Bei 50–70 % der PatientInnen mit essenziellem Tremor wird eine Tremorreduktion durch Alkohol vermutet. Nur wenige Studien haben bisher den Effekt von Alkohol auf essenziellen Tremor und Parkinson-Tremor untersucht. Bisher liegen keine Daten zur Wirkung von Alkohol auf andere Tremorsyndrome vor. Dennoch gilt eine Besserung des Tremors nach Alkoholkonsum – meist rein anamnestisch erhoben – als positives, unterstützendes Diagnosekriterium für essenziellen Tremor. Ziel dieser Studie1 war es, zu untersuchen, ob subjektives Ansprechen auf Alkohol ein Unterscheidungsmerkmal verschiedener Tremorsyndrome darstellt.
Methoden: Wir rekrutierten 100 konsekutive TremorpatientInnen (50 Männer, 50 Frauen) mit Tremor der oberen Extremitäten und einer klinisch gesicherten Tremordiagnose. Neben einer neurologischen Untersuchung wurden mittels eines Fragebogens demographische Daten, Alkoholtrinkgewohnheiten sowie der Effekt von Alkohol auf Tremor erhoben. Zur statistischen Auswertung wurden einerseits alle Gruppen, andererseits 5 übergeordnete Gruppen (1. essenzieller Tremor, 2. Morbus Parkinson, 3. dystoner Tremor, 4. Tremor assoziiert mit Dystonie, 5. alle anderen) sowie 4 übergeordnete Gruppen (1. essenzieller Tremor, 2. Morbus Parkinson, 3. dystoner Tremor und Tremor assoziiert mit Dystonie, 4. alle anderen) und 2 übergeordnete Gruppen (1. essenzieller Tremor, 2. alle anderen) verglichen.
Ergebnisse: Die PatientInnen hatten folgende Diagnosen: Morbus Parkinson (n = 44), essenzieller Tremor (n = 22), Tremor assoziiert mit Dystonie (n = 15), dystoner Tremor (n = 5), verstärkter physiologischer Tremor (n = 5), atypisches Parkinson-Syndrom (n = 4), Klinefelter-Syndrom (n = 2), funktioneller Tremor (n = 2) und Fragiles-X-Tremor-Ataxie-Syndrom (n = 1).
77/100 PatientInnen konsumierten Alkohol (durchschnittlich 5,6 ± 6,7 Einheiten/Woche). Von diesen 77 PatientInnen hatten 23 keinen Alkoholeffekt, 26 berichteten über eine Tremorbesserung und 28 hatten noch nie darauf geachtet (Abb.).
Die 26 PatientInnen mit Benefit unter Alkohol schätzten die Verbesserung des Tremors auf 52 ± 23 % für eine Dauer von 3,3 ± 2,8 Stunden nach durchschnittlichem Genuss von 3,7 ± 2,4 Einheiten Alkohol. Nur 8 PatientInnen berichteten über ein Rebound-Phänomen und nur 5 PatientInnen gaben an, Alkohol zumindest gelegentlich aufgrund seines tremorlindernden Effekts zu trinken. Es fand sich kein signifikanter Gruppenunterschied bezüglich sämtlicher erhobener Parameter.
Schlussfolgerung: Unsere Daten weisen darauf hin, dass die anamnestisch erhobene subjektive Tremorbesserung auf Alkohol nicht zwischen verschiedenen Tremorsyndromen unterscheiden kann und somit wahrscheinlich nicht als unterstützendes Diagnosekriterium für den essenziellen Tremor geeignet ist. Zur Bestätigung unserer Ergebnisse planen wir den Einschluss einer größeren PatientInnenkohorte sowie auch deren Untersuchung mittels objektiver Alkoholtests.