Riechstörung und andere Frühzeichen des Morbus Parkinson in der PARS-Studienkohorte

Die Diagnose des Morbus Parkinson (MP) stützt sich seit der Erstbeschreibung vor nahezu 200 Jahren immer noch auf die motorischen Kardinalsymptome der Erkrankung, für welche die Degeneration dopaminerger Neuronen der Substantia nigra (SN) verantwortlich gemacht wird2. Viele rezente neuropathologische Studien besagen aber, dass die Lewy-Körperchen-assoziierte Neurodegeneration in extranigralen Strukturen des olfaktorischen Systems und des Hirnstamms sowie im peripheren autonomen Nervensystem ihren Ausgangspunkt findet3. Klinisches Korrelat dieses Prozesses sind nichtmotorische Krankheitszeichen wie Geruchsfunktionsstörung, Depressionen, REM-Schlafverhaltensstörung (RBD) und Obstipation, die häufig der motorischen Manifestation um Jahre oder gar Jahrzehnte vorausgehen und somit diese „prämotorische“ Krankheitsphase kennzeichnen können.
Die gegenwärtige Herausforderung ist es, diese und weitere mögliche Marker in pro­spektiven Studien besser zu beschreiben, um eine nach den derzeitigen Kriterien „präklinische“ Diagnose zu erlauben oder Personen mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines MP zu identifizieren.

Die PARS-Studie (Parkinson At-Risk Syndrome Study) ist eine amerikanische Multicenterstudie, deren Ziel die Evaluierung einer zweiteiligen Screening-Strategie mit Geruchsfunktionstestung und Dopamintransporter-SPECT für die Frühdiagnose eines Morbus Parkinson ist. Daten zum ersten Screening-Schritt dieser Studie wurden kürzlich im Movement Disorders Journal veröffentlicht1.
In dieser ersten Phase retournierten von mehr als 10.000 angeschriebenen Personen aus der allgemeinen Bevölkerung 4999 gesunde ProbandInnen im Alter über 50 Jahren einen komplettierten Geruchstest (UPSIT, University of Pennsylvania Smell Identification Test) und einen Fragebogen zu bekannten Risikofaktoren und nichtmotorischen sowie motorischen Zeichen eines MP.
Hiervon waren 669 hyposmisch und hatten einen mittleren UPSIT-Score von 23 Punkten gegenüber 34 Punkten bei normosmischen ProbandInnen. Nur 38 % der hyposmischen ProbandInnen hatten jedoch ihre Geruchsfunktionsminderung selbst auch wahrgenommen. Hyposmische ProbandInnen berichteten signifikant häufiger über prodromale nichtmotorische Zeichen eines MP wie Obstipation, RBD-Symptome, Depression und auch Veränderungen motorischer Funktionen (kleinere Handschrift, leisere Stimme, verminderter Gesichtsausdruck, Zittern, kleinere Schritte etc.).
Bei hyposmischen ProbandInnen, die eine Geruchsfunktionsstörung auch angegeben hatten, war diese Häufung noch stärker ausgeprägt. In einem für Alter, Geschlecht und Familienanamnese korrigierten Modell waren die Odds Ratios für das Auftreten einer Hyposmie für die oben angeführten kombinierten Faktoren signifikant erhöht (2,0 für Depression, 1,4 für Veränderungen motorischer Funktionen, 1,3 für Obstipation und 1,3 für RBD-Zeichen).

Kommentar

Eine Geruchsfunktionsstörung kommt bei ungefähr 90 % der Parkinson-PatientInnen vor und eine Verwendung dieses Symptoms als diagnostischer Parameter wurde bereits vorgeschlagen4, 5. Retrospektive Studien haben gezeigt, dass dieses Symptom in vielen Fällen bereits 2–7 Jahre vor Beginn der motorischen Symptome evident sein kann6. Bei bereits diagnostizierten PatientInnen gibt es keine Korrelation zwischen dem Grad der Hyposmie und der Krankheitsdauer oder dem Krankheitsschweregrad7. Eine Geruchsfunktionsstörung könnte deshalb geeignet sein, prämotorische Stadien der Parkinson-Erkrankung zu erfassen. Die vorliegende Studie stellt die bisher größte prospektive Kohorte zur Untersuchung der Parkinson-Inzidenz in Abhängigkeit einer Geruchsfunktionsstörung dar.
Eine früher veröffentlichte populationsbasierte Kohortenstudie aus Honolulu hatte bereits ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines MP bei hyposmischen ProbandInnen gezeigt8. In einer weitere Studie bei Verwandten von MP-PatientInnen hatten hyposmische gegenüber normosmischen ProbandInnen ein signifikant erniedrigtes striatales Dopamintransporterbindungspotenzial und ein 10%iges Risiko, einen manifesten MP innerhalb von 2 Jahren zu entwickeln9. Die neue Population von Siderowf und MitarbeiterInnen zeigt eine interessante Assoziation von Hyposmie mit weiteren potenziellen Risikomarkern wie subtilen motorischen Defiziten und den nichtmotorischen MP-Symptomen Obstipation, Depression und RBD-Zeichen. Letztere sind auch bekannte Risikofaktoren eines MP mit Odds Ratios von 2–48, 10, 11. Interessant ist auch der hier neuerlich aufgezeigte Zusammenhang von Hyposmie und RBD-Zeichen, wenngleich keine formale RBD-Diagnostik erfolgte. Viele HyposmikerInnen hatten keine weiteren Frühzeichen eines MP und die Wertigkeit des Markers Hyposmie für die Prädiktion eines MP wird sich erst in den weiteren Nachuntersuchungen dieser Studie zeigen12. Aus bisher bekannten Daten scheint aber bereits klar, dass die Spezifität der Hyposmie als Risikomarker für einen MP unter 50 % liegt8. Weitere (bildgebende) Screening-Schritte sind notwendig, um die Subpopulation herauszufiltern, die einen MP entwickeln wird.
In der PARS-Kohorte wurden bereits 203 ProbandInnen der hyposmischen und 100 ProbandInnen der normosmischen Gruppe einer klinischen und einer Dopamintransporter-SPECT-Untersuchung unterzogen und sollen in regelmäßigen Abständen für weitere 6 Jahre verlaufskontrolliert werden12.

Ein anderer vielversprechender bildgebender Parameter könnte die mittels transkranieller Sonographie gemessene Mittelhirn-Hyper­echo­genität sein, die in einer deutsch-österreichischen prospektiven Tricenterstudie (PRIPS) ein 17-fach erhöhtes MP-Risiko in der Normalbevölkerung innerhalb von 3 Jahren anzeigte13. Weitere Daten der PARS- und der PRIPS-Kohorte sowie ähnlicher Studien werden mit Spannung erwartet12, da durch sie potenzielle Screening-Methoden für den MP besser charakterisiert werden können.

1 Siderowf A, Jennings D, Eberly S, Oakes D, Hawkins KA, Ascherio A et al., Impaired olfaction and other prodromal features in the Parkinson At-Risk Syndrome Study. Mov Disord 2012; 27(3):406–12.
2 Gibb WR, Lees AJ, The relevance of the Lewy body to the pathogenesis of idiopathic Parkinson’s disease. J Neurol Neurosurg Psychiatry 1988; 51(6):745–52.
3 Stern MB, Lang A, Poewe W, Toward a redefinition of Parkinson’s disease. Mov Disord 2012; 27(1):54–60.
4 Katzenschlager R, Lees AJ, Olfaction and Parkinson’s syndromes: its role in differential diagnosis. Curr Opin Neurol 2004; 17(4):417–23.
5 Pahwa R, Lyons KE, Early diagnosis of Parkinson’s disease: recommendations from diagnostic clinical guidelines. Am J Manag Care 2010 Mar; 16 Suppl Implications:S94–S99.
6 Hawkes C, Olfaction in neurodegenerative disorder. Mov Disord 2003; 18(4):364–72.
7 Doty RL, Deems DA, Stellar S, Olfactory dysfunction in parkinsonism: a general deficit unrelated to neurologic signs, disease stage, or disease duration. Neurology 1988; 38(8):1237–44.
8 Ross GW, Petrovitch H, Abbott RD, Tanner CM, Popper J, Masaki K et al., Association of olfactory dysfunction with risk for future Parkinson’s disease. Ann Neurol 2008; 63(2):167–73.
9 Ponsen MM, Stoffers D, Booij J, van Eck-Smit BL, Wolters EC, Berendse HW, Idiopathic hyposmia as a preclinical sign of Parkinson’s disease. Ann Neurol 2004; 56(2):173–81.
10 Abbott RD, Petrovitch H, White LR, Masaki KH, Tanner CM, Curb JD et al., Frequency of bowel movements and the future risk of Parkinson’s disease. Neurology 2001; 14
;57(3):456–62.
11 Shiba M, Bower JH, Maraganore DM, McDonnell SK, Peterson BJ, Ahlskog JE et al., Anxiety disorders and depressive disorders preceding Parkinson’s disease: a case-control study. Mov Disord 2000; 15(4):669–77.
12 Berg D, Marek K, Ross GW, Poewe W, Defining at-risk populations for Parkinson’s disease: lessons from ongoing studies. Mov Disord 2012; 15;27(5):656–65.
13 Berg D, Seppi K, Behnke S, Liepelt I, Schweitzer K, Stockner H et al., Enlarged substantia nigra hyperechogenicity and risk for Parkinson disease: a 37-month 3-center study of 1847 older persons. Arch Neurol 2011; 68(7):932–7.