Den Klimawandel in die Ausbildung integrieren

Seit jeher beeinflussen Wetter und Klima die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen, jedoch verstärkt der Klimawandel dies markant. Meldungen wie „Der Sommer 2024 war neben dem Sommer 2003 der heißeste Sommer in der 258-jährigen Messgeschichte Österreichs“ (GeoSphere Austria, 2024) oder „Für einen großen Teil des Landes gibt es für die kommenden Tage eine Starkregenwarnung. Gewarnt wird vor Hochwasser, Sturm und Schneebruch“ (ORF, 2024) prägen unsere Medien deutlich stärker als noch vor einigen Jahrzehnten. Auch die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels rücken zunehmend in die öffentliche Wahrnehmung. Insbesondere die Hitzewellen der letzten Jahre haben deutlich gezeigt, wie sehr klimatische Veränderungen den menschlichen Organismus belasten und sowohl das Wohlbefinden als auch die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.

Neue Herausforderungen besonders für Ältere

Von diesen zum Teil dramatischen Veränderungen sind alle Menschen betroffen, manche aber deutlich stärker, denn umweltbezogene, institutionelle, soziale und individuelle Rahmenbedingungen haben einen Einfluss auf das Ausmaß der gesundheitlichen Auswirkungen wie auch auf die Anpassungsfähigkeit der Betroffenen.
Insbesondere ältere Menschen, vor allem Hochbetagte, zählen zu jener Bevölkerungsgruppe, die überproportional betroffen ist. Einerseits reagieren sie besonders sensibel auf Hitze, Luftverschmutzung und klimabezogene Krankheiten1, andererseits sind sie u. a. durch eingeschränkte Mobilität, soziale Isolierung, Bettlägerigkeit, Pflegebedürftigkeit, gesundheitliche Beeinträchtigungen und Medikamenteneinnahme besonders gefährdet.2 Dies führt auch zu neuen bzw. verstärkt auftretenden Herausforderungen in der medizinischen Versorgung von älteren Menschen. Einige Beispiele zur Illustration, wie sich der Klimawandel auf deren individueller Ebene auswirken kann: Extrem hohe Temperaturen tagsüber, aber auch die fehlende nächtliche Abkühlung belasten den Organismus zusätzlich und können bestehende Gesundheitszustände (z. B. kardiovaskuläre Erkrankungen, Nephropathie) verstärken.
Auch die Aufnahme und Wirkung von Arzneistoffen (z. B. Diuretika, Neuroleptika3) oder die Heilung chronischer Wunden werden beeinflusst. Aufgrund von extremen Niederschlägen oder Stürmen sind unter Umständen Straßen nicht befahrbar, was bedeutet, dass Menschen mit Pflegebedarf mitunter nicht erreicht werden können (z. B. Hauskrankenpflege), oder Patient:innen können umgekehrt nicht zu ihren Untersuchungen oder Therapien (z.B. Dialyse) kommen. Gleichzeitig sollten bei Anpassungsmaßnahmen stets Aspekte des Klimaschutzes integrativ mitberücksichtigt werden, damit sie nicht zu Fehlanpassungen führen.

Klimakompetenz als Bringschuld für Gesundheitsberufe

Durch diese teilweise neu auftretenden Herausforderungen ist u. a. auch der Bereich der Geriatrie verstärkt gefordert. Laut WHO (2023)4 haben Angehörige der Gesundheitsberufe eine zentrale Rolle inne, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen trotz Klimawandels zu fördern und zu schützen. Nicht zu vergessen ist dabei, dass in den Gesundheitsberufen Tätige hierbei nicht nur auf ihrer individuellen Ebene, sondern auch auf ihrer beruflichen Ebene gefordert sind. Zusätzlich setzt die Bevölkerung diesbezüglich Erwartungen in ihre Ansprechpersonen in Gesundheitsfragen. Laut einer aktuellen Befragung der österreichischen Wohnbevölkerung ab 16 Jahren ist es rund zwei Dritteln der Befragten (62,8 %) wichtig bzw. sehr wichtig, dass ihre Ansprechpersonen in Gesundheitsfragen (z. B. Hausärzt:in, Apotheker:in, Hauskrankenpfleger:in etc.) gut über die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels Bescheid wissen. Insbesondere in der Altersgruppe der über 65-Jährigen ist dieser Aspekt drei von vier Befragten (77,1%) (sehr) wichtig.5

Als integraler Bestandteil der Aus- und Fortbildung gefordert

Um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu begegnen, braucht es laut WHO einen systematischen Aufbau und die Erweiterung von Kompetenzen bei Angehörigen der Gesundheitsberufe, und dazu sind adäquate Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote zu entwickeln. Auch in der „Österreichischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel“ ist die „Stärkung der gesundheitsbezogenen Klimakompetenz aller im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich tätigen Personen und von Multiplikator:innen im Umgang mit klimarelevanten Gesundheitsthemen“ als Handlungsempfehlung formuliert.6 Das Themengebiet Klimawandel und die vielfältigen Auswirkungen – und somit die Klimakompetenz – sollte zunehmend ein integraler Bestandteil in der Aus-, Fort- oder Weiterbildung von Gesundheitsberufen werden. Dazu braucht es gemeinsame Anstrengungen.

„Handbuch zur Stärkung der Klimakompetenz in den Gesundheitsberufen“: Die Abteilung Klimaresilienz und One Health der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) unterstützt im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) Universitäten, Fachhochschulen oder Schulen dabei. Als Grundlage für die Entwicklung neuer bzw. zum Abgleichen bestehender Curricula in der Aus-, Weiter- und Fortbildung von Gesundheitsberufen wurde das „Handbuch zur Stärkung der Klimakompetenz in den Gesundheitsberufen“7 im Frühjahr 2024 vorgestellt.
Das Handbuch ist als Überblick hinsichtlich Klimakompetenz für alle 35 Gesundheitsberufe gedacht. Im nächsten Schritt sind alle Gesundheitsberufe wie auch Fachgebiete innerhalb der Berufsgruppen gefragt, die für sie relevanten und speziellen Anforderungen an die Klimakompetenz auszuformulieren und in ihren Aus-, Weiter- und Fortbildungen zu integrieren.

Klimagerontologie: Bereits 2014 wurde in der Gerontologie von Haq und Gutman8 die Subdisziplin Klimagerontologie als Wissenschaftsdisziplin, die sich mit Belastungs- und Bewältigungsfaktoren älterer Menschen in Zeiten des Klimawandels beschäftigt, vorgeschlagen. Darüber hinaus gilt es, pflegende Angehörige ebenfalls zu befähigen, mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen und alltagstaugliche Strategien zu entwickeln, etwa in der Lagerung von hitzeempfindlichen Medikamenten.

Resümee

Der Klimawandel gehört zu den größten Herausforderungen unserer Zeit und wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Er beeinflusst und verändert den Alltag von uns allen. Im Jahr 2024 zeigten Extremwetterereignisse wie Hitzewellen oder Starkregen und damit verbundene Überflutungen die verschiedenen Facetten des Klimawandels und deren Brisanz für das Gesundheitssystem eindrücklich auf. Dabei sind klimakompetente Gesundheitsberufe wichtige Gamechanger hinsichtlich Prävention, aber auch im Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere bei der Versorgung von besonders vulnerablen Gruppen wie ältere Menschen. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels und des demografischen Wandels steht das Gesundheitssystem, insbesondere die Geriatrie, vor neuen und komplexen Herausforderungen.

Gesundheitsbezogene Klimakompeten
Die gesundheitsbezogene Klimakompetenz beschreibt die Fähigkeiten einer Person:

  • die wesentlichen Prinzipien des Klimasystems der Erde zu verstehen und um den Einfluss des eigenen Verhaltens auf das Klima bzw. den Einfluss des Klimas auf einen selbst zu wissen,
  • die direkten und indirekten Zusammenhänge zwischen Klima und Gesundheit zu erkennen,
  • wissenschaftlich fundierte Informationen zu diesem Thema zu finden, zu verstehen, zu bewerten und zu kommunizieren,
  • informierte und verantwortungsvolle Entscheidungen für sich und andere treffen zu können, die einerseits die Gesundheit fördern und erhalten sowie andererseits das Klima schützen, und
  • informierte und verantwortungsvolle Entscheidungen für sich und andere treffen zu können, um mit den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels umgehen zu können.

Eine Person, die über eine ausreichende gesundheitsbezogene Klimakompetenz verfügt, weiß und versteht demnach, welchen Einfluss das eigene Verhalten oder Gesundheitseinrichtungen auf das Klima haben und welchen Einfluss das Klima auf einen selbst, auf Gesundheitseinrichtungen, das Ökosystem und in weiterer Folge auf die Gesellschaft – insbesondere im Bereich der physischen, psychischen und sozialen Gesundheit – hat.

Nach: Brugger et al., 20247