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Wen es ins Ausland zieht, der hat als Absolvent des Medizinstudiums verschiedene Möglichkeiten: Einen Teil der Ausbildung oder auch die gesamte Arztausbildung im Ausland zu absolvieren und später zurück nach Österreich zu kommen – oder im Ausland zu bleiben.
Redaktion: Sophie Niedenzu
Wie vielseitig Erfahrungen als Jungarzt im Ausland sein können, das erzählten sechs Ärzte aus den Fachgebieten Pädiatrie, Chirurgie, Radiologie, Dermatologie und klinische Pharmakologie bei der Veranstaltung „Junge Karriere in der Medizin.“, die von der Gesellschaft der Ärzte in Wien – Billrothhaus organisiert wurde.
Eine wichtige Botschaft des Abends war für Angela Zacharasiewicz, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde am Wilhelminenspital: „Nicht aufgeben, wenn etwas nicht funktioniert.“ Vor etwa 20 Jahren arbeitete sie in einer Forschungsgruppe am AKH, weil die Wartezeit für den Turnus mehrere Jahre betrug. Sie knüpfte dort zufällig Kontakte, die sie daraufhin nach Neuseeland brachten, wo sie an den Ursachen für die erhöhte Prävalenz für kindliches Asthma forschte. Eine wichtige Erfahrung war jene, dass dort „um Forschungsgelder, Positionen und Prestige mindestens genauso gekämpft wird wie überall anders, wenn nicht sogar mehr“. Manuskripte und Abstracts seien innerhalb kürzester Zeit korrigiert worden. Nach ihrer Rückkehr absolvierte sie ihre Facharztausbildung am Wilhelminenspital und erhielt ein Ausbildungsstipendium der Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie in London. Wichtige Fragen, die sich Auslandsinteressierte stellen sollten, seien: Gibt es bereits Erfahrungen von anderen Kollegen? Gibt es vor Ort einen Mentor? An welchen Projekten kann man mit dem Stipendium teilnehmen? Ihr sei wichtig gewesen, dass sie in London nicht nur an kindlichen Lungenerkrankungen forschen konnte, sondern auch Einblick in den klinischen Alltag erhielt.
Bei Rupert Florian begann alles mit einem Informationsabend der Ärztekammer, wo der Turnus in Schweden vorgestellt wurde. Dort dauert die Basisausbildung mindestens 18 Monate, davon werden neun Monate in internen und chirurgischen Fächern absolviert, drei Monate im Fach Psychiatrie und sechs Monate in der Allgemeinmedizin. Die Ausbildung sei vielfältig und es sei fix vorgesehen, in verschiedenen Krankenhäusern zu rotieren. Florian erhielt einen Intensivsprachkurs, einen Mentor für die gesamte Ausbildungszeit und Einstiegs- und Intensivkurse, etwa für Notfallambulanz. „Ein Allgemeinmediziner in Schweden muss viel leisten können, weil die Distanzen bis zur nächsten Gesundheitsversorgung groß sind“, erzählt er. Insgesamt sei der Zusammenhalt unter den Ärzten in Ausbildung sehr wichtig und werde durch Konferenzen gefördert. Bereits während den zwei Jahren in Schweden bewarb sich Florian für verschiedene Ausbildungsstellen in Österreich und absolvierte nach seiner Rückkehr von 2013 bis 2016 seine Facharztausbildung in der Dermatologie im Wiener Donauspital. Anschließend wechselte er ins Krankenhaus Hietzing. Dort befindet er sich gerade in der Ausbildung zum Dermatohistopathologen.
Georg Györi suchte eine strukturierte chirurgische Arztausbildung, eine definierte Zielsetzung und eine Betreuung mit Feedbackloops und Qualitätssicherung. Sein Fazit zur chirurgischen Ausbildung in Österreich: „Ich habe nicht sehr viel davon gesehen.“ Das würde sich aktuell zumindest teilweise ändern, aber zu seiner Zeit hätte er in der chirurgischen Arztausbildung nicht das gefunden, wonach er gesucht hatte. Jungmedizinern empfiehlt er, sich ein Ziel für sich selbst zu setzen und dieses zu verfolgen: „Gehen Sie raus aus Ihrer Komfortzone.“ In seinem Fall war die Lösung ein 2-jähriges klinisches Ausbildungsprogramm am Universitätsspital Zürich (USZ), denn nur eine längere Ausbildung ermögliche, entsprechend viele Transplantationen durchführen zu können. Mit seinem Vorgesetzten in Wien war eine Rückkehr von Anfang an ausgemacht. In der Schweiz fand er eine relative kleine Struktur vor, mit einer gezielten Ausbildung in der Transplantationsmedizin. Zurück in Österreich wurde er Oberarzt an der Wiener Universitätsklinik für Chirurgie. Eines seiner Ziele sei es, ein neues Ausbildungskonzept für Ärzte in Ausbildung zu erarbeiten und strukturierte chirurgische Fellowship umzusetzen. Ein abschließender Tipp für andere Jungärzte: „Hören Sie in Ihrer Ausbildung niemals auf, Fragen zu stellen.“
Auch Gerd Silberhumer hat einen Teil seiner Karriere im Ausland verbracht: Er erhielt ein Research Fellowship über zwei Jahre in den USA und habilitierte dort mit seinem Projekt über onkolytische Viren. Er arbeitete nicht nur wissenschaftlich in den USA, sondern bekam auch ein klinisches Stipendium – der Tagesablauf darain sei eine Mischung aus akademisch-chirurgischem Arbeiten gewesen: „Die Operationskultur in den USA unterscheidet sich von Europa und ist mit zwei aktiven Operateuren partnerschaftlich organisiert“, erzählt er. Der chirurgische Fellow operiere seiner Erfahrung nach so lange, bis er nicht mehr weiter weiß. Er arbeitet aktuell an der klinischen Abteilung für Allgemeinchirurgie an der Universitätsklinik für Chirurgie in Wien.
Lange Wartezeiten sind ein häufiger Grund, dass Jungmediziner sich dazu entscheiden, zumindest temporär ins Ausland zu gehen. Bei Cäcilia Reiner blieb es nicht beim Temporären: Sie hat ihre gesamte Arztausbildung in der Schweiz absolviert und ist heute leitende Ärztin am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am USZ. Dort habe sie eine strukturierte Ausbildung mit einer durchgeplanten und langfristigen Planung erlebt: „Der Vertrag galt für die gesamte Ausbildungszeit und ich konnte sowohl forschen, als auch klinisch arbeiten.“ Die Betreuung sei sehr intensiv gewesen, auf einen Facharzt kamen ein bis zwei Assistenzärzte. Zu bedenken sei aber, dass zwar keine Überstunden angefallen seien, aber die Arbeitstage 11 Stunden betragen haben. Reiner erhielt außerdem ein Forschungsstipendium für die USA. Wichtige Tipps für Interessierte seien nicht nur die Frage, welche Netzwerke in der eigenen Abteilung schon ins Ausland bestünden, sondern auch eine Planung mit dem Vorgesetzten, um nach dem Forschungsaufenthalt das Gelernte auch beruflich einsetzen zu können. In den USA habe ihr vor allem die Mentalität „Alles ist möglich und nichts ist unmöglich“ gefallen, außerdem zähle ihrer Erfahrung nach bei fachlichen Diskussionen jede Meinung, unabhängig von der hierarchischen Position. Zurück in Zürich habilitierte sie und wurde zur leitenden Ärztin befördert. Dieser kontinuierliche Karriereweg mit einem Förderer über die Arztausbildung hinweg sei auch ihr Hauptmotiv gewesen, nicht nach Österreich zurückzukehren, denn Entwicklungsperspektiven und eine systematische Ausbildung seien wichtig, unabhängig davon, ob das im Ausland geschehe oder im Inland.
Auch Stefan Weiler arbeitet aktuell am USZ, an der Klinik für Klinische Pharmakologie und Toxikologie. Nach Abschluss des Humanmedizinstudiums schloss er einen PhD in der klinischen Pharmakologie ab und wechselte mit dem Marie Curie Fellowship in das Inselspital nach Bern. Dort setzte er die klinische Forschung mit Fallkontrollstudien, Kohortenstudien und Metaanalysen fort und absolvierte die klinische Ausbildung für Allgemeine Innere Medizin, mit Fokus auf Notfallmedizin und Nephrologie. Nach Abschluss des Facharztes kehrte er zur klinischen Pharmakologie zurück und arbeitet nun am USZ besonders im Bereich der Arzneimittelsicherheit. „Die klinische Pharmakologie als Fach wächst und ist sehr vielfältig. Sie ist einerseits die Brücke zwischen Klinik und Forschung und andererseits wichtig für die Pharmakovigilanz“, sagt er. (Sophie Niedenzu, 11.5.2018)