Dr. Adela Polickova
Oberärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin
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An der Tatsache, dass Frauen Kinder zur Welt bringen und damit in die Familiengründung deutlich stärker involviert sind als Männer, wird sich nichts ändern. Mit einer großen Portion Planung und Organisation ist aber dennoch Karriere – im Spital oder mit der eigenen Praxis – möglich.
Viele Beispiele zeigen, dass Ärztin und Mutter zu sein gut funktionieren kann. Die Pionierin in der Präventivmedizin Elizabeth Blackwell war Mutter, die Gründerin der Deutschen Krebshilfe Mildred Scheel ebenso, natürlich auch Maria Montessori und die erste österreichische Ärztin Rosa Kerschbaumer-Pujata. In der jüngeren Zeit würden die Beispiele jeden Rahmen sprengen. Dennoch gilt es nach wie vor als kleiner oder größerer Kraftakt, Kinder und ärztliche Karriere unter einen Hut zu bringen.
Die Frage, die sich zudem stellt, ist, ob eher die Karriere im Krankenhaus oder jene in einer niedergelassenen Praxis dem Muttersein entgegenkommt. Frauen, die es wissen müssen, haben erzählt, wie der Spagat klappen kann. Dr. Adela Polickova ist alleinerziehende Mutter eines siebenjährigen Sohnes und Oberärztin in der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin. „Job und Kind unter einen Hut zu bekommen, ist von Anfang an ein Thema, mit dem man sich auseinandersetzen muss“, so Polickova. „Der Kindergarten startete um 7 Uhr früh, ich habe einen Weg von 45 Minuten zur Arbeit. Eine der wichtigsten Maßnahmen für mich war, dass ich eine halbe Stunde später im Krankenhaus beginnen darf und dafür am Nachmittag eine halbe Stunde später aufhöre – so sind die Öffnungszeiten das kleinere Problem für mich.“ Anpassungen sind jedenfalls notwendig, denn ohne Entgegenkommen der Vorgesetzten stellt bereits die tägliche Routine ein Problem dar.
Dr. Sabrina Lentsch ist Notärztin im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt, hilft regelmäßig in einer Ordination aus und ist außerdem Mutter von Kindern im Alter von sieben, elf und 18 Jahren. „Als Notärztin arbeite ich 25 Stunden im Spital. Mit den Ordinationsdiensten komme ich auf gut 40 Wochenstunden“, so Lentsch. Ob es langfristig die Facharztausbildung im Krankenhaus oder die Allgemeinmedizin im niedergelassenen Bereich wird, steht noch nicht fest. „Sicher war für mich aber immer, dass an erster Stelle die Kinder kommen und erst dann die Karriere“, so die junge Ärztin. Die Einteilung der Dienste ist für Lentsch relativ einfach und die Ordivertretungen macht sie, wenn möglich, nur vormittags. So bleibt viel Nachmittagszeit für die Kinder. Auch sie setzt auf ein gutes familiäres Netzwerk, flexible Großeltern und vor allem auch einen flexiblen Ehemann.
Schwieriger sind natürlich unregelmäßige berufliche Einsätze wie Wochenend- und Nachtdienste oder auch, wenn die Fremdbetreuung des Kindes nicht gegeben ist. Polickova hat dafür zur Unterstützung ein dichtes Netzwerk: „Meine Eltern unterstützen mich bei Nacht- und Wochenenddiensten oder wenn mein Sohn zum Beispiel krank wird. Dabei ist es wichtig, nicht nur einen Ersatz im Ärmel zu haben, sondern wenn möglich mehr. Auch Eltern können nicht immer spontan einspringen.“ Die ersten Kindergartenjahre mit unzähligen Erkrankungen sorgten daher für einen hohen Organisationsbedarf.
Ob es als Mutter in einem Spital oder in der eigenen Praxis leichter ist, sei schwer zu sagen, findet die junge Anästhesistin. „Für mich gab es nie ein anderes Thema als das Spital“, so Polickova. „Vielleicht wäre der niedergelassene Bereich einfacher, aber er kommt für mich nicht infrage. Grundsätzlich bin ich sicher, dass alles Vor- und Nachteile hat und alles machbar ist.“ Während im Krankenhaus die monatlich unterschiedlichen Dienste eine Herausforderung sein können, bedarf es für eine eigene Praxis oft hoher Investitionen. Die fehlende Regelmäßigkeit im Spital ist für einen geregelten Tagesrhythmus schwierig, andererseits sind Ärzte mit eigener Praxis oft viele Stunden über die Ordinationszeiten hinaus „im Dienst“.
Lentsch hat die Idee der eigenen Praxis nach wie vor im Kopf, aber sich noch nicht entschieden. „Ich fühle mich von meiner Chefin verstanden und selbst unregelmäßige Dienste stellen kein Problem, sondern nur eine Hürde dar. Bei kranken Kindern Pflegeurlaub zu nehmen wird nicht hinterfragt. Eine gut gehende, bestens etablierte Ordination ist mit schulpflichtigen Kindern möglicherweise dennoch leichter zu schupfen“, überlegt die Notärztin. Andererseits stecke hinter einer Praxis jede Menge Arbeit hinter den Kulissen, auch samt Nachtdiensten und Wochenendbereitschaften. „Der Aufbau einer Praxis ist sicher schwierig, da klappt das Spital besser.“ Vielleicht wäre deshalb eine Gemeinschaftspraxis eine gute Idee. „Letztlich ist entscheidend, wie alt die Kinder sind – davon hängt sicherlich ab, wie gut sich was managen lässt“, so Lentsch.
„In Wien sperren manche Kindergärten schon um 6 Uhr in der Früh auf“, erzählt Polickova. „Das macht einen großen Unterschied.“ Am Land mache sich mitunter ein gewisses Schuldgefühl breit, wenn man bei Öffnungszeiten von 7 bis 17 Uhr früh komme und das Kind spät abhole. Dass das Familienmanagement am Land schwieriger ist als in der Stadt bestätigt auch Lentsch: „In der Stadt ist Fremdbetreuung viel selbstverständlicher als auf dem Land. Auch bei langen Betreuungszeiten plagt einen nicht gleich das schlechte Gewissen. Hätte ich kein Netzwerk oder wäre alleinerziehend, dann wäre das auch für mich eine Option.“
In Summe sind die relevanten Faktoren ein verständnisvoller und entgegenkommender Vorgesetzter, ein gelebter Teamgedanke, das Alter der Kinder und ein dichtes Netzwerk von Familie und Freunden. Vorausplanung und eine gut durchdachte Organisation sorgen dafür, dass Kind und Karriere machbar ist – ob nun alleinerziehend oder mit Partner, im Krankenhaus oder in der eigenen Praxis.
Redaktion: Renate Haiden