Wie in den vergangenen Jahren wurden eine imponierende Anzahl an Vorlesungen, Workshops und Kursen mit Ausbildungscharakter auf unterschiedlichem Level sowie zahlreiche Plattform- und Posterpräsentationen und sogenannte „Scientific Networking Hours“ für den wissenschaftlichen Informationsaustausch geboten. Spezielle Angebote inklusive Mentoring-Sitzungen für junge ForscherInnen waren ebenfalls im Programm. Neu waren „New Skills Workshops” für eine limitierte Teilnehmeranzahl, die der Vermittlung bzw. Intensivierung spezieller Fertigkeiten dienten. Aktuelle Themen waren: „Die Planung klinischer Studien“, „Epilepsiechirurgie“, „Errichtung und Betrieb einer Epilepsie Monitoring Unit“ und „Intrakranielle Ableitetechniken“.
Trotz einer Vielzahl von Parallelveranstaltungen war die Tagung durch optimale Strukturierung des Programms und gute Kennzeichnung der jeweiligen Ausbildungsziele und angesprochenen Zielgruppen für die einzelnen Beiträge ohne Probleme den individuellen Interessen der Besucher anzupassen. Leitfaden durch das Programm waren die „Epilepsy Research Benchmarks“ (Tab. 1). Geschaffen 2000 und revidiert 2007, sollen die Benchmarks dazu dienen, Forschung zur Klärung der Ursachen und Optimierung der Behandlung der Epilepsien anzuregen und Ergebnisse zu bewerten. Am Beginn jeder Sitzung wurden entsprechend dieser Benchmarks die Ziele des Programms definiert und rezente Forschungsergebnisse sowie aktuell geplante Studien zum Thema vorgestellt. Im Folgenden werden einige der behandelten Themenkreise vorgestellt.
Therapieresistente Epilepsien: Ein Symposium widmete sich den Ursachen für und Möglichkeiten der Prophylaxe oder Unterbindung der Progression sowohl der Erkrankung selbst als auch komorbider Störungen. Behandlungskonzepte über alle Lebensalter wurden diskutiert: hier wurde der Übergabe vom Kinder- an den Erwachsenenbereich (Transition) und der Schaffung von Transition-Kliniken, in denen PatientInnen ab dem 13. Lebensjahr und deren Familien auf das Erwachsenenalter und das Verlassen des familienzentrierten pädiatrischen Settings vorbereitet werden, breiter Raum gewidmet. Die Pilotdaten sind vielversprechend, Evaluierungsstudien für solche Kliniken fehlen derzeit jedoch noch.
Psychiatrische Aspekte therapierefraktärer Epilepsien inklusive Auswirkungen komorbider Störungen (insbesondere nichtepileptischer Anfälle) auf den postoperativen Outcome: 30 % der operierten PatientInnen weisen – entweder als Exazerbation bereits prächirurgisch vorliegender Störungen oder de novo psychiatrische Symptome auf. Die Identifikation von prädisponierten bzw. gefährdeten PatientInnen sowie medikamentöse und neue nichtmedikamentöse Therapieansätze (Hypnose, modifizierte Verhaltenstherapie) wurden vorgestellt.
„Hot Topic“ in einer ganzen Reihe von Symposien und Workshops war die Lokalisation der Anfallsursprungszone mittels klinischer Semiologie der Anfälle und immer besseren (funktionellen) neuroradiologischen Methoden mit der Intention, nicht mehr nur lokale Phänomene, sondern Netzwerke und Ausbreitungswege zu verstehen. Zusätzlich wurde wieder mehr Gewicht auf den Informationsgehalt des EEG, insbesondere auf die Wertigkeit hochfrequenter Oszillationen (HFO) als reliabler Biomarker zur Definition der epileptogenen Zone gelegt. Erste Ergebnisse und mögliche Fehler bei der Interpretation wurden ebenfalls diskutiert.
Medikamentöse Therapien: Erwähnenswert ist hier vor allem das FDA-Symposium über Äquivalenzdaten von Generika, in dem aktuelle Methoden, geplante Protokolländerungen (mit dem Ziel, strengere Bestimmungen einzuführen) diskutiert wurden.
Nichtmedikamentöse Therapien: Die Rolle mehrfach ungesättigter Fettsäuren bei der ketogenen Diät und rezente Neuerungen im Bereich Neurostimulation (erste Ergebnisse der Phase-II-Studien zur Stimulation des Nervus trigeminus sowie vielversprechende Daten zu Systemen mit integrierter Anfallsdetektion und -unterbrechung) wurden vorgestellt.
Rolle des Schlafes: Spezielle Symposien und Workshops widmeten sich der Rolle des Schlafes: diskutiert wurden neurophysiologische und neurochemische Grundlagen erhöhter Anfallsbereitschaft im Schlaf, die tageszeitliche Bindung von Anfällen als Hilfe bei der Syndromdiagnose, Möglichkeiten der Therapieoptimierung durch Anpassung der Medikamentengaben an zirkadiane Rhythmen und die Beseitigung von Schlafstörungen sowie die Auswirkungen kontinuierlicher Spike-Produktion im Schlaf auf Lernkapazität und Gedächtnis (insbesondere auch auf die Entwicklung von Kindern mit epileptischen Enzephalopathien).
Frauen und Epilepsie: Neben aktuellen Ergebnissen der Auswertung von Daten aus dem Schwangerschaftsregister und detaillierter Information über Kontrazeption und Gravidität wurde die Rolle von Ovarialhormonen für die neuronale Exzitabilität und Ergebnisse der NIH-geförderten randomisierten Multicenter- Studie zur adjuvanten zyklischen Progesterongabe bei Frauen mit therapieresistenten fokalen Epilepsien vorgestellt. Anfallsreduktion um > 50 % wurde bei der Mehrzahl der Frauen (vor allem bei jenen mit katamenialer Anfallshäufung) erreicht.
PatientInnen mit tuberöser Sklerose (TS): Konzepte für die antikonvulsive Prophylaxe von Säuglingen und Kleinkindern mit TS und die zunehmende Bedeutung von mTOR-Antagonisten (inklusive erster Wirksamkeitsdaten und Risiken) wurden vorgestellt.
Tumorinduzierte Epilepsien (TIE) treten bei 25–40 % der PatientInnen mit Neoplasien auf. Die Mechanismen der Epileptogenese sind hier nur teilweise geklärt. Unbekannt ist auch, in welchem Umfang diese Epilepsien auf konventionelle Antikonvulsiva ansprechen und welche Substanzen am besten wirken. Erste Ergebnisse und geplante Studien wurden vorgestellt und auf die dringende Notwendigkeit sowohl präklinischer als auch klinischer Studien hingewiesen.
Neonatale Epilepsien: Zunehmende Daten über den Einfluss der Erkrankung, aber auch einer Vielzahl von Medikamenten auf die Apoptose (Beschleunigung der physiologischen Apoptose bis hin zum Zelltod) als Ursache für die oft signifikanten Störungen der Entwicklung bei frühem Erkrankungsbeginn wurden präsentiert. Ein Kurs über die Durchführung von EEG-Monitoring an pädiatrischen Intensivstationen gab einen umfassenden Überblick über die zunehmende Literatur zu Thema. Studienergebnisse belegen den Wert in Hinblick auf frühe Anfallsdetektion (insbesondere nonkonvulsiver Anfälle) und damit auf die Therapieinitiierung sowie die Optimierung der Therapieüberwachung. Methoden zur quantitativen Auswertung der Daten wurden ebenfalls vorgestellt. Schließlich wurde assoziierten Therapiemaßnahmen, die der besseren psychosozialen Integration von PatientInnen mit Epilepsie (stützen bzw. erlernen von Coping-Strategien, Diagnostik und Behandlung kognitiver und psychischer Störungen …) breiter Raum gewidmet.