Dr.in Sara Zejnilović
1. Stellvertretende Sektionsobfrau
Sektion Turnusärzte,
Ärztekammer für Wien
Dass die Ärztekammer in Wien überwiegend von männlichen Kollegen geprägt ist, ist eine bereits seit Jahrzehnten bestehende Tatsache. Wer nun denkt, dies würde an einem höheren Anteil an Männern in der Wiener Ärzteschaft liegen, der irrt- von den derzeit insgesamt 13.885 ordentlichen Kammermitgliedern der Ärztekammer für Wien sind lediglich 47% männliche Kollegen.
Betrachtet man allerdings die Daten hinsichtlich Anzahl der FunktionärInnen der Wiener Ärztekammer, spiegelt sich diese Verteilung nicht mehr wieder. Prozentuell gesehen, machen Ärztinnen lediglich 35% der Gesamtheit aller FunktionärInnen aus. Doch was ist der Grund für diese Diskrepanz? Können sich Ärztinnen durch eine derartige Unterrepräsentation überhaupt adäquat vertreten fühlen oder ist eine ausgeglichene Geschlechterverteilung angesichts der gesellschaftlichen Gleichstellung von Mann und Frau in Österreich doch weniger relevant als vermutet?
Im Gespräch mit ärztlichen Kolleginnen ist ersichtlich, dass bei vielen eine gewisse Scheu vor standespolitischer Arbeit besteht. Auf einige mag womöglich die gewohnte männliche Prädominanz in diesem Bereich unattraktiv wirken, viele Ärztinnen sehen für sich auch nur geringe Chancen auf das Beziehen einer bedeutenden Position und verzichten somit grundlegend auf eine Mitarbeit in der Ärztekammer. Würde man das aus dem Gebiet der Psychologie bekannte „Identitätskonzept“ anwenden, müsste genau genommen in der Zielgruppe (= FunktionärInnen) der identische Prozentsatz der jeweiligen Geschlechter wie in der Grundpopulation (= ÄrztInnen in Wien) vorliegen, um „faire Quoten“ zu erreichen. Diesem Prinzip folgend, sollte der weibliche Anteil an FunktionärInnen sogar ganze 53% betragen, um eine entsprechende Vertretung der Gesamtheit der Wiener Ärzteschaft zu gewährleisten.
Unabhängig davon, ob nun diese Prozentsätze erreicht werden oder nicht, Fakt ist: Ärztinnen und Ärzte sollten durch einen ausgeglichenen Anteil an Männern und Frauen vertreten werden. Mehr Frauen müssten den Mut zeigen und die Möglichkeit erhalten, sich bei entsprechender Eignung für Spitzenpositionen zu bewerben – in der Ärztekammer sowie im Berufsleben. Zudem sollten wir Frauen uns noch intensiver dafür einsetzen, in unserer beruflichen Laufbahn auftretende Probleme und Hürden – etwa Schwangerschaft und Karenz betreffend – anzugehen und Lösungen für ebendiese zu erstreben. Auch hinsichtlich der Vereinbarung von Beruf und Familie besteht weiterhin insbesondere für Ärztinnen Verbesserungspotential. Selbst in der Chirurgie, als alt bekanntem männlich dominierten Fachgebiet, finden sich zunehmend Tendenzen in Richtung Förderung von Frauen, welche in diesem Bereich tätig sein möchten – warum also nicht auch in der Ärztekammer?
Erste Schritte wurden bereits gesetzt. Kolleginnen wie etwa Prim.a Dr.in Anna Kreil, Dr.in Naghme Kamaleyan-Schmied, Dr.in Marina Hönigschmid, DIin Dr.in Natalja Haninger-Vacariu oder Dr.in Anna-Christina Kichler sind vereinzelte Beispiele für Ärztinnen, welche sich in der Ärztekammer engagieren. Auch von Seiten des neu gewählten Kurienobmanns, Dr. Stefan Ferenci, hört man fortschrittliche Ideen – wie etwa die Etablierung eines Frauenförderungsprogramms, um vor allem Einsteigerinnen in die Standespolitik zu unterstützen. Eine Erhöhung des Frauenanteils im Vorstand wäre ebenso ein essentieller Beitrag zur Umwandlung der Kammer in eine moderne Interessensvertretung, welche die Gesamtheit der Wiener Ärztinnen und Ärzte angemessen vertreten kann.
Die Ärztekammer wird zunehmend weiblicher – auch wenn die Notwendigkeit dieser Bewegung womöglich von vereinzelten Kollegen mit konservativen Einstellungen eventuell nicht gesehen werden mag. Wir kommen langsamen, doch sicheren Schrittes im 21. Jahrhundert an, wo Geschlechtsstereotypen keinen Platz mehr finden. Letztendlich muss jedoch gesagt werden: Es liegt nicht an den anderen, liebe Kolleginnen; es liegt in erster Linie an uns! Die Zukunft ist, was wir daraus machen.