Neue Ansätze in der Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen in der Neurologie

Die Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen im Rahmen neurologischer Erkrankungen sprengt in weiten Bereichen den Standard von Schlafuntersuchungen in einem Routineschlaflabor mit z. B. dem Schwerpunkt in der Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen. Neben einer erweiterten polygrafischen Ganznachtschlaf­untersuchung mit zusätzlichen EEG-Ableitungen sind, in Abhängigkeit von der vermuteten Grunderkrankung, auch weitere EMG-Ableitungen sowie der Einsatz einer hochauflösenden Videometrie erforderlich. Insbesondere bei der Diagnostik und Therapieverlaufskontrolle von Bewegungsstörungen im Schlaf sind selbst die seit 2007 geltenden aufwendigen AASM-Kriterien zur Durchführung einer Polysomnografie (PSG) nicht ausreichend und bedürfen einer Ergänzung.

PSG in der RBD-Diagnostik: Das Impulsreferat von Birgit Frauscher „Die Bedeutung der Polysomnographie in der Diagnostik der REM-Schlaf Verhaltensstörung (RBD)“ widmete sich dieser Problematik. Bei der RBD handelt es sich um eine Parasomnie des REM-Schlafes, deren Signatur das Fehlen der physiologisch vorhandenen Muskelatonie während des REM-Schlafes darstellt. Die derzeit gültigen Diagnosekriterien umfassen neben einer RBD-spezifischen Anamnese oder Nachweis von RBD-typischen Verhaltensweisen im Video, den Nachweis von REM-Schlaf ohne Atonie mit Vorliegen von REM-Schlaf-bezogener exzessiver motorischer Aktivität in den EMG-Kanälen (Abb.). Eine quantitative Angabe, wie viel motorische Aktivität „exzessiv“ umfasst bzw. welche Muskeln oder Kombinationen von Muskeln am besten zur Detektion der RBD geeignet sind, ist nicht angegeben.
Die Beantwortung dieser grundlegenden Fragen war Ziel mehrerer Studien der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie gemeinsam mit dem Hospital Clínic de Barcelona. Die AutorInnen konnten zeigen, dass sich der Gehalt an motorischer Aktivität deutlich von Muskel zu Muskel unterscheidet, wobei der M. mentalis den höchsten Gehalt an phasischer EMG-Aktivität nachweist. Eine videokorrelierte Folgestudie erbrachte, dass bei Registrierung des M. mentalis 35 % der motorischen Ereignisse im Video nicht erfasst werden, während eine Ergänzung um jeweils einen Muskel der oberen und unteren Ex­tremitäten 95 % der Bewegungen erfasst. Dies ist von großer praktischer Relevanz, weil selbst bei PatientInnen mit schwerer RBD violente Verhaltensweisen nur die Spitze des Eisbergs darstellen und die Majorität der Bewegungen sich aus kleineren Bewegungen zusammensetzt.
Eine weitere Studie, die 9 verschiedene Muskeln (Kinn, obere und untere Extremitäten) während des REM-Schlafes an 30 RBD-PatientInnen im Vergleich zu 30 Kontrollen analysierte, wurde zur Bestimmung von quantitativen Cut-off-Werten zur Differenzierung zwischen RBD und Kontrollen durchgeführt. Die Studie ergab, dass sich RBD-PatientInnen im Gehalt von EMG-Aktivität in allen untersuchten Muskeln von Kontrollen unterscheiden, wobei der M. mentalis und M. flexor digitorum superficialis an der oberen Extremität die höchste Sensitivität und Spezifität zur RBD-Identifikation zeigten. Der EMG-Cut-off für diese Montage, welche von den AutorInnen für die Diagnostik der RBD empfohlen wird, beträgt 32 % (Spezifität 100 %, AUC 0,998).

 

 

Die Objektivierung von Tages­schläfrig­ keit/-müdigkeit ist ebenfalls eine Fragestellung, die im Rahmen eines neurologischen Schlaflabors immer mehr an Bedeutung gewinnt. Auch hier sind der Einsatz von Mehrkanal-EEG-Ableitungen mit den Optionen einer quantitativen Online-EEG-Analyse und zeitsynchroner digitaler Videometrie von zunehmender Bedeutung. Über neue Wege und ambulante Möglichkeiten bei der Objektivierung von Vigilanzschwankungen mittels tragbarer EEG-Geräte mit zeitsynchroner Videometrie berichtete Gerhard Klösch in seinem Referat „Unfallrisiko Schlaf: Probleme beim nächtlichen Autofahren“ (siehe neurologisch 4/2011).

Nichtmedikamentöse Therapieansätze: Neben der Diagnostik von Schlafstörungen ist im Setting einer neurologischen Schlafdiagnostik auch die Planung und Initiierung einer effizienten Therapie unumgänglich. Welche „Ansätze bei der nichtmedikamentösen Therapie von Schlafstörungen“ hier in Frage kommen, darüber berichtete Doris Moser. Dabei wurde insbesondere auf die Darstellung und Wirksamkeit von verhaltenstherapeutischen Therapiemöglichkeiten bei Ein- und Durchschlafstörungen eingegangen. Zentrale Bestandteile dieser Behandlung sind u. a. die Wissensvermittlung über den Umgang mit dem Schlaf sowie die Vermittlung von schlafhygienischen Maßnahmen. Wei­teres spielt das Erlernen von speziellen Entspannungsverfahren, wie z. B. progressive Muskelentspannung, autogenes Training und Biofeedback eine zentrale Rolle. Schlafstörende Faktoren (dysfunktionale Gedanken) sollen durch die Anwendung spezieller kognitiver Techniken verändert werden. Ziel des nichtmedikamentösen Therapieansatzes ist, sowohl das Symptom Schlaflosigkeit als auch die zugrunde liegenden Ursachen effektiv zu behandeln.