Liebe Leserinnen und Leser!
In der Neurologie wissen wir, dass der Weg vom Symptom über die Diagnose hin zur Therapie mit einer präzisen Anamnese und klinischen Untersuchung beginnt. Das Verständnis der Pathophysiologie und die exakte neurologisch-topische Zuordnung eines Symptoms sind dabei entscheidend für die Diagnosefindung.
Eine ähnliche Herangehensweise kommt auch in der Neuroonkologie zur Anwendung. Durch die enormen Entwicklungen auf dem Gebiet der Molekulargenetik wird es immer wichtiger, nicht nur histologische Diagnosen und Standardtherapieprotokolle inklusive deren assoziierter Toxizitäten zu kennen. Durch den Einsatz zielgerichteter personalisierter molekularer Therapien und neuer Immuntherapiekonzepte ist heute für Neuroonkologinnen und Neuroonkologen ein interdisziplinärer Austausch mit benachbarten Fachdisziplinen essenziell geworden. Um moderne und innovative Verfahren zur Datenanalyse im Bereich der Molekularbiologie und translationalen neuroonkologischen Bildgebung wie etwa MRT und nuklearmedizinische Methoden zu verstehen und richtig anzuwenden, sind heute auch Kenntnisse in Molekularpathologie, Onkologie, Radiologie, Nuklearmedizin und Biostatistik erforderlich. Nur mit diesem „integrierten“ Wissen kann man den/die neuroonkologische/n PatientIn adäquat betreuen, die neuesten Entwicklungen verstehen und zur Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Ansätze beitragen. Durch die Einführung des Moduls „Neuroonkologie“ im Rahmen der Facharztausbildung ist nun ein wichtiger Schritt getan, jungen Neurologinnen und Neurologen dieses Wissen zu vermitteln. Zusätzlich ist die ARGE Neuroonkologie der ÖGN bemüht, das Themenspektrum der Neuroonkologie in Form regelmäßiger Fortbildungsveranstaltungen anzubieten und attraktiv zu gestalten.
Es freut mich, dass in dieser Ausgabe eben Platz für jene „Interdisziplinarität“ gefunden wurde. Univ.-Prof. Dr. Claudius Thomé beleuchtet mit seinen Mitarbeitern Dr. Johannes Kerschbaumer und Priv.-Doz. Dr. Christian Freyschlag die neurochirurgischen neuroonkologischen Gesichtspunkte. Assoc. Prof. Dr. Bernard Baumann und Dr. Thomas Rötzer zeigen in beeindruckender Weise, wie technische Neuerungen die Befundung in der Neuropathologie verbessern können. Natürlich dürfen auch „State of the Art“-Beiträge nicht fehlen: Dr. Tadeja Urbanic-Purkart gibt ein Update zum therapeutischen Management maligner Gliome, Dr. Sarah Iglseder und ich berichten über das diagnostische Management maligner Gliome sowie Dr. Bernadette Calabek über neurologische Symptomkontrolle maligner Gliome. Priv.-Doz. Dr. Markus Hutterer gibt einen Überblick über Palliativmedizin in der Neuroonkologie, und gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer sowie Dr. Heidi Wöhrer erörtern wir die Frage, ob die Zeit für ein molekulares Tumorboard in der Neuroonkologie reif ist. Von Univ.-Prof. Dr. Stefan Oberndorfer gibt es zudem eine Einführung in das Modul „NeuroOnkologie“ für die Facharztausbildung, welches unter Mithilfe der ARGE Neuroonkologie der ÖGN strukturiert wurde.
Ich hoffe, mit dieser Ausgabe Ihr Interesse für die Neuroonkologie geweckt zu haben und dass der neurologische Leitspruch „vom Symptom … zur Diagnose … zur Therapie“ auch Ihnen beim Lesen dieser Artikel als Wegweiser dienen mag.
In diesem Sinne wünsche ich eine spannende Lektüre!