Vom Hobby-Musiker zum Medizin-Nobelpreisträger: James Allison, der in der Band “The CheckPoints” spielt, hat gemeinsam mit Tasuku Honjo den diesjährigen Medizin-Nobelpreis erhalten. Beide haben mit der Erforschung der immunologischen Checkpoints maßgeblich zur Entwicklung eines neuen Konzeptes in der Onkologie beigetragen.
Redaktion: Isabella Bartmann, Sophie Niedenzu
Ob Rock ‘n’ Roll, Blues oder Populärmusik: Die Band “The CheckPoints” deckt musikalisch einiges ab. Sie ist die Hausband der “Society for Immunotherapy of Cancer” (SITC) und ihre Mitglieder sind allesamt Onkologen und Krebsforscher, die sich auf Immuntherapie spezialisiert haben. Die Idee für die Gründung dieser Musikgruppe entstand vor über zehn Jahren auf einem ASCO-Kongress. Dort unterhielt sich Patrick Hwu (Keybord) vom University of Texas MD Anderson Cancer Center, eine der größten Krebskliniken in den USA, mit dem Medizinprofessor Thomas Gajewski (Gitarre) von der Universität Chicago über Musik. Um die Idee schließlich in die Tat umzusetzen, wurden noch zwei weitere Forscher hinzugezogen: Rachel Humphrey, MD, aktuell Leiterin von CytomX Therapeutics (Gesang) – und James Allison (Mundharmonika), wie Hwu als Forscher am MD Anderson Cancer Center in Texas tätig. “Es gibt viele Mediziner, die gerne Musik hören und auch spielen. Musik hilft, die rechte Gehirnhälfte, die kreative Seite, zu trainieren, um den Stress abzubauen”, sagt Hwu.
Nun hat der passionierte Hobby-Musiker den Nobelpreis für Medizin und Physiologie erhalten, den er sich gemeinsam mit dem Japaner Tasuku Honjo teilt. Beide haben unabhängig voneinander mit ihrer Grundlagenforschung entscheidend zu einem neuen Therapieansatz in der Onkologie beigetragen: Der Hemmung der negativen Immunregulatoren, den sogenannten Immun-Checkpoints. Die Nobelversammlung des Karolinska-Instituts in Stockholm begründete die Auszeichnung damit, dass ein völlig neues Wirkprinzip in der Onkologie entwickelt wurde. Somit ist es möglich, das Immunsystem zu unterstützen, Tumorzellen besser zu erkennen und in Folge gezielt zu attackieren.
Allison und Honjo arbeiteten am Tiermodell, die letztlich zu den wirksamen Substanzen und so zu einem Durchbruch in der onkologischen Therapie geführt haben. Zu den zugelassenen Indikationen zählen aktuell Melanom, nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom (NSCLC), Nierenzellkarzinom (RCC), Urothelkarzinom, Hodgkin Lymphom (HL), akute lymphatische Leukämie (ALL), Merkelzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom des Kopf-Hals-Bereichs (SCCHN).
Klas Kärre, Immunologe und Mitglie des Nobelkomitess sagte in einer Stellungsnahme: “Im Gegensatz zu früheren Therapieansätzen, die gegen die Krebszelle gerichtet waren, zielt diese Behandlung auf das Immunsystem der Krebspat
ienten ab. Zwar wurde die ersten Medikamente bereits vor einigen Jahren zugelassen, aber jetzt kennen wir auch die Langzeitergebnisse der Therapie und die sind überzeugend. Die aktuelle Therapie wirkt bei einer breiten Gruppe von Patienten. Manche überleben oder werden geheilt, bei anderen verlängert sich das Überleben von einem auf vier Jahre.“
Allison konzentrierte sich in seiner Grundlagenforschung auf das Protein CTLA-4, das die zytotoxischen T-Zellen und somit die Immunreaktion hemmt. Vor 20 Jahren publizierte er mit seinem Team, wie Mäuse mit transplantierten Tumoren mit Hilfe einer antikörper-spezifischen CTLA-Inhibition geheilt werden konnten. Basierend auf diesen Ergebnissen in den Tierversuchen wurde schließlich ein neuer Ansatz für die Tumortherapie entwickelt. 2010 kam dann der Durchbruch, als der monoklonale Antikörper Ipilimumab für Patienten mit fortgeschrittenem Melanom zugelassen wurde.
Tasuku Honjo forscht an der Universität Kyoto an einem weiteren negativen Immunregulator, dem Protein PD-1, das er 1992 entdeckte. Es wird ähnlich wie CTLA-4 aktiviert und bremst die T-Zell-Aktivität, der molekulare Mechanismus dahinter ist jedoch ein anderer. 2012 wurde die erste Studie mit einem wirksame PD-1 Inhibitor zur Therapie verschiedener Tumore publiziert.
Seitdem hat sich die klinische Forschung der Checkpoint-Inhibitoren kontinuierlich weiterentwickelt. So haben sich die Überlebenschancen von Patienten mit fortgeschritten Tumorerkankungen drastisch verbessert. Viele Studien widmen sich Steigerung der Wirksamkeit, der Reduktion unerwünschter Ereignisse und weiteren onkologischen Indikationen. Über 100 Jahre lang haben Forscher versucht das eigene Immunsystem für die Krebsbekämpfung anzukurbeln, mit unterschiedlichen Erfolgen. Erst die Arbeit der beiden Nobelpreis-Gewinner haben die aktuelle Revolution in der Onkologie möglich gemacht. (Isabella Bartmann, Sophie Niedenzu, 6.10.2018)
Über den Medizin-Nobelpreis
Der Medizin-Nobelpreis wird für bahnbrechende Forschung an bis zu drei Personen vergeben und ist mit neun Millionen Kronen (rund 870.000 Euro) dotiert. 2017 teilten ihn sich Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young, nämlich für Entdeckungen um molekulare Mechanismen, die den Biorhythmus kontrollieren.