Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Endlich ist es soweit, Ihnen die 2. Ausgabe von neurologisch vorzustellen, die dem Schwerpunktthema „Neurointensivmedizin“ gewidmet ist. Die Geschichte der Intensivmedizin an sich hat ihren Ursprung in der Neurointensivmedizin. Die Errichtung der ersten Beatmungsstationen in den USA und in Europa im Zuge der großen Polioepidemien war bahnbrechend für das Überleben dieser PatientInnen. Sehr früh hat man erkannt, dass eine Spezialisierung in der Intensivmedizin, sei es kardiologisch, traumatologisch, chirurgisch oder eben neurologisch, sehr sinnvoll ist und tatsächlich auch den PatientInnen ein wesentlich besseres Behandlungsergebnis sichert. In Neurointensivstationen ist im Vergleich zu nichtspezialisierten Intensivstationen eine signifikant geringere Sterblichkeit und ein signifikant besseres funktionelles Ergebnis zu erwarten. Dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden: Im Rahmen der Ausbildung zum Facharzt/zur Fachärztin für Neurologie wurde sehr erfolgreich ein modulares System mit Intensiv- und Akutneurologie, aber auch mit einer vertieften Schlaganfallbehandlung eingeführt. Darüber hinaus ist es aber auch notwendig, eine Spezialisierung in Neurointensivmedizin als Nachfolge für den Additivfacharzt/die Additivfachärztin für Neurointensivmedizin umzusetzen. Selbstverständlich ergibt sich aus der Evidenz einer besseren Behandlung auf Neurointensivstationen auch die Notwendigkeit, spezialisierte Neurointensivstationen an definierten Zentren in ganz Österreich zu etablieren. Die Artikel, die Sie in diesem Heft finden, sind nicht nur in ihrer Vielfalt, sondern auch in der Tiefe der Materie bemerkenswert. Ohne Zweifel finden Sie hier ein Zeugnis der hervorragenden Entwicklung der neurologischen Intensivmedizin in Österreich. Nun gilt es in die nächste Entwicklungsphase mit Etablierung flächendeckender Strukturen einzutreten.
Nicht weniger lesenswert sind die zahlreichen Artikel in der Rubrik „Neurologie aktuell“ mit Beiträgen zur Schlaganfalltherapie bei akuten intrakraniellen Gefäßverschlüssen, mit einer Darstellung der neuen Ansatzpunkte bei degenerativen Demenzen, mit Artikeln zu neuromuskulären Erkrankungen, zur Neuroonkologie, zu Schlafstörungen und schmerz­autonomen Störungen sowie zu psychogenen nichtepileptischen Anfällen. Besonders hervorheben möchte ich aber drei Artikel dieses Heftes mit Themen, die sonst in der Neurologie zu wenig Beachtung finden:
Traumatische Rückenmarksverletzungen sind für den Betroffenen und die Betroffene nicht nur eine persönliche Katastrophe, sondern auch für die pflegenden Angehörigen, die sehr oft die Mütter oder die Frauen der meist männlichen Patienten sind. Während keine medikamentösen neuroregenerativen Therapien in der Frühphase möglich sind und die frühzeitige Dekompression, die einzig mögliche Therapie darstellt, gilt es vor allem in der Neurorehabilitation Fortschritte zu erzielen. Hier findet sich ein lesenswerter Artikel von Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Stefan Golaszewski über aktuelle Entwicklungen auf diesem Gebiet.

Ein ebenso wichtiges wie oft negiertes Thema stellt die Neuropalliativmedizin dar. Während das Thema sehr oft mit Onkologie assoziiert wird, wird es nicht nur international, sondern auch zunehmend in Österreich von Neurologinnen und Neurologen getragen. Zahlreiche Krankheitsbilder erlauben es noch immer nicht, eine kurative Therapie anzubieten. Dennoch bleibt es unsere Verpflichtung, diese Menschen im Sinne einer „palliative Care“ gemeinsam mit anderen Berufsgruppen – und hier möchte ich vor allem die neurologische Pflege hervorheben – zu begleiten. Vor allem für die jungen Neurologinnen und Neurologen ist die Neuropalliation auch als Zukunftsfach zu sehen, da Entscheidungen in dieser Phase des Lebens zunehmend häufiger werden. Univ.-Prof. Dr. Peter Kapeller hat hier eine kurze Übersicht über die aktuellen Entwicklungen und die Ergebnisse eines erfolgreich durchgeführten Kongresses für Neuropalliativmedizin zusammengefasst.

Beachtenswert finde ich persönlich auch die Widmung eines ausführlichen Artikels zu Parkinsonsyndromen bei lysosomalen Speicherkrankheiten von Dr. Ivan Milenkovic und Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Sycha. Die rasante Entwicklung in der Grundlagen und translationalen Forschung bei sogenannten „rare neurological diseases“ erfordert es, sich sowohl im Sinne der Ausbildung als auch der medizinischen Weiterbildung mit diesen Krankheitsbildern auseinanderzusetzen, da zunehmend kausal orientierte Therapieverfahren zur Verfügung stehen werden. Die lysosomalen Speichererkrankungen stellen ein Paradigma für hochkomplexe Krankheitsbilder mit multiplen Symptomen und Syndromen dar. In diesem Artikel werden die Bewegungsstörungen im Vordergrund beleuchtet, es ist aber selbstredend, dass diese PatientInnen eine Vielzahl anderer Beschwerden haben, die von motorischen Symptomen über kognitive Verhaltensstörungen bis zu epileptischen Anfällen gehen. Genau hier ist auch der Ansatz der europäischen Referenznetzwerke (ERN). Um der Komplexität der Krankheitsbilder Rechnung zu tragen, sollen spezifische Zentren mit klar definierten Qualitätskriterien etabliert werden, die für Zuweisungen aus ganz Österreich, aber auch international zur Verfügung stehen.

Nicht minder lesenswert sind die anderen Artikel, die, wie auch in den vergangenen Ausgaben von neurologisch, ein ausgezeichneter Querschnitt eines lebendigen Faches mit großer Zukunftsperspektive sind.

Ich möchte an dieser Stelle dem hervorragenden Redaktionsteam der Sonderausgaben mit Schwerpunkt Neurointensivmedizin danken: Univ.-Prof. Dr. Jörg Weber und Priv.-Doz. Dr. Raimund Helbock haben hier wirklich sehr schöne Artikel zusammengestellt! Mein Dank gilt auch der Chefredaktion von neurologisch, Priv.-Doz. Dr. Julia Ferrari und Dr. Michael Ackerl, die unermüdlich dafür sorgen, dass die Vielfalt und Bandbreite von neurologisch so groß ist, dass es bei jeder Ausgabe eine Freude ist, die aktuellen Artikel zu lesen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie in dieser Ausgabe viel Lehrreiches finden und Vergnügen daran haben, ein Teil der blühenden neurologischen Welt zu sein.

Mit besten Grüßen

Ihr

Eugen Trinka