Keine Einigkeit über Maßnahmen gegen Ärztemangel

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Österreich steuert auf einen Ärztemangel zu. Bei den Hausärzten ist dieser Zustand bereits manifest. In ländlichen Regionen fehlten  Gynäkologen und Pädiater. In den kommenden Jahren steht eine Pensionierungswelle bevor, die die Situation noch verschärfen wird.

Landeshauptleute wollen mehr Studienplätze 

In Österreich gibt es momentan eine kontroverse Debatte darüber, was gegen den Ärztemangel unternommen werden kann. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) fordert, die Anzahl der Studienplätze zu verdoppeln. Die Ärztekammer hält diesen Vorschlag für nicht zielführend und setzt auf die Verbesserung der Ausbildungsqualität im Medizinstudium. Es müsse sich besser um junge Ärztinnen und Ärzte gekümmert werden sowie mehr Zeit für deren Ausbildung zur Verfügung stehen, so Harald Mayer, Vizepräsident der Ärztekammer.

Meduni Wien Rektor will Beruf attraktiver machen

Der Idee, mehr Studienplätze zu schaffen, steht auch der Rektor der Medizinischen Universität Wien, Univ.-Prof. D. Markus Müller gegenüber. Auf die Frage, der ORF-Radioinformation, ob es mehr Studienplätze brauche sagt er: “Mit Sicherheit nicht. Österreich hat eine relativ hohe Zahl an Medizin-Absolventen, eine hohe Zahl an Ärzten und Krankenhausbetten”. Er sieht keinen generellen Ärztemangel, sondern “Mangelfächer”. Besonders betroffen sei die Allgemeinmedizin und da vor allem in strukturschwachen Regionen. Als Kernproblem identifiziert Müller die “fehlende Attraktivität des Berufes zu den derzeitigen Bedingungen.” Ärztinnen und Ärzte würden häufig nicht ausbildungsgemäß eingesetzt, müssten Sekretariats- Pflege- und Hilfstätigkeiten ausführen. “Das ist ein Bild, das nicht attraktiv ist, wenn man es mit anderen Angeboten in Europa vergleicht”, so Müller. Mehr Studienplätze hält er für einen ineffizienten Lösungsansatz.

ÖH sieht Ursachen im Gesundheitssystem

Die Bundesvertretung der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) sieht die Probleme im Gesundheitssystem begründet. Schon im letzten Ausbildungsjahr, beim klinisch-praktischen Jahr bzw. dem 72-Wochen-Praktikum, gibt es höchstens eine kleine Aufwandsentschädigung – und das nicht flächendeckend. “Dass Studierende hier abwandern oder lieber in Städten tätig werden, muss vor allem im Gesundheitssystem angegangen werden”, sagt Dora Jandl vom Vorsitzteam der ÖH. Um mehr Zugang zu Bildung und weniger soziale Selektion zu gewährleisten unterstütz die ÖH darüber hinaus die Forderung der Landeshauptleute nach mehr Studienplätzen.

Qualität der Ausbildung

Die Qualität der Ärzteausbildung wurde evaluiert und ergab, dass sich die Benotung der Ärzteausbildung in den letzten Jahren nicht stark gebessert hat. Durchschnittlich wird die postpromotielle Ausbildung mit einem „schlechten Zweier“ bewertet. Ein weiterer Indikator für mangelnde Qualität der Basisausbildung ist, dass ein Drittel der Absolventinnen und Absolventen nach dem Studium ins Ausland gehen. Außerdem ist die Drop-out-Quote nach Vollendung des Studiums mit 38% sehr hoch. Fast jeder vierte Absolvent steigt nie in den Beruf ein oder nach kurzer Zeit wieder aus.

Die Ursachen sind vielfältig: Es gibt Lücken im Ausbildungskonzept, junge Ärztinnen und Ärzte verbringen häufig ihre Zeit mit Routinetätigkeiten wie Blut abnehmen oder dem Diktieren von Arztbriefen. Das sind Tätigkeiten die vom Pflegepersonal übernommen werden könnten um das ärztliche Personal zu entlasten. Dazu kommt, dass das Stammpersonal in Krankenhäusern zu wenig Zeit zur Verfügung hat um junge Ärztinnen und Ärzten zu unterweisen.

Ärztekammer fordert mehr Ressourcen für die Ausbildung

Vertreter der Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung Karlheinz Kornhäusl erläutert die Problematik wie folgt: „Es fehlt vielfach an personellen Ressourcen und an zeitlichen Ressourcen. Und ich glaube das muss eine zentrale Forderung sein (…) es ist eine Verantwortung und Verpflichtung der Spitalsträger diese Ressourcen zur Verfügung zu stellen.“

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass es geteilte Meinungen über die Strategien beim Kampf gegen den Ärztemangel gibt. Wie das Problem angegangen wird ist noch nicht entschieden.

Einigkeit herrscht unter den Stakeholdern des Gesundheitssystems derzeit nur über die Diagnose „Ärztemangel“. Konsens zur Therapie steht noch aus. Klar ist, dass junge Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung sich ein strukturiertes und verbindliches Ausbildungskonzept wünschen, dass ihnen eine Orientierung über die jeweilige Abteilungsstruktur, die Ausbildungsziele, die Zeitpläne, die Verantwortlichkeiten und die Ansprechpartner vermittelt

von Leonie Groman, Redaktion: Axel Beer