Zwei, drei oder vier Klassen? Die Monopolisierung der Gesundheitsversorgung

Eine private Krankenanstalt bietet seit kurzem auch eine Notfallambulanz an. Patienten können sich dort selbst zuweisen, sollen rasch behandelt werden, mit den besten Geräten und mit bestmöglichem Service, keine Wartezeiten. Das geht nur, wenn der Patient eine spezielle Zusatzversicherung hat. Eine Zusatzversicherung der Uniqa, die gleichzeitig auch über eine 100%ige Tochter, der PremiQaMed-Gruppe, Betreiber der Privatklinik ist. Das ist ein weiterer Schritt in die Mehrklassengesellschaft. Private Zusatzkrankenversicherung alleine genügt nicht, man braucht eine besondere, eine Zusatzzusatzversicherung gewissermaßen.

Das kostet. Das können sich nur wenige leisten.

Auf der anderen Seite: Nunmehr verlangen auch die ÄrztInnen an den Ordensspitälern höhere Honorare. Zu recht. Ordensspitäler zählen zu den bestorganisierten im Land, erbringen viele Leistungen im Auftrag der öffentlichen Gesundheitsversorgung – etwa viele Dialysestationen für Wien. Sie arbeiten profitabel, bauen teilweise auf kundiges und kostengünstiges Personal aus den Ordensmitgliedern, haben ein eigenes elektronisches Informationssystem – sozusagen ein Elga Mini – und sind nunmehr auch gezwungen drastisch zu sparen. Sie erhalten von der öffentlichen Hand weit weniger als deren eigene Spitäler.

Zum Dritten: Im KAV rumort es weiter. Nicht so sehr wegen des Geldes und der Honorare, sondern wegen nicht einsichtiger neuer Diensteinteilungen, Schließungen von Abteilungen und Verzögerungen bei Aufbau neuer. Es wird zentralisiert, obwohl die Kapazitäten nicht ausreichend vorhanden sind. Und noch immer scheint die eine Hand nicht zu wissen, was die andere tut.

Die Gewerkschaft ist, spät aber doch munter geworden, kämpft gegen eine beabsichtigte Auslagerung des KAV aus dem Magistrat und Umwandlung in ein selbstständiges Unternehmen. Mit ein Grund, ist die Behübschung des städtischen Budgets, indem Defizite ausgelagert werden und gleichzeitig auch Pensionslasten von der Kommune wegkommen.

Das Management wird ausgeweitet und erhält deutlich mehr Durchgriffsrecht als bisher. Was das bedeutet und bringt: Kann man noch nicht sagen! Zumindest der Zeitpunkt der Debatte erscheint seltsam. Es gibt genügend andere Dinge zu lösen.

De facto entstehen damit in sich geschlossene Monopole: Private, Öffentliche und Hybride, die man als Private Public Partnership-Modell bezeichnen könnte. Mit dem Akzent auf Private. Gewinne werden maximiert und Verluste sozialisiert. Am Ende des Tages gewinnen immer die Privaten: Ob bei Schulprojekten, Autobahnen oder nun mehr in Krankenanstalten.

Dafür zieht sich die öffentliche Hand als Ordnungswesen immer stärker zurück. Gesundheitspolitische Visionen werden abgeschrieben.

Gesundheit wird dem Markt überlassen.

Freie Ärzte werden zu Dienstleistern in privatisierten oder semiprivaten Krankenanstalten, der niedergelassene Bereich zwischen den drei oder bald vier Monopolen aufgerieben. Man nennt das, die schleichende Abschaffung eines Berufes. Man macht ihn so lange und so konsequent unattraktiv, bis sich niemand mehr findet, der sich das antun kann oder will.

Die Chancen auf ein funktionierendes Gruppenpraxenmodell, das Missbrauch und Profitmaximierung verhindert, wurde nicht ausreichend realisiert.

Dafür werden mit aller Macht PHC im Eigentum von Ketten oder Kapitalgesellschaften forciert. Mittelfristig werden sie entweder zu Ambulanzen in Verantwortung der Sozialversicherungen (teuer, daher eher nicht favorisiert), in höherem Ausmaß aber zu Private Public Partnership-Modellen, mit kapitalstarken Investoren, die den Atem haben ein paare Jahre lang Verluste zu schreiben.

Auf diesen tönernen und teilweise vergoldeten Säulen steht die Zukunft unseres Gesundheitssystems. Das kann nicht funktionieren – zumindest nicht, wenn man Parameter wie niedrigschwelligen Zugang zur Spitzenmedizin, Gerechtigkeit für alle sozialen Schichten und soziale Wohlfahrt ansetzt.

Doch davon hat sich die Politik schon verabschiedet. Nicht aber die Ärzte. Ihr Protest wird nicht verstummen. Hartnäckigkeit ist angesagt.
Das als Weihnachtsbotschaft.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres
Präsident der Ärztekammer für Wien

http://blog.szekeres.at/

Fotocredit: Ärztekammer für Wien/Stefan Seelig