Behandlung von Schlafstörungen: Psychologische/psychotherapeutische Ansätze

Psychologische bzw. psychotherapeutische Ansätze zur Behandlung von Schlafstörungen stellen neben der medikamentösen Therapie in vielen Fällen eine grundlegende Methode dar, die zugrunde liegenden Beeinträchtigungen effektiv zu behandeln1. Um jedoch eine ursachenorientierte Behandlung zu beginnen, steht vor jeder Therapie eine umfassende diagnostische Abklärung. Ziel ist, exogene, organische, psychiatrische oder psychosoziale Ursachen auszuschließen, um in Folge das Symptom behandeln zu können. Empfehlungen zu pharmakologischen Therapien sollten erst dann unterstützend eingesetzt werden, wenn nichtpharmakologische Maßnahmen zu keinen Verbesserungen führen.
Bei der nichtpharmakologischen Behandlung von Schlafstörungen stehen konkrete Methoden wie Schlafberatung, Entspannungsmethoden, Methoden zur Strukturierung des Schlaf-Wach-Rhythmus sowie spezielle psychotherapeutische Maßnahmen zur Verfügung, welche die Schlafqualität positiv beeinflussen.
In erster Linie werden psychologische Ansätze bei der Behandlung der primären/psychophysiologischen/nichtorganischen Insomnie eingesetzt. Die primäre Insomnie stellt eine Störung des Schlafs dar, bei der es ohne konkrete Ursachen zu folgenden Beeinträchtigungen kommen kann: Ein- und Durchschlafstörungen, frühmorgendliches Erwachen, nichterholsamer Schlaf sowie Beeinträchtigungen am Tage.
Störungstheorien zufolge scheinen insbesondere ein erhöhtes physiologisches Aktivierungsniveau, Lernvorgänge, dysfunktionales Verhalten, Persönlichkeitsfaktoren sowie kognitive Faktoren bei der Entstehung von nichterholsamen Schlaf eine Rolle zu spielen. Auf dieser Grundlage setzt die psychologische bzw. psychotherapeutische Behandlung an und versucht, mit Hilfe spezieller Techniken die aufrechterhaltenden Faktoren sowie das Problem Schlaflosigkeit zu lindern.
Grundlage jeder Therapie liefert eine ausführliche Verhaltensdiagnostik. Mit Hilfe von Schlaftagebüchern lassen sich einerseits die Tagesbefindlichkeit und andererseits das Ausmaß der Störung des Nachtschlafs erfassen. Hierbei sollen die Betroffenen subjektive Eindrücke sowohl morgens als auch abends wiedergeben. Schlaftagebücher dienen nicht nur der diagnostischen Einschätzung der Schlafstörung, sondern sind auch während der Behandlung ein sinnvolles Instrument, um den Therapieerfolg zu erfassen.
Der Einsatz der oben genannten Methoden spielt jedoch nicht nur in der Behandlung der nichtorganischen Insomnie, sondern auch bei anderen Schlafstörungen eine Rolle. Insbesondere bei all jenen Formen, bei denen es zu einer Störung des Nachtschlafs und/oder Beeinträchtigungen des Tagesempfindens in Zusammenhang mit dem Schlaf kommt, wie z. B. auch bei der Hypersomnie (Schläfrigkeit) sowie generell bei Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus stellen nichtmedikamentöse Behandlungsverfahren einen bedeutenden Ansatz in der Therapie dar.
Die in der Praxis üblicherweise eingesetzten psychologischen bzw. psychotherapeutischen Ansätze zur Behandlung von Schlafstörungen werden im Folgenden vorgestellt und auf ihre Wirksamkeit überprüft.

Schlafberatung

Die Schlafberatung („Psychoedukation“) stellt im Rahmen der nichtmedikamentösen Therapie von Schlafstörungen die Behandlungsgrundlage dar. Hierbei geht es darum, die PatientInnen über Schlafinhalte aufzuklären und über Funktionen des Schlafes sowie Formen von Schlafstörungen zu informieren. Es soll dadurch nicht nur schlafförderndes, sondern auch gesundheitsförderndes Verhalten begünstigt werden. Oftmals reicht bei leichten Formen von Schlafstörungen die Schlafberatung aus, um ungünstige Schlafgewohnheiten zu verändern und so die Schlafqualität zu verbessern.
Neben Aufklärung über den Schlaf sind bestimmte Verhaltensweisen, die einen gesunden Schlaf fördern (sogenannte „Regeln für einen gesunden Schlaf“ bzw. „Schlaf­hygiene“), Teil der Psychoedukation. Schlafhygienische Maßnahmen beinhalten Verhaltens­regeln, die dem Ausschluss schlafbeeinträch­tigender und der Förderung schlafbegünstigender Verhaltensweisen dienen. Insbesondere durch Hinweise zur Schlaf­umgebung und zur Tagesstruktur sollen mögliche auslösende bzw. aufrechterhaltende Faktoren verändert werden. Die Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Regeln zur Förderung eines erholsamen Schlafs.
Die Schlafberatung stellt insbesondere in der Behandlung von Insomnien (gekennzeichnet durch nichterholsamen Schlaf) und Hypersomnien (gekennzeichnet durch übermäßige Schläfrigkeit tagsüber und Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit) einen wichtigen Bestandteil der nichtmedikamentösen Therapie dar. In beiden Fällen spielen nicht nur die Fo­kussierung auf den Nachtschlaf, sondern auch eine Planung der Tagesstruktur und Aspekte der Lebensführung eine bedeutende Rolle.
In der Regel reichen schlafhygienische Maßnahmen als alleinige Behandlungsstrategie nicht aus, um chronische Schlafstörungen effektiv zu behandeln. Jedoch führen Informationen zur Schlafhygiene zu einer Verbesserung der Schlafqualität2 und des Wohlbefindens3.

 Entspannungsmethoden

Entspannungsverfahren stellen einen wesentlichen Bestandteil in der psychologischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung von Schlafstörungen dar. Aufgrund der Annahme, dass es insbesondere bei PatientInnen mit Insomnien zu einer gesteigerten physiologischen Aktivierung mit erhöhter Herzfrequenz, verringertem Hautwiderstand, erhöhtem Muskeltonus, erhöhter Körpertemperatur und nicht zuletzt zu einer vermehrten Ausschüttung von Kortisol kommt, sollen unterschiedliche Entspannungsmethoden dem entgegenwirken. Durch das Erlernen von körperlicher und/oder gedanklicher Entspannung sollen die Voraussetzungen für das Einschlafen geschaffen werden.
Als besonders effektiv hat sich in diesem Zusammenhang die Methode der progressiven Muskelentspannung (PME) nach Jacobson erwiesen. Bei diesem Verfahren werden einzelne Muskelgruppen abwechselnd angespannt, um sie im Anschluss bewusster entspannen zu können. Jacobson ging davon aus, dass durch die anfängliche Anspannung der Muskulatur eine tiefere Entspannung erreicht werden kann. Die PME spielt sowohl als Einzelverfahren als auch in Kombination mit Methoden zur gedanklichen Entspannung (wie z. B. Ruhebilder, Phantasiereisen) eine große Rolle. Die Wirksamkeit der PME konnte insbesondere durch eine Verkürzung der Einschlafdauer gezeigt werden4.
Alternative Verfahren zur progressiven Muskelentspannung sind das autogene Training, Biofeedbackverfahren oder Meditationsverfahren. All diesen Verfahren ist gemeinsam, eher das Durchbrechen unangenehmer Gedanken zu fördern und weniger die Reduktion körperlicher Anspannung5. Zudem scheinen Entspannungsverfahren insbesondere in Kombination mit der Schlafberatung nicht nur bei der Behandlung der Insomnie positive Effekte auf Schlafqualität und Empfinden zu zeigen, sondern spielen auch bei anderen Schlafstörungen – wie etwa der Schlafapnoe – eine bedeutende Rolle6.

Verhaltenstherapeutische Therapieansätze

Im Allgemeinen werden zu den verhaltenstherapeutischen Methoden bei der Behandlung von Schlafstörungen einerseits Techniken eingesetzt, die auf eine Strukturierung des Schlaf-Wach-Rhythmus abzielen und andererseits kognitive Techniken zur Reduktion dysfunktionaler Gedankenprozesse.

Strukturierung des Schlaf-Wach-Rhythmus

Die Stimuluskontrolle7, 8 basiert auf der Annahme, dass Schlafstörungen durch Lernvorgänge entstehen, dadurch aber auch aufrechterhalten werden können. Insbesondere schlafinkompatible Aktivitäten sollen mit Hilfe unterschiedlicher Techniken wieder verlernt werden. Das Ziel der Stimuluskontrolle ist, dass das Bett wieder zum Hinweisreiz für das Schlafen wird und dass das Bett nur noch zum Schlafen genutzt wird. Folgende Anweisungen sind Inhalt der Stimuluskon­trolle:

  • erst bei ausgeprägter Müdigkeit ins Bett gehen;
  • das Bett lediglich zum Schlafen nutzen (Ausnahme: sexuelle Aktivitäten);
  • wenn das Einschlafen länger als 10–15 Minuten dauert, das Bett wieder verlassen;
  • immer zur selben Zeit aufstehen;
  • Mittagsschlaf vermeiden.

Im Allgemeinen führt die Stimuluskontrolle zu einer Verbesserung der Schlaflatenz sowie zu einer Verringerung des nächtlichen sowie frühmorgendlichen Erwachens9.

Die Schlafrestriktionstherapie resultiert auf der Grundlage, dass Schlafdeprivation zu schnellerem Einschlafen, tieferem Schlaf und zu einer Reduktion der Aufwachprozesse führt. Bei der Methode der Schlafrestriktion10 wird die im Bett verbrachte Zeit restriktiv verkürzt und damit eine Zunahme der Schlaf­effizienz als auch der Schlafkontinuität angestrebt. Außerdem kommt es aufgrund der Reduktion der Wachliegezeit zu einer Unterbrechung des nächtlichen Grübelns. Anhand der von den PatientInnen geführten Schlaftagebücher werden zunächst die individuelle Bettzeit, Einschlafzeit und Schlafdauer innerhalb der letzten Wochen ermittelt. Daraus wird einerseits die Schlafeffizienz als auch die durchschnittliche Bettzeit (Mindestbettzeit: 4 ½ Stunden) ermittelt, die die Grundlage für die Therapie darstellt. Bei Anstieg der Schlafeffizienz (Durchschnitt aus den letzten 5 Tagen) wird auch die Bettzeit um eine Viertelstunde ausgedehnt. Durch die vermehrte Wachzeit folgt eine Erhöhung des Schlafdrucks, was wiederum die Einschlaflatenz verkürzt und die Tiefe des Schlafs fördert. Mit Hilfe der Schlafrestriktion kann insbesondere eine Verbesserung der Schlaf­effizienz erreicht werden10, 11.

Kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapieverfahren

Das übergeordnete Ziel aller kognitiv-verhaltenstherapeutischen Therapieansätze ist sowohl eine Verbesserung der Schlafqualität als auch eine Verbesserung des Tagesempfindens. Hierbei spielt insbesondere der Abbau dysfunktionaler Gedanken in Bezug auf den Schlaf eine Rolle sowie die Reduktion damit verbundener Ängste und emotionalen Stresses. Spezielle verhaltenstherapeutische Techniken wie Gedankenstopp, kognitives Umstrukturieren und Neubewerten dysfunktionaler Gedanken kommen dabei zum Einsatz. Zusätzliche verhaltenstherapeutische Strategien wie Ressourcenaktivierung, Umgang mit Spannung und Entspannung sowie Aktivitätsaufbau bilden die Grundlage der Behandlung. Die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Methoden konnte in zahlreichen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden. Dabei wurden nicht nur Veränderungen der Schlafarchitektur (wie etwa Zunahme der Delta-Aktivität) festgestellt12, sondern auch mittel- und langfristige Effekte gut belegt1, 4, 12, 13.

Paradoxe Intention: Ein weiteres verhaltenstherapeutisches Verfahren stellt die sogenannte „paradoxe Intention“ dar. Diese Technik hat zum Ziel, die insbesondere bei Insomnien vorherrschende Erwartungsangst vor der Schlaflosigkeit sowie den daraus resultierenden Teufelskreis zu reduzieren und zu durchbrechen. Durch das Verschreiben des Symptoms (d. h. so lange wie möglich wach liegen) soll die durch Angst entstandene physiologische Erregung vermindert und dadurch das Schlafen ermöglicht werden. Diese Technik ist vor allem für PatientInnen, die Angst vor dem Einschlafen haben, gut geeignet. Die Methode der paradoxen Intention ist in Abhängigkeit von Persönlichkeitsfaktoren des Patienten/der Patientin wirksam14.

Kombinationsprogramme: In den letzten Jahren kam es zu einem zunehmenden Einsatz von Kombinationsprogrammen, bei denen mehrere verhaltenstherapeutische Therapiestrategien und Interventionen innerhalb eines Programms eingesetzt werden15. Dabei werden Verfahren zur Schlaf-Wach-Rhythmus-Strukturierung mit unterschiedlichen Entspannungsverfahren sowie Informationen zum Schlaf und schlafhygienische Maßnahmen eingesetzt. Hierbei zeigen sich insbesondere deutlich positive Effekte auf Schlafparameter wie Einschlaflatenz sowie nächtliche Wachzeiten4.

Andere nichtmedikamentöse Therapien

Neben der weniger erforschten Methodik der Lichttherapie und den bereits angeführten Techniken kommen bei der Behandlung von Schlafstörungen auch tiefenpsychologische bzw. andere psychotherapeutische Ansätze zum Einsatz. Bei der Lichttherapie soll durch Lichtexposition der Schlaf-Wach-Rhythmus in die gewünschte Richtung verschoben werden. Besonders bei PatientInnen mit frühmorgendlichem Erwachen soll durch abendliche Lichtexposition ein späterer morgendlicher Anstieg der zirkadianen Rhythmik bewirkt werden. Die eindeutige Wirksamkeit dieser Methodik konnte jedoch bisher nicht nachgewiesen werden. Ebenso liegen keine empirischen Studien zur Wirksamkeit anderer psychotherapeutischer Ansätze (mit Ausnahme einzelner tiefenpsychologischer Fallberichte) vor.

1 Morin CM, Bootzin RR, Buysse DJ, Edinger JD, Espie CA, Lichtstein KL, Psychological And Behavioral Treatment Of Insomnia: Update Of The Recent Evidence (1998-2004). Sleep 2006; 29(11):1398–1413.

2 Harvey AG, Pre-Sleep cognitive activity: a comparison of sleep-onset insomniacs and good sleepers. British J Clin Psychol 2000; 39:275–286.
3 Hoch CC, Reynolds CF III, Buysse DJ, Protecting sleep quality in later life: a pilot of bed restriction and sleep hygiene. J Geront Psych Sci 2001; 56:52–59.
4 Morin CM, Culbert JP, Schwartz SM, Nonpharmacological interventions for insomnia: A meta-analysis of treatment efficacy. Am J Psychiatry 1994; 151(8):1172–1180.
5 Borkovec TD, Fowles DC, Controlled investigation of the effects of progressive and hypnotic relaxation on insomnia. J Abnorm Psychol 1973; 82(1):153–158.
6 Wang W, He G, Wang M, Liu L, Tang H, Effects of patient education and progressive muscle relaxation alone or combined on adherence to continuous positive airway pressure treatment in obstructive sleep apnea patients. Sleep Breath 2011 Oct 2 [Epub ahead of print].
7 Bootzin RR, A stimulus control treatment of insomnia. In: Proceedings of the 80th Annual Convention of the American Psychological Association 1972. Honululu, 395–396.
8 Bootzin RR, Verhaltenstherapeutische Behandlung von Schlafstörungen. Psychotherapeutische Praxis. Begleitheft zur Tonkassette. München, Pfeiffer 1980.
9 Morin CM, Insomnia. Psychological Assessment and Management. New York: The Guilford Press 1993.
10 Spielman AJ, Saskin P, Thorpy MJ, Treatment of chronic insomnia by restriction of time in bed. Sleep 1987; 10(1):45–56.
11 Friedman L, Bliwise, DL, Ysavage JA, Salom SR, A preliminary study comparing sleep restriction and relaxation treatments for insomnia in older adults. J Gerontol 1991; 46:P1–8.
12 Cervena K, Dauvilliers Y, Espa F, Touchon J, Matousek M, Billiard M, Besset A, The effect of cognitive behavioural therapy for insomnia on sleep architecture and sleep EEG power spectra in psychophysiological insomnia. J Sleep Res 2004; 13(4):385–393.
13 Murtagh DR, Greenwood KM, Identifying effective psychological treatments for insomnia: a meta-analysis. J Clin Consult Psychol 1995; 63(1):79–89.
14 Morin CM, Hauri PJ, Espie CA, Spielman AJ, Buysse DJ, Bootzin RR, Non-pharmacological treatment of chronic insomnia. Sleep 1999; 22:1134–1156.
15 Riemann D, Backhaus J, Schlafstörungen bewältigen. Ein psychologisches Gruppenprogramm. Weinheim, Beltz/Psychologie Verlags Union 1996