Highlights vom Movement-Disorders-Kongress 2012 in Dublin

Rolle der Genetik im Verständnis der Pathogenese des M. Parkinson

Im Bereich „basic research“ wurden neue genetische Daten und neue Erkenntnisse zur Rolle von α-Synuklein in Physiologie und Pathogenese des Morbus Parkinson vorgestellt. Besonders hervorzuheben ist der Vortrag von John Hardy, der im Rahmen der David Marsden Lecture über den Beitrag der Genetik zur Entschlüsselung der Biologie des M. Parkinson sprach.
Die Genetik hat in den letzten 15 Jahren wesentlich zum Verständnis der Pathogenese des Morbus Parkinson beigetragen. Eine Reihe von Genen sind mittlerweile als Hochrisikogene gesichert (α-Synuklein und LRRK2 für autosomal-dominanten Parkinson; Parkin, Pink1 und DJ1 für autosomal-rezessiven Parkinson). Neue Techniken haben die genetische Forschung zuletzt deutlich beschleunigt. Mit Hilfe des „exome sequencings“ wurde letztes Jahr VPS35 als weiteres Gen für autosomal-dominanten Parkinson identifiziert (PARK17). VPS35 ist mittlerweile in großen Populationen als Hochrisikogen bestätigt, scheint aber für weniger als 0,1 % der Parkinson-Fälle verantwortlich zu sein (eine genetische Untersuchung, die 8.750 PatientInnen und 8.995 Kontrollen einschloss)1. Insgesamt sind Hochrisikogene, die monogenen Parkinson verursachen, in den meisten Populationen für weniger als 5 % der Parkinson-Fälle verantwortlich. Entscheidend ist der Einblick, den sie uns in die Pathogenese auch des sporadischen M. Parkinson geben können.

Zahlreiche Parkinson-Gene spielen eine Rolle in der Funktion von Lysosomen und Mitochondrien. VPS35 ist in den Transport von Proteinen von Endosomen zu Lysosomen und damit in den lysosomalen Proteinabbau (Autophagie) involviert. Neuere Daten weisen darauf hin, dass auch LRRK2 relevant für die Autophagie sein dürfte. PARK9 = DYT12 (Kufor-Rakeb-Syndrom) ist ein autosomal-rezessiv vererbtes, rasch fortschreitendes Parkinson-Dystonie-Syndrom, das durch Mutationen im ATP13A2-Gen bedingt ist. Das Gen kodiert für eine lysosomale ATPase, die zur Kationenhomöostase beiträgt und vor Mangan- und α-Synuklein-Toxizität schützen könnte. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass heterozygote TrägerInnen für Glucocerebrosidase-Genmutationen (das Gen ist für den autosomal-rezessiv vererbten M. Gaucher verantwortlich) ein erhöhtes Parkinson-Risiko haben (20 % mit 70 Jahren!), ein weiterer Hinweis für die Rolle der lysosomalen Dysfunktion in der Pathogenese des M. Parkinson. Andere Parkinson-Gene (Parkin, Pink1, FBX07) sind in Funktion, Qualitätskontrolle und Abbau von Mitochondrien involviert.
α-Synuklein war das erste charakterisierte Parkinson-Gen. Während des Kongresses wurde eine neue Mutation im Gen (H50Q), die monogenen Parkinson auslösen kann, vorgestellt2. Die Tatsache, dass Duplikationen und – noch ausgeprägter – Triplikationen des α-Synuklein-Gens schwerer verlaufende Parkinson-Syndrome auslösen, weist auf die quantitative Bedeutung der α-Synuklein-Expression als Risikofaktor hin.

GWAS: Einen weiteren Fortschritt brachten genomweite Assoziationsstudien (GWAS), mit deren Hilfe mittlerweile 19 Niedrigrisikogene für sporadischen M. Parkinson identifiziert werden konnten. Als relevantestes Niedrigrisikogen zeigte sich in allen Studien α-Synuklein. Ein unerwartetes Ergebnis war, dass auch genetische Varianten im Tau-Gen in den meisten Studien mit M. Parkinson assoziiert sind. Dies ist allerdings in asiatischen Populationen nicht der Fall. Das Tau-Gen liegt in der kaukasischen Population in 2 hochkonservierten Haplotypen (H1, H2) vor. Der H2-Haplotyp ist durch eine Inversion von Abschnitten des Tau-Gens entstanden, findet sich bei 15 % der EuropäerInnen und wirkt stark protektiv gegen primäre Tauopathien wie die progressive supranukleäre Paralyse und neueren Untersuchungen nach auch gegen den M. Parkinson. Eine Hypothese war, dass dieser protektive Effekt ein Artefakt durch den fälschlichen Einschluss von PSP-PatientInnen in Parkinson-GWAS sein könnte. Eine am Kongress vorgestellte Studie fand diesen protektiven Effekt aber auch in einer GWAS von 385 PatientInnen mit post mortem bestätigtem M. Parkinson3.
Ein weiterer Niedrigrisiko-Lokus, der auf die Bedeutung entzündlicher Mechanismen in der Pathogenese des M. Parkinson hinweist, ist HLA-DRB5.
Untersuchungen am LRRK2-Gen zeigen, dass die Beziehung zwischen Gen und Krankheit komplex ist. Während manche Varianten (z. B. G2019S) monogenen Parkinson auslösen, wirken andere als Niedrigrisikogene und wieder andere protektiv gegen die Entwicklung eines M. Parkinson. Ein ungelöstes Problem mit genomweiten Assoziationsstudien ist, dass sie chromosomale Regionen mit erhöhtem Risiko identifizieren können. Eine Eingrenzung auf exakte Genorte und damit eine sichere Zuordnung zu betroffenen Genen ist aber nicht möglich.

Gen-Umwelt-Interaktion: John Hardy schätzt den Beitrag der Gene zur Entstehung des M. Parkinson folgendermaßen ein: LRRK2 2 %, andere mendelisch vererbte Hochrisikogene 2 %, Glucocerebrosidase-Mutationen 5 %, Niedrigrisikovarianten von α-Synuklein, Tau und HLA-DRB5 insgesamt 10 %, andere durch GWAS identifizierte Niedrigrisikogene 5 %. Seiner Einschätzung nach löst in den meisten Fällen eine komplexe Interaktion zwischen Umweltfaktoren und genetischem Hintergrund die Krankheit aus. Es könnte sich um einen stochastischen Prozess handeln, der in einer einzelnen Zelle beginnt und sich nach dem Prinzip des „permissive templating“ durch einen prionartigen Mechanismus von Zelle zu Zelle weiterverbreitet.

Rolle von α-Synuklein

Zur Biologie von α-Synuklein gab Robert Edwards, UCSF, einen interessanten Überblick mit Fokus auf der Rolle von α-Synuklein bei der Exozytose. Synukleine sind weitverbreitete neuronale Proteine, die in präsynaptischen Terminalen angereichert sind. α-Sy­nuklein-Knock-out-Mäuse sind normal, zeigen unter bestimmten Bedingungen aber eine verstärkte Dopaminfreisetzung aus nigrostriatalen Neuronen. Der Ausfall von α-Synuklein wird bei diesen Tieren möglicherweise durch β- und γ-Synuklein kompensiert. Triple-Knock-out-Mäuse (α-, β- und γ-Synu­klein) bieten einen Phänotyp mit altersabhängiger Störung der Axonmorphologie und vorzeitiger neuronaler Degeneration. Eine leichte Überexpression von α-Synuklein führt durch eine Störung des Recyclings präsynaptischer Vesikel zu einer reduzierten Transmitterfreisetzung. Rezente Studien zeigen, dass der N-Terminus von α-Synuklein schwach an Membranen bindet und zu einer Biegung dieser Membranen führt. Dieser Mechanismus dürfte relevant für Exo-und Endozytose sein und führt zu einer Umverteilung der Transmittervesikel im präsynaptischen Terminal.
α-Synuklein bindet auch an Mitochondrien. Überexpression führt zu einer Hemmung von Complex I. α-Synuklein-Oligomere führen zu einer DRP1-unabhängigen Fragmentation der Mitochondrien. Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Interaktion zwischen α-Sy­nuklein und Glucocerebrosidase (und damit von M. Parkinson und M. Gaucher). Untersuchungen mit induzierbaren pluripotenten Stammzellen zeigen, dass eine Reduktion der Glucocerebrosidase zu einer Störung des lysosomalen Proteinabbaus und einer Akkumulation von α-Synuklein führt. Kürzlich wurde gezeigt, dass akkumulierendes Glucocerebrosid α-Synuklein-Oligomere stabilisiert. Dies resultiert in der Bildung von fibrillärem α-Synuklein. α-Synuklein führt wiederum zu einer Störung des Vesikeltransports zwischen endoplasmatischem Retikulum und Golgi-Apparat. Dies ist der Haupttransportweg von Glucocerebrosidase in die Lysosomen. Der resultierende Glucocerebrosidase-Mangel führt wieder zu einer Störung des α-Synu­klein-Abbaus, ein Circulus vitiosus. Dieser könnte aber auch zu einem neuen Therapieansatz beim sporadischen M. Parkinson führen, nämlich eine Erhöhung der lysosomalen Glucocebrosidase-Aktivität. Parkin-Mutationen könnten die Akkumulation von α-Synuklein über eine Hemmung des Abbaus im Ubiquitin-Proteasom-System verstärken. Dieser Pathomechanismus ist allerdings weniger gesichert.

Lewy-Pathologie im transplantierten Gewebe: Untersuchungen an verstorbenen Parkinson-PatientInnen, die Transplantationen fetalen Mittelhirngewebes erhalten hatten, zeigen Lewy-Pathologie im transplantierten Gewebe. Ein Befund, der klar auf eine Übertragung der Parkinson-Pathologie auf das Transplantat hinweist. Eine Übertragung von überexprimiertem α-Synuklein von Zelle zu Zelle ist mittlerweile auch in Zellkulturen gelungen. Der Zell-zu-Zell-Transfer erfolgt möglicherweise über Vesikel (Exosomen), die über Endozytose in Nachbarzellen aufgenommen werden oder über sogenannte Nanotubes zwischen den Zellen. Das aus 140 Aminosäuren bestehende Protein liegt in Bufferlösungen unstrukturiert vor, nimmt – gebunden an Membranen – eine α-Helix-Struktur an und kann, wenn es in hoher Konzentration oder mutierter Form vorliegt, eine β-Faltblattstruktur annehmen. α-Synu­klein in Faltblattstruktur neigt zur Bildung von Oligomeren, die sich zu Fibrillen zusammensetzen und schließlich Lewy-Körperchen bilden. Spaltung durch Proteasen am C-Terminus und Phosphorylierung an Serin 129 fördert die Bildung von Oligomeren.
Welche Form von α-Synuklein tatsächlich toxisch ist, ist nicht ganz geklärt, am ehesten sind es die Oligomere. Missgefaltetes α-Synu­klein scheint jedenfalls zu einer Konformationsänderung von normalem α-Synuklein zu führen (das bereits angesprochene „permissive templating“), sodass der Prozess sich selbständig perpetuiert, wenn er einmal in Gang gesetzt ist. Der degenerative Prozess beginnt möglicherweise in den präsynaptischen Terminalen und breitet sich über retrograden Transport nach proximal aus („dying back“). Im Einklang mit der Braak’schen Hypothese einer gesetzmäßigen Ausbreitung der Parkinson-Pathologie vom Riechsystem und unteren Hirnstamm bis in den Kortex könnte die Krankheit durch eine Konformationsänderung von α-Synuklein im Riechsystem oder Darm (ausgelöst durch Keime oder ein Toxin) beginnen und sich nach proximal ausbreiten.

Parkinson-Medikamentenstudien

Prof. Werner Poewe stellte in der „Clinical Trials Session“ die relevanten Parkinson-Medikamentenstudien der letzten Zeit vor.

PD-Med: In der großen, pragmatischen PD-Med-Studie wurde der Effekt von L-Dopa mit L-Dopa-sparenden Therapien (Dopaminagonisten oder MAO-B-Hemmer) bei PatientInnen mit neu diagnostiziertem Parkinson verglichen. Die Untersuchung zeigt, nicht unerwartet, für L-Dopa einen etwas besseren motorischen Effekt, einen größeren Einfluss auf die Lebensqualität, aber mehr motorische Komplikationen. Auf den Langzeitverlauf der Erkrankung scheint die Wahl der initialen Monotherapie, unabhängig vom Patient­- Inn­enalter, kaum Einfluss zu nehmen (Patel, Late-breaking Abstract 32).

L-Dopa/Carbidopa-Gel: Die amerikanische Zulassungsstudie für intrajejunales L-Dopa/Carbidopa-Gel (Duodopa®) war erstmals am AAN-Kongress vorgestellt worden. In dieser doppelblinden 3-Monats-Studie wurden 71 PatientInnen mit zumindest 3 Stunden Off-Zeit in einem Double-Dummy-Design auf die intestinale Pumpentherapie bzw. auf ein optimiertes orales Therapieregime eingestellt. Die intestinale Pumpentherapie führte zu einer deutlicheren Abnahme der Off-Zeit und Zunahme der On-Zeit ohne störende Dyskinesien (Differenz: jeweils 2 Stunden) und zu einer deutlicheren Besserung der Lebensqualität4, 5. Damit ist der Effekt von intestinalem Duodopa® erstmals durch eine doppelblinde Studie von adäquater Größe belegt.

L-Dopa-Retardpräparate: Bisherige L-Dopa-Retardpräparate haben nicht die gesetzten Erwartungen erfüllt und sind allenfalls in der Therapie der nächtlichen Akinese hilfreich. IPX066 ist eine neue L-Dopa-Formulation. Einzeldosen führen für 5–6 Stunden zu therapeutischen Plasmaspiegeln. Eine Kurzzeit-Cross-over-Studie (ASCEND-PD)6 zeigt bei fluktuierenden PatientInnen unter IPX066 eine stärkere Reduktion der Off-Zeit als unter L-Dopa in Kombination mit dem COMT-Hemmer Entacapon. Dieser Effekt konnte mit dem L-Dopa-Retardpräparat mit weniger Einzeldosen über den Tag erreicht als mit L-Dopa/Entacapon.

Neue Applikationsformen: Gesucht wird auch nach völlig neuen Applikationsformen für Dopaminergika. In einer tierexperimentellen Studie konnten mittels kontinuierlicher subkutaner Verabreichung einer neuen löslichen Form von L-Dopa per Minipumpe über längere Zeiträume kontinuierliche Wirkspiegel erreicht werden. Eine Phase-I-Studie bei gesunden Personen mit diesem Pumpensystem ist im Gange7. Inhalatives Apomorphin wurde bereits in Phase-II-Studien getestet. Anflutung und Wirkdauer dürften mit subkutan verabreichtem Apomorphin vergleichbar sein.

Nichtdopaminerge Substanzen: Zur Wirkung von Adenosin-A2-Rezeptor-Antagonisten (A2A-Rezeptor-Antagonisten) liegen neue Studiendaten vor. A2A-Rezeptoren sind mit Dopamin-D2-Rezeptoren an striatopallidalen Neuronen des indirekten Regelkreises koexprimiert. Die Blockade von A2A-Rezeptoren führt analog zur Aktivierung von D2-Rezeptoren zu einer Verbesserung der Motorik. Bisherige Studien mit Istradefyllin ergaben inkonsistente Resultate. Eine rezente Phase-III-Studie ergab nun eine signifikante Besserung von Fluktuationen und Motorik unter Istradefyllin8. Erste positive Studiendaten liegen auch für den A2A-Antagonisten Preladenant vor.

Dyskinesien: Im Hinblick auf die Therapie von Dyskinesien erscheinen Antagonisten des metabotropen Glutamat-Rezeptors Typ 5 (mGlu5) zurzeit am vielversprechendsten. Für zwei mGlu5-Rezeptor-Antagonisten (AFQ056 und Dipralurant) wurden am Kongress positive Daten aus kleinen Studien vorgestellt9 (Tison, Late-breaking Abstract 18).

Parkinson-Depression: Zur Therapie der Parkinson-Depression liegen bislang wenige gute randomisierte Studien vor. Diese zeigen tendenziell ein besseres Ansprechen auf trizyklische Antidepressiva als auf Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Zusätzlich weisen Imaging-Studien auf die Bedeutung der noradrenergen Degeneration für die Parkinson-Depression hin. In der Praxis werden depressive Parkinson-PatientInnen wegen des günstigeren Nebenwirkungsprofils trotzdem meist mit SSRI behandelt. Eine jüngst publizierte 12-wöchige Studie verglich den antidepressiven Effekt von Paroxetin und Venlafaxin mit Placebo10. Paroxetin (mittlere Dosis 24 mg) und Venlafaxin (mittlere Dosis 121 mg) hatten einen vergleichbaren antidepressiven Effekt, der signifikant stärker war als die Placeboresponse. Venlafaxin wirkt unter dieser Dosis primär als SSRI. Die Motorik wurde durch die beiden Medikamente nicht beeinflusst. Der Effekt von SSRI auf die Parkinson-Depression ist damit gut belegt.

Tiefe Hirnstimulation

Prof. Günther Deuschl gab einen Überblick über aktuelle Studien zur tiefen Hirnstimulation und präsentierte erstmals Daten aus der „Early Stim“-Studie. In dieser deutsch-französischen Studie wurde der Effekt der Nucleus-subthalamicus-Stimulation bei Parkinson-PatientInnen mit erst seit Kurzem bes­tehenden motorischen Komplikationen untersucht. Gegenwärtig werden Parkinson-PatientInnen nach einer mittleren Krankheitsdauer von über 10 Jahren operiert. Eine kleine randomisierte Pilotstudie bei jungen, mild bis mäßig betroffenen Parkinson-PatientInnen mit kürzerer Krankheitsdauer wurde bereits 2007 publiziert11. In dieser Studie hatte die Subthalamicus-Stimulation im Gegensatz zur besten medikamentösen Therapie („best medical treatment“) zu einer Besserung der motorischen Komplikationen und der Lebensqualität geführt.
Das Design der wesentlich größeren „Early Stim“-Studie war ähnlich. PatientInnen mit einem M. Parkinson von zumindest 4 Jahren Dauer und seit maximal 3 Jahren bestehenden motorischen Fluktuationen und/oder Dyskinesien wurden randomisiert. Die PatientInnen mussten unter 60 Jahre sein und exzellent auf L-Dopa ansprechen (Besserung des UPDRS Motor Scores im L-Dopa Test ≥ 50 %). 124 PatientInnen erhielten eine Sub­thalamicus-Stimulation und „best medical treatment“, 127 PatientInnen nur „best medical treatment“, das nach einem genauen Algorithmus erfolgte, der alle medikamentösen Therapiemaßnahmen mit gutem Evidenzgrad umfasste. Hauptzielparameter war die Änderung der Lebensqualität (PDQ 39) gegenüber der Baseline.
Die beiden PatientInnengruppen waren gut gematcht. Das mittlere PatientInnenalter betrug in beiden Gruppen 52 Jahre, die mittlere Krankheitsdauer 7,5 Jahre und die mittlere L-Dopa-Äquivalenzdosis zu Beginn ca. 900 mg.
Die Subthalamicus-Stimulation führte zu einer signifikanten Besserung des PDQ-39 (um 27 %), während „best medical treatment“ zu keiner Änderung führte. Die Stimulation führte zu einer deutlichen Abnahme von Therapiekomplikationen (vor allem Fluktuationen und Dyskinesien), während sich diese unter „best medical treatment“ nicht änderten.
Schwere Nebenwirkungen traten bei operierten PatientInnen häufiger auf (besonders Wundheilungsstörungen, Hirnblutungen). Eine erhöhte Suizidalität war in beiden Behandlungsgruppen auffällig.
Die Resultate von „Early-Stim“ sind vergleichbar mit den Ergebnissen früherer randomisierter Studien zur Subthalamicus-Stimulation, die PatientInnen mit stärker fortgeschrittener Erkrankung einschlossen. Auch wenn die Daten noch unpubliziert sind, legen sie doch nahe, dass die Subthalamicus-Stimulation in der Behandlung von jungen Parkinson-PatientInnen mit erst seit Kurzem bestehenden motorischen Komplikationen der rein medikamentösen Therapie überlegen ist.
Den Vorteilen der Operation stehen die chirurgischen Komplikationen gegenüber, sodass in jedem Fall eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen sollte. Die in beiden Behandlungsgruppen erhöhte Suizidalität weist darauf hin, dass PatientInnen, die prinzipiell zur Operation bereit sind, ein Persönlichkeitsprofil haben dürften, das von der typischen Parkinson-Persönlichkeit abweicht. Dies unterstreicht, wie wichtig eine gute Kooperation des DBS-Teams unter Einschluss der Psychiatrie und die intensive Nachbetreuung der PatientInnen für den Erfolg der tiefen Hirnstimulation ist.

Subthalamicus- versus Globus-pallidus-Stimulation: Vorgestellt wurde auch eine neue niederländische Studie, die den Effekt von Subthalamicus- und Globus-pallidus-Stimulation beim M. Parkinson verglich12. Eine große, randomisierte US-amerikanische Studie („Veterans-Affairs-Studie“) hatte entgegen früheren nichtrandomisierten Studien keinen entscheidenden Unterschied in der Wirksamkeit und Nebenwirkungsrate von Subthalamicus- und Globus-pallidus-Stimulation gezeigt13. Diese Studie war wegen der hohen Rate an Nebenwirkungen und der relativ geringen motorischen Effektivität der Stimulation kritisiert worden.
Während des Kongresses wurden von Prof. Follet und Deuschl Nachanalysen der Daten der „Veterans-Affairs-Studie“ vorgestellt. Nach Follet ist das relativ geringe Ansprechen auf die Stimulation im medikamentösen „off“ durch die Intention-to-treat-Analyse bedingt. Die Analyse der PatientInnen, die nach 2 Jahren tatsächlich unter tiefer Hirnstimulation standen („completers“), ergab ein 35%iges Ansprechen, ein Ergebnis, das unwesentlich von anderen randomisierten Studien zur Subthalamicus-Stimulation abweicht. Nach Deuschl ist das Ergebnis der „Veterans-Affairs-Studie“ vor allem durch den Einschluss von PatientInnen mit schlechtem Ansprechen auf L-Dopa (20 % der eingeschlossenen PatientInnen!) erklärbar. Dies weist auf die Notwendigkeit einer sorgfältigen PatientInnenselektion für die Operation hin. Auch die neue niederländische Studie zeigt geringe Unterschiede zwischen Subthalamicus- und Pallidum-Stimulation12. Diese „Kurzzeit“-Ergebnisse (2- bzw. 1-Jahres-Daten) stehen im Gegensatz zu Daten aus nichtrandomisierten Studien mit z. T. längerem Follow-up, die auf einen stärkeren motorischen Effekt, aber auch auf ein etwas höheres neuropsychiatrisches Risiko der Subthalamicus-Stimulation hinweisen.

Gang-, Gleichgewichtsstörungen und Stürze: Ein Aspekt, auf den Follet in seiner Präsentation besonders hinwies, sind Gang-, Gleichgewichtsstörungen und Stürze als Nebenwirkung von Parkinson-chirurgischen Eingriffen. Die Rate an postoperativen Stürzen war in der „Veterans Affairs Studie“ wesentlich höher als in vergleichbaren früheren Studien13. Eine Metaanalyse von Langzeitstudien zur Subthalamicus- und Globus-pallidus-Stimulation zeigte, dass die tiefe Hirnstimulation Gang und Haltungsinstabilität im Gruppendurchschnitt verbesserte. Unter Subthalamicus-Stimulation klang dieser Effekt über einen Zeitraum von 2 Jahren ab, während er unter Globus-pallidus-Stimulation stabil blieb14.
Dieselbe Arbeitsgruppe stellte unlängst eine experimentelle Arbeit vor, in der die Haltungsstabilität von 24 Subthalamicus- bzw. Globus-pallidus-PatientInnen verglichen wur­de15. Das Einschalten der Stimulation führte bei beiden Gruppen zu einer Besserung der Haltungsstabilität. In der Subthalamicus-Gruppe führte jedoch der operative Effekt selbst zu einer Verschlechterung der Haltungsstabilität, der durch die Stimulation nicht wettgemacht werden konnte15. Die postoperative Verschlechterung von Gang und Gleichgewicht ist wie die postoperativ häufig reduzierte Wortflüssigkeit möglicherweise durch den chirurgischen Eingriff (Mikroläsionen) und nicht durch die Stimulation erklärbar15. Im Rahmen der Diskussion favorisierte Follet den Globus pallidus als Target für Parkinson-PatientInnen mit milder kognitiver Einschränkung und präexistenten Balance-Problemen.

Update paroxysmale Dyskinesien

Diese seltenen Störungen sind durch wiederkehrende kurze Episoden mit choreatischen oder dystonen Bewegungen oder eine Kombination verschiedener Hyperkinesien charakterisiert. Die (autosomal-dominant) erblichen Formen treten im Verlauf der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter auf. Wichtige ursächliche Gene wurden unlängst charakterisiert. Doz. Susanne Schneider, Lübeck, bot im Rahmen eines Videoseminars einen exzellenten Überblick zum Thema. Drei Formen von paroxysmalen Dyskinesien werden unterschieden: paroxysmale kinesigene Dyskinesien (PKD), paroxysmale nichtkinesigene Dyskinesien (PNKD) und paroxysmale anstrengungsinduzierte Dyskinesien („Exercise“-Dyskinesien, PED).

Paroxysmale kinesigene Dyskinesien werden durch plötzliche Bewegungen, z. B. rasches Aufstehen, getriggert und dauern sehr kurz an, typischerweise Sekunden. Den Attacken gehen bei vielen PatientInnen auraartige Parästhesien voran. Die Attacken sind häufiger auf Muskelgruppen oder eine Körperseite beschränkt, können aber auch generalisiert auftreten. Bei Beteiligung der kranialen Muskulatur kann eine Dysarthrie auftreten. Eine Bewusstseinsstörung besteht nicht. Die PatientInnen können 20 und mehr Attacken täglich haben. Die Attackenfrequenz erreicht ihr Maximum meist in der Pubertät und nimmt danach ab. PKD sprechen meist auf Antiepileptika mit Carbamazepin als Mittel der ersten Wahl an. Azetazolamid ist eine weitere Option, vor allem bei sekundären PKD durch demyelinisierende Läsionen.
Die paroxysmale Natur der Bewegungsstörung und das Ansprechen auf Antiepileptika sprechen für die Zuordnung der PKD zu den Epilepsien, das Oberflächen-EEG ist in der Regel aber unauffällig. In manchen Familien treten jedoch gleichzeitig PKD und benigne infantile Epilepsien auf (ICCA-Syndrom, RE-PED-WC-Syndrom). Kürzlich wurden von mehreren Arbeitsgruppen Mutationen im PRRT2 („proline-rich transmembrane protein 2“) als eine Ursache der PKD und der assoziierten benignen infantilen Epilepsie (nun als BFIC2 klassifiziert) beschrieben. PRRT2 ist ein in den Basalganglien stark exprimiertes Protein, dessen Funktionsverlust zu neuronaler Hyperexzitabilität führt16.

Paroxysmale nichtkinesigene Dyskinesien treten seltener auf (oft nur wenige Attacken pro Jahr), haben aber eine längere Dauer (10 Minuten bis zu viele Stunden). Sie werden durch Alkohol, Rauchen und emotionale Situationen getriggert, können aber auch spontan auftreten. Die Attacken beginnen in der Regel fokal und breiten sich aus oder generalisieren. Eine Dysarthrie kann auftreten, nicht jedoch eine Bewusstseinsstörung. Das Oberflächen-EEG ist normal, Tiefenableitung zeigen jedoch Entladungsserien im Nucleus caudatus. Das verantwortliche Gen MR-1 („myofibrillogenesis regulator“) wurde vor einigen Jahren charakterisiert. Ein Homolog des Gens ist in die Detoxifizierung von Methylglyoxal, das in Kaffee und alkoholischen Getränken vorkommt und bei oxidativem Stress entsteht. PatientInnen sollten die Trigger Stress, Kaffee und Alkohol meiden. Fast alle PatientInnen sprechen auf Clonazepam an. Sekundäre Formen, z. B. nach Insult, sprechen mitunter auf Botulinumtoxin an17.

Paroxysmale anstrengungsinduzierte Dyskinesien (PED) treten meist nach längerer körperlicher Aktivität auf. Typisch sind dystone Verkrampfungen eines Fußes oder eine Hemidystonie, die Minuten bis zu 2 Stunden anhalten. Die Frequenz der Attacken hängt von der körperlichen Aktivität ab. PED können kombiniert mit Migräne, passageren Hemiparesen oder Epilepsien auftreten. Als ein verantwortliches Gen wurde SLC2A1 identifiziert, das für einen Glukosetransporter (GLUT1) kodiert, der für die Aufnahme von Glukose in Erythrozyten und über die Blut-Hirn-Schranke verantwortlich ist. PatientInnen mit PED haben eine Restfunktion des GLUT1. Wie PatientInnen mit schwerer GLUT1-Defizienz können PatientInnen mit hereditärer PED auf ketogene Diät ansprechen17. Im Erwachsenenalter auftretende PED sind dagegen meist ein Frühsymptom des M. Parkinson.

Abschließend für Weitreisende der Hinweis auf den nächsten Movement-Disorders-Kongress: Dieser wird vom 16. bis 20. Juni 2013 in Sydney stattfinden. Rückblickend auf Buenos Aires und Dublin ist für den nächsten Kongress von unveränderten klimatischen Bedingungen und einem spannenden wissenschaftlichen Programm auszugehen.

 

1 Sharma M, Multi-centered clinico-genetic analysis of VPS35 gene in Parkinson’s disease. Mov Disord 2012; 27(Suppl 1):S469 (Poster 1431).
2 Appel-Cresswell S et al., Alpha-synuclein H50Q, a novel pathogenic mutation for Parkinson’s disease. Mov Disord 2012; 27(Suppl 1):S447 (Poster 1360).
3 Charlesworth G et al., First stage association analysis of neuropatholically proven PD confirms MAPT as an independent risk factor for PD. Mov Disord 2012; 27(Suppl 1):S450 (Poster 1370).
4 Olanow W et al., Randomized, double-blind, double-dummy study of continuous infusion of levodopa-carbidopa intestinal gel in patients with advanced Parkinson’s disease: Efficacy and safety. Mov Disord 2012; 27(Suppl 1):S131 (Poster 411).
5 Kieburtz K et al., Randomized, phase 3, double-blind, double-dummy study of levodopa-carbidopa intestinal gel in patients with advanced Parkinson’s disease: Functional and quality-of-life outcomes. Mov Disord 2012; 27(Suppl 1):S124 (Poster 385).
6 Stocchi F et al., Randomized Comparison of IPX066, a novel investigational carbidopalevodopa (CD-LD) extended-release formulation, and CD-LD-entacapone (CLE) in advanced Parkinson’s disease (ASCEND-PD trial). Mov Disord 2012; 27(Suppl 1):S140 (Poster 437).
7 Yacoby-Zeevi O, LeWitt PA, Maintenance of constant steady state therapeutic plasma concentrations of levodopa following its continuous subcutaneous administration with carbidopa. Mov Disord 2012; 27(Suppl 1):S139 (Poster 140).
8 Mizuno Y, Kondo T, Clinical efficacy of istradefylline (KW-6002) in Parkinson’s disease: A phase III, randomized, double-blind, placebocontrolled study. Mov Disord 2012; 27 (Suppl 1):S129 (Poster 403).
9 Kumar R et al., A 6-week, double-blind, multicenter RCT in Parkinson’s disease patients to explore the efficacy and safety of AFQ056 when combined with increased doses of L-dopa. Mov Disord 2012; 27(Suppl 1):S126 (Poster 392).
10 Richard IH et al., A randomized, double-blind, placebo-controlled trial of antidepressants in Parkinson disease. Neurology 2012; 78:1229–36.
11 Schüpbach WM, Maltête D, Houeto JL et al., Neuro­surgery at an earlier stage of Parkinson disease: a randomized, controlled trial. Neurology 2007; 68:267–271.
12 Odekerken et al., Randomized multicenter trial comparing bilateral subthalamic nucleus DBS and bilateral globus pallidus internus DBS for advanced Parkinson’s disease (NSTAPS). Mov Disord 2012; 27(Suppl 1):S165 (Poster 515).
13 Follett KA, Weaver FM, Stern M et al., Pallidal versus subthalamic deep-brain stimulation for Parkinson’s disease. N Engl J Med 2010; 362:2077–2091.
14 St George RJ, Nutt JG, Burchiel KJ, Horak FB, A meta-regression of the long-term effects of deep brain stimulation on balance and gait in PD. Neurology 2010; 75:1292–9.
15 St George RJ, Carlson-Kuhta P, Burchiel KJ, Hogarth P, Frank N, Horak FB, The effects of subthalamic and pallidal deep brain stimulation on postural responses in patients with Parkinson disease. J Neurosurg 2012; 116:1347–56.
16 Bhatia KP, Schneider SA, Identification of PRRT2 as causative gene of paroxysmal kinesigenic dyskinesia. Mov Disord 2012; 27:707.
17 Bhatia KP, Paroxysmal dyskinesias. Mov Disord 2011; 26:1157–1165.