der potenziellen OperationskandidatInnen beträgt in Österreich 150–200/Jahr. Durch die Verbesserung der bildgebenden Diagnostik (MRT) in den letzten Jahren gelingt es immer häufiger, bei pharmakoresistenten fokalen Epilepsien pathologische MRT-Befunde zu erheben. Wichtig ist jedoch, die Richtlinien der Österreichischen Gesellschaft für Epileptologie für die Fragestellung zu beachten, da mit einem Standard- MRT-Protokoll relevante Pathologien (insbesondere fokale kortikale Dysplasien, Hippokampusatrophien, gutartige Tumoren oder Kavernome) übersehen werden!
Für die exakte Operationsplanung ist bei so genannten MR-negativen Epilepsien (insbesondere bei extratemporalen Epilepsien) eine invasive Video-EEG-Ableitung mit subduralen Elektroden oder stereotaktisch implantierten Tiefenelektroden erforderlich.
Epilepsie im Alter: Priv.-Doz. Dr. C. Tilz wies auf die Probleme der richtigen Diagnostik epileptischer Anfälle im höheren Lebensalter hin: Zur richtigen Einordnung der Anfälle im höheren Lebensalter ist eine besonders genaue Anamnese und Diagnostik erforderlich. Zudem ist die Ätiologie neu diagnostizierter Anfälle im höheren Lebensalter sehr heterogen, sodass eine differenzierte Therapie die Kenntnis des zugrunde liegenden Pathomechanismus erfordert. Besonders zu beachten ist bei der antikonvulsiven Pharmakotherapie von Anfällen im höheren Lebensalter, dass es häufiger zu Nebenwirkungen kommen kann, sodass ein besonders langsames Aufdosieren erforderlich ist und häufig eine geringe Zieldosis genügt, um PatientInnen anfallsfrei zu bekommen. Außerdem müssen in verstärktem Maße medikamentöse Interaktionen bedacht werden.
Psychische Komorbiditäten: Priv.-Doz. Dr. E. Pauli, Neurologische Universitätsklinik Erlangen, ging in ihrem Vortrag auf die hohe Inzidenz komorbider psychischer Störungen bei PatientInnen mit Epilepsien ein. Diese stellen ein komplexes Spektrum dar, das Angstund Panikstörungen, affektive Störungen, Persönlichkeitsstörungen, aber auch kognitive Störungen einschließlich Störungen der sozialen Kognition umfasst. Vor allem Depressionen werden gehäuft, mit 18–40 % bei PatientInnen mit Temporallappenepilepsien beschrieben. Auch das Suizidrisiko ist deutlich erhöht, bipolare Störungen sowie manische Erkrankungen sind bei EpilepsiepatientInnen hingegen selten. Vorbestehende Vulnerabilitätsfaktoren, neurobiologische Faktoren, iatrogene Einflüsse und psychosoziale Belastungsfaktoren sind hier in individuell unterschiedlichem Ausmaß von Bedeutung. Die heterogene Ätiologie der Komorbiditäten reicht von den rein neurobiologisch verursachten psychischen iktalen und periiktalen Veränderungen, z. B. den Angstauren, oder auch einer medikamentenbedingten Depression, über Mischformen physiologischer und psychologischer Vulnerabilität bis hin zu eher psychischen Reaktionen, wie etwa Angst vor dem Kontrollverlust im Anfall. Bei Temporallappenepilepsien (TLE) spielt der Hippocampus als Bindeglied zwischen Epilepsie und Depression eine kritische Rolle, hier gilt die wissenschaftliche Aufmerksamkeit besonders der Neurogenese im Gyrus dentatus des Hippocampus. Affektive Störungen werden durch eine operative Ausschaltung des epileptogenen hippocampalen Fokus meist güns – tig beeinflusst, unabhängig von der postoperativen Anfallssituation. Die deutlichste Besserung erzielen postoperativ anfallsfreie, linksseitig operierte PatientInnen. Eine Reduktion der Angststörungen erwies sich als abhängig vom Outcome, hier zeigen sich bei rechtshemisphärischer TLE unabhängig von der Anfallssituation Verbesserungen, während PatientInnen mit linkstemporaler Epilepsie nur im Falle der Anfallsfreiheit profitieren, nicht anfallsfreie PatientInnen tragen das Risiko einer Verschlechterung der Angststörung.
Hormonelle Veränderungen: OÄ Dr. G. Schwarz, Neurologische Abteilung der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg Linz, befasste sich mit der Veränderung der Sekretion von Geschlechtshormonen durch epileptische Aktivität. Enzyminduzierende Antikonvulsiva senken über eine vermehrte Bildung von sexualhormonbindendem Globulin den freien Anteil von Testosteron, was bei Männern sexuelle Funktionsstörungen begünstigen kann. Die Rolle von Valproat in der Entstehung des polyzystischen Ovarsyndroms wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Eine massive Gewichtszunahme unter Valproat sollte jedoch zu erhöhter Vigilanz bezüglich Virilisierungszeichen und Zyklusstörungen sowie gegebenenfalls zur gynäkologischen Abklärung führen. Levetiracetam und Lamotrigin scheinen keinen Effekt auf körpereigene Hormone zu haben.