„Hat ein Bürger dieser Erde beschlossen, dass er etwas werde, so wird er, was zwar selten ist, zuweilen auch Anästhesist“ [1]
Wie das zu rezensierende Werk wird auch diese Rezension mit einem Einstieg in die Annalen der Geschichte der Anästhesie beginnen: Am 30. März 1842 wird die erste Äthernarkose (für Rigoristen auch „Diethylether-Narkose“) durch Crawford Williamson Long durchgeführt. Dieser Tag sollte auch weiterhin als Doctor’s Day jährlich zelebriert werden.
Wenige Jahre später, am 16. Oktober 1846, wird die erste öffentliche Äthernarkose von William Thomas Green Morton im Massachusetts General Hospital in Boston ausgeführt. Mit dem 16. Oktober 1846 (auch „Ether Day“) verfügt die moderne Anästhesie über ein offizielles Geburtsdatum. Dass der Patient zwar stöhnte und angab nach der Operation Schmerzen verspürt zu haben, sei nur nebenbei zu diskursieren. Überliefert ist Warrens Kommentar nach Beendigung der Operation: „Gentlemen, this is no humbug!“ [2]
Für historisch Interessierte finden sich weitere Meilensteine der Geschichte, welche Anästhesisten zu dem machten, was sie heutzutage sind, nämlich „Ärzte mit besonderen Fähigkeiten, die sich sich dadurch auszeichnen, dass sie allen anderen Ärzten überlegen sind und im OP als einziger keine sterilen Handschuhe trägt was dazu führt, dass sie während der OP auch alles anfassen können, was sie wollen zum Beispiel Kaffeetassen oder die OP-Schwester“. [3] Dass Anästhesisten im Vergleich zu Chirurgen körperlich schwächer und scheinbar trotz der vielen Sudokus sowie Kreuzworträtsel auch in Sachen Intelligenz nicht das Wasser reichen können, wird hier nur am Rande erwähnt.[4]
„No Humbug“ ist auch dieses durchaus gelungene Kurzlehrbuch. Mit wenigen Worten werden die wichtigsten Inhalte schnell, einfach und einprägsam vermittelt. Das im Vorwort kommunizierte selbstauferlegte Ziel der Herausgeber ist es, Überinformation zu vermeiden und Studenten oder Anästhesie-Interessierten einen Überblick über die wichtigsten Themen der Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie zu geben.
Zielgruppe sind ganz klar Studenten, welche schon ein gewisses Grundverständnis der Physiologie sowie Pharmakologie besitzen. Studenten, welche ein anstehendes Praktikum auf einer Intensivstation der im OP haben und sich schnell einen Überblick verschaffen wollen, ohne sich in Details und unstrukturierte Folien von Seiten der Uni zu verlieren.
Ganz im Stile der mittlerweile 34 Bücher umfassenden BASICS-Reihe von Elsevier gliedert sich das Buch in zwei Teile: Im allgemeinen Teil wird das Wichtigste aus der Physiologie – hier vor allem Atmung, Säure-Basen-Haushalt, Hämostase sowie Schmerz – und der Pharmakologie sowie technische Grundlagen der wichtigsten Monitoring-Systeme rekapituliert. Im speziellen Teil werden diese Grundlagen dann auf die wichtigsten Themen in der Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie angewandt. Die Qualität der einzelnen Kapitel schwankt etwas. Sehr gut zusammengefasst sind beispielsweise die wichtigsten Hypnotika, wodurch man nicht durch unwichtigere und selten verwendete Substanzen den ersten Überblick verliert. „First things first“ lautet die erklärte Devise. Keine seitenlangen Abhandlungen sind zu erwarten, sondern wirklich nur jene Fakten, die man wirklich im Alltagsbetrieb zu beachten hat. Hingegen wird das Säure-Basen-Kapitel oder die Schmerztherapie leider viel zu knapp abgehandelt.
Im zweiten Abschnitt werden die einzelnen Tätigkeiten und Besonderheiten im Alltag der Anästhesie und Intensivmedizin beleuchtet. In dieses Kapitel fallen unter anderem die präoperative Visite, Anästhesie bei Kindern, Schwangeren und älteren Menschen und Untersuchung des Intensivpatienten, um nur ein paar Beispiele zu geben. Ein kurzer Abschnitt mit Flussdiagrammen (z.B. „Vorgehen bei Tachykardie“, „Extubationsfähigkeit nach Allgemeinanästhesie“, „Ablaufschema RSI beim Erwachsenen“ „PONV Prophylaxe“) schließt das Buch ab und fasst nochmal die wichtigsten Schritte anästhesiologischen Handelns zusammen.
Die Aufteilung ist durchaus gelungen. In der Regel wird ein Thema jeweils auf einer Doppelseite mit Bildern, Grafiken und einer Zusammenfassung am Ende behandelt. Die Seiten sind sehr übersichtlich gestaltet; der Text ist simpel, gut verständlich geschrieben und wird durch Tabellen, Bilder und einer kleinen Zusammenfassung am Ende des Themenkomplexes aufgelockert. Dieser Aufbau ermöglicht eine schnelle Vor- und Nachbereitung des Stoffes. Durch eine Lerneinheit pro Seite wirkt der Stoff nicht so erdrückend und eignet sich daher gut für die schnelle Prüfungsvorbereitung. Statt wie in manchen anderen BASICS-Ausgaben gibt es nach dem speziellen Teil keine Fallbeispiele, sondern sogenannte Flussdiagramme (s.o.).
Das Buch ist für seine Zielgruppe, der Studenten, welche sich gerne einen Überblick über dieses große Fach verschaffen wollen, perfekt geeignet. Studenten, welche beispielsweise gerade das Tertial Anästhesie- und Intensivmedizin beginnen, oder eine Famulatur in diesem Fach anstehen haben. Sämtliche Grundlagen sind ausreichend erklärt, durchaus sind auch Informationen und Hinweise praktischer Natur (Tipps, Tricks, häufige Abkürzungen, etc.) gegeben. Keine langen Listen sind zu finden, sondern genau jene Sachverhalte erklärt, die praktisch relevant sind, die man etwa auch vom motivierten Ausbildungsassistenten oder auch Oberarzt während einer länger andauernden Operation aus Langeweile gefragt wird.
Was man sich nicht erwarten darf, ist eine große Unterstützung beim Lernen für die SIP: Auf dieses Detailwissen ist dieses Buch nicht ausgelegt, jedoch ist das auch nicht sein erklärtes Ziel. Hier bedient man sich besser eines „großen“ Lehrbuches (etwa den „Larsen“ als das Standardwerk im deutschsprachigen Raum) oder Wikipedia. Fürs SIP-lernen spielt das Tertialbuch von Hamp sowieso in einer eigenen Liga.
Wenn man etwas Grundlagenwissen in Physio und Pharma besitzt und keine Ahnung von Anästhesie und Intensivmedizin hat und sich schnell vor einem Praktikum einen systematischen Überblick über das Fach verschaffen möchte, ist dieses Buch sehr zu empfehlen. Mit 20 Euro liegt der Preis sehr gut im studentischen Budget. Für seinen Zweck wirklich empfehlenswert, da das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.
Broschiert: 156 Seiten
Verlag: Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH; Auflage: 2 (11. März 2011)
ISBN: 978-3437423475
Größe: 29,6 x 21,2 x 1 cm
Für Interessierte wir oben erwähnt eine kleine Aufstellung der wichtigsten Errungenschaften der Anästhesie, die das Fach erst zu dem machten, welches es heute ist:[5]
Literaturverzeichnis