Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

als Schwerpunkt für diese Ausgabe wurde das Thema „Rückenschmerz“ gewählt. Bis zu 80 % aller Personen sind im Laufe ihres Lebens einmal von Rückenbeschwerden betroffen, diese sind zudem einer der Hauptgründe für Krankenstände und Pensionierungen, sodass dadurch enorme volkswirtschaftliche Kosten entstehen, welche die Wichtigkeit dieser Volkskrankheit widerspiegeln. Umso mehr freut es mich heute, Ihnen mit dieser Ausgabe eine umfassende Abhandlung über diese Thematik liefern zu können.
In meinem Teil behandle ich sowohl die Evaluierung von Rückenschmerzen als auch mögliche Therapieoptionen. Essenziell erscheint dabei, spezifische von unspezifischen Kreuzschmerzen unterscheiden zu können. Die sogenannten „red flags“ bieten uns diesbezüglich eine gute Hilfe. Hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs werden Kreuzschmerzen in akute, subakute oder chronische Beschwerden eingeteilt. Zeigen sich die Beschwerden bei einem Patienten/einer Patientin nicht in einem begrenzten Zeitraum rückläufig, so sollte besonderes Augenmerk auf eine eventuell drohende Chronifizierung gelegt werden. Dahingehend können uns die sogenannten „yellow flags“ weiterhelfen. Weitere Tools stehen uns in Form der sogenannten „blue flags“ und „black flags“ zur Verfügung, beide behandeln die Auswirkungen der Erkrankung auf den Arbeitsplatz des Patienten/der Patientin. Bei 4/5 aller Rückenschmerzen handelt es sich um unspezifische Kreuzschmerzen, bei denen zunächst keine bestimmte somatische Schmerzursache fassbar ist. Spezifische Rückenschmerzen sind selten, sollten aber keinesfalls übersehen werden. Wirklich gefährliche Erkrankungen umfassen lediglich 1 % des gesamten Krankheitsrepertoires, letztlich sind es aber genau diese PatientInnen, die möglichst frühzeitig einer adäquaten Diagnostik und Therapie zugeführt werden müssen. Gerade bei diesen PatientInnen sind wir gefordert; deren Behandlung scheint mir eine Domäne des Faches Neurologie zu sein, da dieses umfassende Kenntnisse in der Diagnostik und Differenzialdiagnostik liefern kann.
Univ.-Prof. Dr. Quasthoff gibt einen exzellenten Überblick über die radikulären Rückenschmerzsyndrome. Diese bedürfen als Teil der „red flags“ einer weiteren Abklärung. So gilt es z. B. kompressive von entzündlichen Radikulopathien zu unterscheiden.
Der Beitrag von Prim. Univ.-Prof. Dr. Kapeller befasst sich dann mit dem Thema „Bildgebung und Rückenschmerz“. Hinsichtlich der Klinik diskrepante Befunde sind keine Seltenheit; sowohl die Vermeidung einer Überbefundung als auch einer Überinterpretation erscheinen im klinischen Alltag von ganz wesentlicher Bedeutung. Dahingehend grundlegende Kenntnisse sollte jeder Neurologe/jede Neurologin haben.
Interventionelle Therapiemöglichkeiten werden im Weiteren von Prim. Dr. Pauly und seinem Team dargestellt. Auch wenn die Datenlage nicht überzeugt, so lehrt uns doch die Erfahrung, dass mit infiltrativen Techniken auch bei zuvor therapieresistenten Beschwerden immer wieder eine Besserung derselbigen erzielt werden kann. Teils können diese Methoden auch gezielt über das Tool von diagnostischen Blocks in der erweiterten Abklärung eingesetzt werden.
Prim. Dr. Kubik liefert uns dann mit seinem Beitrag einen hervorragenden Überblick über die Möglichkeiten der Schmerztherapie bei chronischen RückenschmerzpatientInnen. Gerade in diesem Bereich finden sich besonders viele Pitfalls. Die Therapie ist multimodal und umfasst neben einer Pharmakotherapie auch die Physiotherapie, Verhaltenstherapie und interventionelle Verfahren. Vorrangiges Ziel ist nicht nur eine Schmerzreduktion, sondern auch eine Verbesserung der Funktion. Dies führt meistens zu einer Steigerung der Lebensqualität im Alltag und erhöht u. a. die Wahrscheinlichkeit, dass PatientInnen wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können. Derartige multimodale Ansätze erscheinen sehr zeitintensiv (100–150 h/4–6 Wochen), dennoch können die gewünschten Erfolge nur bei Therapien in diesem Ausmaß erzielt werden. Letztlich bleibt leider zu sagen, dass in Österreich nur wenige Einrichtungen vorhanden sind, die Derartiges anbieten können, während in Deutschland bereits viele, auch ambulante Zentren etabliert sind.
Zum Schluss möchte ich mich bei allen Beteiligten herzlichst für ihre Mitarbeit und die Einsendung der qualitativ hervorragenden Arbeiten bedanken und wünsche Ihnen, liebe LeserInnen, eine spannende Lektüre!

Ihr

Nenad Mitrovic