Es ist 5 nach 12. Neue Ausbildungsstellen schaffen, jetzt!

nextdoc erreichte ein anonymer Brief einer fertigen Medizinstudentin. Sie beschreibt ihre Sicht auf die derzeitige Situation für Jungmediziner:innen – von der Suche nach einer Basisausbildungsstelle bis zur Frage, ob es noch verwunderlich ist, dass sich Jungmediziner:innen im Ausland nach einer Ausbildungsstelle umzusehen.

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Das Plädoyer der fertigen Medizinstudentin

„Ich bin seit Juli 2023 mit meinem Medizinstudium fertig und derzeit auf der Suche nach einer Basisausbildungsstelle. In Wien erfolgt die Anmeldung dafür beim WiGeV, dem größten Krankenanstaltenverbund in Wien, per Warteliste. Hier kann man Präferenzen angeben, wo man gerne arbeiten würde. Danach fängt das monatelange Warten an. Man wird schließlich angerufen und gefragt, ob man in einem gewissen Spital zu arbeiten anfangen möchte. Sollte die Antwort nein sein, folgt meist erneut ein monatelanges Warten.

Wieso aber nicht einfach eine Stelle annehmen, wenn doch in Wien die örtliche Nähe aller Spitäler gegeben ist?

Nach neun Monaten in der Basisausbildung muss verpflichtend eine andere Stelle angetreten werden, für diese bekommt man am Anfang der Basisausbildung allerdings noch keinen Vertrag. Das heißt, es erfolgt ein erneutes Bewerbungsprocedere. Will man die Ausbildung zum/zur Fachärzt:in machen, zählt in Österreich das „Vitamin B“. Ohne zusätzlich auf der Abteilung bzw. in dem Haus vorher schon tätig gewesen zu sein, hat man so gut wie keine Chance.

Sprich, man sollte bereits während des Studiums ein Praktikum an dem Haus auf der Abteilung absolviert haben, um dann am besten in dem Krankenhaus die Basisausbildung absolvieren, um dann möglicherweise später einmal die Ausbildung zum/zur Fachärzt:in an diesem Spital absolvieren zu können. Dazu kommt, dass natürlich nicht alle Häuser alle Fächer anbieten können. Wie soll man sich so früh für das Fach entscheiden, das man dann bis zur Pension ausüben soll, wenn man doch nicht einmal alle Fächer im Rahmen der Ausbildung kennengerlernt hat? Und eine so frühe Entscheidung für das Krankenhaus? Spielt doch die private Situation auch eine schwer planbare Rolle, wo man später einmal wohnen wird. Weiters sollte man am besten in dem gewünschten Bereich wissenschaftlich tätig gewesen sein. Ohne Vorerfahrung auf dem Gebiet, in dem man die Ausbildung eigentlich erst antreten möchte, wird einem die Stelle so gut wie nie vergeben.

Ausbildungsstellen sind begrenzt, die Bewerber:innenanzahl enorm

Noch dazu dauert die Ausbildung zum/zur Fachärzt:in nach Absolvierung der Basisausbildung weitere 5,25 Jahre. Das heißt, sollte eine Stelle knapp vor der Beendigung der eigenen Basisausbildung neu besetzt werden, müssen Jahre gewartet werden! Viele Bewerber:innen starten deshalb mit der Ausbildung zum/ zur Allgemeinmediziner:in, während sie auf ihre Ausbildungsstelle zum/zur Fachärzt:in warten. Dies ist aber nur als Überbrückung gedacht, da viele dieses Fach nicht anstreben. So durchlaufen viele Jungärzt:innen nur einen Teil dieser Ausbildung, bevor sie nach etlichen Jahren die gewünschte Assistenzarztstelle antreten können.

 

Hier findet sich folgendes Problem: Die Ausbildungsstellen zur Allgemeinmediziner:in sind somit oft von Ärzt:innen besetzt, die später nicht als Allgemeinmediziner:in tätig werden wollen. So ergibt sich auch hier eine Wartezeit (wenn auch meist eine kürzere als für die Facharztausbildung) – es können Allgemeinmediziner:innen erst nach einer „Stehzeit“ ausgebildet werden, obwohl diese gerade in der Primärversorgung so wichtig sind!

Prinzipiell bin ich auch bereit, die Basisausbildung in einem anderen Bundesland zu absolvieren und für neun Monate Freunde, Familie und Partner sehr selten zu sehen. Danach allerdings würde ich gerne wieder in die Nähe meiner jetzigen Heimat zurückkehren oder zumindest in Pendeldistanz wohnen können. Allerdings wird es mit dem Weggang in ein anderes Bundesland noch unwahrscheinlicher, die Ausbildungsstelle für das gewünschte Fach zu bekommen, wenn man nicht mehr in der Nähe wohnt, um sich regelmäßig in Erinnerung rufen und mögliche Extraaufgaben wie z.B. Forschungstätigkeit ausüben zu können, um schlussendlich die Stelle zu bekommen.

Es mangelt nicht an Medizinabsolvent:innen, sondern an Ausbildungsstellen für Jungmediziner:innen

Hier gibt es zwei Probleme:

1) In manchen Spitälern gibt es einfach zu wenige Ausbildungsstellen. Der jeweilige Krankenanstaltenverbund kann oder will das Geld nicht aufbringen, diesen Platz zu schaffen. Ein Ausbildungsplatz mehr = ein Gehalt mehr zu zahlen.

2) Liest man sich die Stellenausschreibungen durch, werden meist Fachärzt:innen gesucht. Viele erfahrene Fachärzt:innen beschließen, das Spital hinter sich zu lassen, die Arbeitsbedingungen und Entlohnung sind unattraktiv im Vergleich zur eigenen Ordination. Gibt es keine Fachärzt:innen in den Spitälern, können keine Jungmediziner:innen ausgebildet werden.

Das Geld fließt im Moment definitiv in falsche Baustellen!

Wir brauchen keinen Neubau zur Zentralisierung, Zusammenlegung von vielen Spitälern in eines, keine neuen Gesundheitszentren. Wer soll diese Stellen dort besetzen, wenn sie bis jetzt nicht besetzt waren? Das Geld muss in die Menschen, Schaffung von neuen Ausbildungsplätzen, nicht in die Verschiebung des Problems von einem Gebäude in ein neueres investiert werden!

Wenn in meinem gesamten Heimatbezirk kein Hautarzt/keine Hautärztin mehr ansässig ist, ausgenommen Wahlärzt:innen und in Wien 49 Bewerber:innen auf eine Hautarztausbildungsstelle kommen, stimmt es wohl nicht, dass es an der Bereitwilligkeit von Jungärzt:innen scheitert, im ländlichen Bereich zu arbeiten! Es liegt vielmehr daran, dass sie erst gar nicht die Chance haben, zum/zur Hautärzt:in ausgebildet werden können!

Ergo: Steigt jetzt eventuell das Verständnis dafür, sich im Ausland nach einer Ausbildungsstelle umzusehen?

Ich fordere die Politik zur Schaffung neuer Ausbildungsstellen auf! Es ist 5 nach 12 für das österreichische Gesundheitssystem. Nur ist das denen, die an den Hebeln sitzen, die mit ihrem Politikergehalt problemlos Wahlärzt:innen aufsuchen können und keinen einzigen Tag im Gesundheitswesen tätig waren, nicht bewusst.“