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Das starre System und die fehlenden Anreize sind oft die Hauptgründe, warum der Schritt in die eigene Ordination überlegt wird.
Die Umstrukturierungen in den letzten Jahren im Bereich der Krankenhäuser haben dazu geführt, dass in vielen Bundesländern mehrere Spitäler zu Holdings zusammengeschlossen und somit übergeordnete Verwaltungsebenen eingeführt wurden. Neben einigen unbestrittenen Vorteilen hatte dies auch zur Folge, dass nun viele Entscheidungen zentral von der Holdingspitze gefällt werden und selbst die ärztliche Direktorin oder der ärztliche Direktor eines Krankenhauses nicht mehr die Entscheidungsgewalt wie in früheren Zeiten hatte. Somit wurden die vorgegebenen Strukturen im Krankenhaus immer unbeweglicher und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten sich diesen anzupassen.
Fehlende Leistungsanreize
Zudem sind parallele Führungsebenen innerhalb eines Krankenhauses („kollegiale Führung“) für schnelle Veränderungen und durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewünschte Optimierungen der Organisationsstruktur auf Abteilungs-, Stations- bzw. Ambulanzebene nicht unbedingt förderlich. Entweder müssen gewünschte Veränderungen auf Holdingebene abgesegnet werden oder man stößt auf Widerstände bei den anderen Berufsgruppen. Weiters ist mir über die Jahre aufgefallen, dass es in vielen Krankenhäusern keine oder kaum Leistungsanreize gibt – weder finanzielle noch andere. Primär basiert die Besoldung auf einem fixen System, das auf der Dauer des Anstellungsverhältnisses in der jeweiligen Funktion basiert. Eine Verhandlung von Gehältern auf Assistenz-, Fach- oder Oberarztebene ist nicht vorgesehen. Obwohl das Gehalt nur einen (mehr oder weniger großen) Teil der Mitarbeiterzufriedenheit ausmacht, ist die Besoldung nach einem starren System nicht unbedingt ein positiv prädiktiver Faktor für hohe Leistungsbereitschaft. Nichtsdestotrotz legt der Großteil der Kolleginnen und Kollegen die notwendige Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft an den Tag, möglichst viele Patientinnen und Patienten mit sehr hoher Qualität zu behandeln.
„Testphase“ als Vertretungsarzt
Das starre System und die fehlenden Anreize waren zwei der Gründe, warum ich mich schon seit längerer Zeit mit dem Gedanken gespielt hatte, den Einstieg in eine Ordination zu wagen. Nach mehreren Gesprächen mit niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, die diesen Schritt schon vor mehr oder weniger langer Zeit gewagt haben, hat sich mein Gedanke in einen Wunsch gewandelt. Da der Schritt von einer relativ „sicheren“ Anstellung in einem Krankenhaus in die Selbstständigkeit ein großer ist, wollte ich nichts überstürzen und habe einige Jahre lang in mehreren Ordinationen – neben meiner Anstellung im Krankenhaus – als Vertretungsarzt gearbeitet. In einer dieser Ordinationen stand ein Kassenvertrag zur Disposition, für den ich mich bewarb und der mir einige Monate später von den Krankenkassen (ÖGK, SVS, BVAEB, KFA) zugesprochen wurde.
Somit stand dem endgültigen Einstieg grundsätzlich nichts mehr im Wege. Bis es dann aber wirklich soweit war, waren noch viele Schritte zu setzen. Da eine Ordination de facto eine (kleine) Firma ist, sind neben der rein medizinischen Tätigkeit viele weitere Dinge zu berücksichtigen und zu planen.
Schritt 1: Finanzierung sicherstellen
Da ich nichts dem Zufall überlassen wollte, war der erste Schritt, eine Finanzierung für den Einstieg und auch für den Ausbau der Ordination zu organisieren. Hierfür war die Erstellung eines Businessplans inklusive Prognoserechnung notwendig. Nach vielen Terminen bei vielen Banken, die schlussendlich nicht nur die finanziellen Mittel zur Verfügung stellten, sondern auch betriebswirtschaftlich den einen oder anderen Tipp gaben, konnte die Finanzierung schlussendlich sichergestellt werden.
Schritt 2: Versicherungen prüfen
Als Angestellter kannte ich vielleicht noch die Haftpflicht-, die Rechtsschutz- und die Haushaltsversicherung. Mit Themen wie Betriebsunterbrechung, Berufsunterbrechung, Geräteversicherung, Feuerversicherung, Schutz vor Blitzschlag, Unfallversicherung, Versicherung bei Datendiebstahl usw. hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch wenig zu tun gehabt. Weiters war es notwendig, eine Krankenversicherung abzuschließen. Als niedergelassener Arzt besteht die Möglichkeit, sich entweder bei der ÖGK oder bei der SVS zu versichern. Da man als Arzt aber zu den sogenannten „freien Berufen“ zählt (ebenso wie Anwältinnen und Anwälte, Tierärztinnen und -ärzte, Steuerberaterinnen und -berater, Patentanwältinnen und -anwälte etc.) besteht auch die Möglichkeit, sich nur privat versichern zu lassen. Auch bei den Versicherungen waren viele Vergleiche zwischen den Anbietern erforderlich, um das richtige Produkt zu finden. Da diese Materie aber sehr komplex ist, empfiehlt es sich hier, eine Versicherungsmaklerin oder einen Versicherungsmakler, die oder der sich mit der medizinischen Thematik auskennt, um Rat zu fragen.
Schritt 3: Steuerberater auswählen
Wie bei den meisten Berufsgruppen gibt es auch unter den Steuerberatungsunternehmen Spezialistinnen und Spezialisten, die sich auf den Ärztemarkt konzentrieren und über entsprechende Expertise verfügen. Im Prozess der Übernahme einer Ordination geht es nur zu einem Teil um die klassischen steuerberatungstechnischen Tätigkeiten. Mindestens ebenso wichtig sind die Einschätzung des vorhandenen Ordinationsbetriebes und die Verhandlungen über die Bedingungen inklusive Festlegung der Ablösesumme. Hierbei ist es sinnvoll, eine Steuerberaterin oder einen Steuerberater zu haben, die oder der nicht nur ärztliche Ordinationen betreut, sondern auch schon mehrere Verhandlungen im Bereich Ordinationsübernahme durchgeführt hat. Im Vergleich dazu ist die eigentliche Erstellung des Übernahmevertrages – für den natürlich auch eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt mit entsprechender Expertise notwendig ist – weniger zeitintensiv.
Schritt 4: Ordinationsausstattung
Bei einer Ordinationsübernahme möchte man selbstverständlich auch seine eigenen Ideen umsetzen und viele Dinge in der Ordination verändern. Hierfür ist es primär notwendig, die bestehenden Prozesse gut zu analysieren, sich die gewünschten Änderungen zu überlegen und diese dann mit den (zukünftigen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umzusetzen. Hierzu kann die Anschaffung neuer Ordinationssoftware bzw. die Optimierung ebendieser gehören, organisatorische Änderungen oder die Anschaffung neuer medizinischen Geräte (z. B. neues Ultraschallgerät, Ergometrie etc.). Auch hier gilt wieder, die verschiedenen Anbieter zu recherchieren, sich bei persönlichen Terminen die Medizintechnik vor Ort anzusehen, diese zu testen und schlussendlich über den Preis zu verhandeln. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Schritt ist die Einbindung der neuen Geräte in die bestehende technische Infrastruktur.
Schritt 5: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen
Auch die technisch bestens ausgestattete Ordination kann ohne motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht funktionieren. Da man als Ordinationsinhaber über die Rechte und Pflichten seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informiert sein muss, empfiehlt es sich, zumindest den aktuell gültigen Kollektivvertrag und die Mitarbeiterverträge zu studieren. Der Vorteil beim Einstieg in eine bestehende Ordination ist, dass das Personal übernommen werden kann – sofern das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen. Nachdem über einen Weiterverbleib des bestehenden Personals nicht nur die Verträge wichtig sind, sondern auch die persönliche Ebene eine ausgesprochen wichtige Rolle spielt, ist es von großem Vorteil, wenn das Ordinationspersonal die neue Ärztin oder den neuen Arzt von der Tätigkeit als Vertretungsarzt schon gut kennt. Falls geplant ist, neue Leistungen in der Ordination anzubieten und man hierfür zusätzliche personelle Unterstützung benötigt, darf man sich auf die Suche nach zusätzlichem Personal machen.
Fazit: Gut gerüstet!
Neben diesen wichtigen Punkten gibt es noch (gefühlt) unzählige weitere Dinge, um die man sich vor dem Einstieg kümmern sollte. Wichtig zu wissen ist, dass die rein medizinische Tätigkeit vor allem in der Anfangsphase einen nur relativ kleinen Anteil darstellt. Kurz zusammengefasst, fühlte ich mich nach sehr langer Zeit der Vorbereitung bestens gerüstet für den Einstieg. Alle Eventualitäten, auch die sehr unwahrscheinlichen und absurd anmutenden, wurden gedanklich durchgespielt und das Projekt „Kassenordination“ wurde von mir (und von vielen anderen) als ein sehr sinnvolles und wirtschaftlich relativ risikoarmes Unterfangen bewertet.
Erfahrungsbericht eines niedergelassener Internisten, Wien