Wie häufig treten schwerwiegende kutane Reaktionen auf Antibiotika auf?
Diese große Studie aus Kanada an Patienten ab 66 Jahren ergab, dass alle häufig verschriebenen oralen Antibiotika im Vergleich zu Makroliden mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende kutane Arzneimittelreaktionen (cutaneous drug reactions – cADRs) verbunden waren; allerdings führten nur wenige dieser Reaktionen zu einem Krankenhausaufenthalt und eine noch geringere Anzahl waren echte Notfälle (SJS/TEN).
Antibiotika mit Bedacht auswählen
Es handelte sich um eine bevölkerungsbasierte Kontrollstudie über einen Zeitraum von 20 Jahren in Ontario, Kanada. Die Forscher verwendeten zwei verschiedene Datenbankquellen, um Fälle zu identifizieren: 1) alle verschreibungspflichtigen Medikamente, die an Patienten im Alter von 66 Jahren und älter verabreicht wurden, und 2) die nationale Datenbank für Notaufnahmen. Sie identifizierten Fälle von Patienten, die wegen cADRs vorstellig wurden und in den 60 Tagen zuvor ein Antibiotikum verschrieben bekommen hatten. Diese Patienten wurden mit vier Kontrollpersonen aus derselben Kohorte verglichen, die ebenfalls innerhalb von 60 Tagen Antibiotika verschrieben bekamen, aber keine cADR entwickelten. Ausgeschlossen wurden Patienten, die am ersten Tag der Antibiotikaeinnahme eine Reaktion zeigten, Patienten, die andere Medikamente einnahmen, die häufig Arzneimittelreaktionen verursachen (Antikonvulsiva, Allopurinol usw.), und Patienten, die in den letzten 90 Tagen im Krankenhaus behandelt wurden. Das Hauptergebnis waren schwerwiegende cADR, die zu einem Notaufnahme- oder Krankenhausaufenthalt führten.
Über 3,2 Millionen Patienten erfüllten die Einschlusskriterien für die Studie, wobei 21.758 Notaufnahmen oder Krankenhausaufenthalte identifiziert wurden. Die mediane Latenzzeit zwischen Verschreibungsbeginn und Reaktion betrug 14 Tage und die mediane Verschreibungsdauer 7 Tage.
Makrolidantibiotika wurden als Referenzgruppe verwendet, da sie selten Hautreaktionen verursachen. Sulfonamide waren die Antibiotikaklasse, die im Vergleich zu Makroliden am stärksten mit schwerwiegenden cADRs in Verbindung gebracht wurde (aOR 2,9, 95 % KI 2,7–3,1). Alle anderen Antibiotikaklassen waren ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende cADRs im Vergleich zu Makroliden verbunden, darunter Cephalosporine, Penicilline, Nitrofurantoin und Fluorchinolone. Während des Studienzeitraums wurden 2.852 Patienten aufgrund einer schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkung ins Krankenhaus eingeliefert, aber nur bei 50 wurde ausdrücklich ein SJS/TEN diagnostiziert. Im Studienzeitraum gab es etwa 2,12 Notaufnahmen pro 1000 Verschreibungen.
Wie wird sich dies auf die Praxis auswirken?
Man geht nicht davon aus, dass sich dies wesentlich auf den klinischen Alltag auswirken wird. Diese Studie scheint zwar zu belegen, dass Makrolidantibiotika das geringste Risiko für Nebenwirkungen aufweisen, doch auch diese Medikamentenklasse hat ihre Nachteile (QT-Verlängerung, aufkommende Resistenzen). Das Gesamtrisiko für einen Notfall aufgrund einer echten Arzneimittelreaktion war in dieser Studie sehr gering.
Referenz:
Oral Antibiotics and Risk of Serious Cutaneous Adverse Drug Reactions. JAMA. 2024 Sep 3;332(9):730-737. doi: 10.1001/jama.2024.11437. PMID: 39115856; PMCID: PMC11310841.
Wirkt topisches Diclofenac bei akuten Kreuzschmerzen?
In dieser randomisierten Doppelblindstudie, in der topisches Diclofenac mit oralem Ibuprofen und topischem Diclofenac + oralem Ibuprofen bei Patienten mit akuten, nicht traumatischen muskuloskelettalen Schmerzen im unteren Rückenbereich (ohne radikuläre Ausstrehlung) verglichen wurde, die zu einer Verschlechterung des Funktionsstatus im Roland Morris Disability Questionnaire (RMDQ) führten.
Die Patienten wurden nur dann in diese Studie aufgenommen, wenn sie die oben genannten spezifischen Auswahlkriterien erfüllten und im RMDQ eine Punktzahl von 5 oder mehr erreichten. Leider führte dies dazu, dass von den ursprünglich ausgewählten 3083 Patienten nur 198 in die Studie aufgenommen wurden, mit einem medianen RMDQ-Ausgangswert von 18. Nach 2 und 7 Tagen wurde der RMDQ erneut bewertet, wobei eine Verbesserung um 5 Punkte als klinisch signifikant angesehen wurde. Von dieser Gruppe hatte sich der RMDQ in der Ibuprofen-Gruppe + topischem Placebo um 10,1 (95 % KI 7,5–12,7), in der Diclofenac-Gel-Gruppe + oralem Placebo um 6,4 (95 % KI 4,0–8,8) und die Ibuprofen + Diclofenac-Gel-Gruppe um 8,7 (95 % KI 6,3–11,1).
Diese Studie wies mehrere Einschränkungen auf. Wie oben zu sehen ist, wurden viele Patienten, die üblicherweise in der Notaufnahme behandelt werden, ausgeschlossen. Dazu gehörten Patienten mit radikulären Schmerzen, chronischen Rückenschmerzen und Patienten, die täglich Schmerzmittel einnahmen, was bedeutet, dass diese Studie nur einen kleinen Teil der Notaufnahme-Patienten repräsentiert. Eine weitere Einschränkung bestand darin, dass der RMDQ zwar nach sieben Tagen als Sekundäranalyse gemessen wurde, aber nur ein Vorrat an Medikamenten für zwei Tage verschrieben wurde. Es gab auch keinen echten Placebo-Arm, sodass die Schlussfolgerung, dass topisches Diclofenac überhaupt nicht wirksam ist, nicht gezogen werden kann.
Die Studie war leider nicht umfassend genug, um topische NSAR vollständig aus der Praxis zu verbannen.
Referenz:
Topical Diclofenac Versus Oral Ibuprofen Versus Diclofenac + Ibuprofen for Emergency Department Patients With Acute Low Back Pain: A Randomized Study. Ann Emerg Med. 2024 Jun;83(6):542-551. doi: 10.1016/j.annemergmed.2024.01.037. Epub 2024 Mar 2. PMID: 38441515