Beim 20. European Health Forum Gastein vom 4.–6. Oktober 2017 wurden drei Zukunftsszenarien diskutiert: „Die gesunde Zukunft liegt in den Gemeinden und Städten“, „Mit Eigenverantwortung die persönliche Gesundheit erhalten“ und „Technologische Innovation bestimmt Gesundheit“. Welcher Maßnahmen bedarf es heute, um die großen Gesundheitsunterschiede in Europa zu verringern?
Trotz der Tatsache, dass die Menschen älter werden, steigt die Anzahl der Lebensjahre in guter Gesundheit nur mäßig an. Zusätzlich bestehen hinsichtlich Lebensstil, Lebenserwartung und Ausgaben in der Gesundheitsversorgung große Unterschiede zwischen Ost- und Westeuropa. Eine spanische Frau lebt im Schnitt 20 Jahre länger als ein russischer Mann. Die SchweizerInnen werden im Schnitt nur ein bis zwei Jahre älter als die Deutschen und die ÖsterreicherInnen, verbringen aber fast zehn Jahre länger in guter Gesundheit. Die Gesundheitsausgaben der öffentlichen Hand liegen bei 11,4% des BIP (Bruttoinlandsprodukt) in der Schweiz bzw. rund 11% in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Schweden, Niederlande oder Österreich. Am wenigsten wird in Rumänien für Gesundheit ausgegeben, nämlich nur rund 5% des BIP. In Kaufkraft pro Einwohner umgerechnet, gibt Luxemburg jährlich fünfmal so viel Geld für die öffentliche Gesundheit aus wie Rumänien.
Wie wird es um die Gesundheit der Europäer in 20 Jahren bestellt sein? Werden wir eine höhere Lebensqualität erreicht haben, werden wir mehr Jahre in Gesundheit erleben dürfen? Konnten wir einen gesunden Lebensstil in unseren Alltag integrieren? Gibt es dann Vereinbarungen zwischen den Patienten und dem Staat, in denen die Eigenverantwortung des Einzelnen eingefordert wird? Haben sich die Medizin und die Medizintechnik so weit entwickelt, dass ohnehin (fast) jede Krankheit behandelbar ist, und konzentriert sich die Politik somit nicht auf die Gesunderhaltung der Menschen, sondern auf das rasche Heilen von Krankheiten?
Beim 20. Europäischen Gesundheitsforum Gastein wurden die vorläufigen Ergebnisse des „EHFG Health Futures Project“ erstmals präsentiert und intensiv diskutiert. Die Grundlage dafür bildete einer Reihe von Konsultationen von Experten aus ganz Europa. Diese Reflexionen haben zu drei Szenarien für die Gesundheit in Europa geführt:
Das „EHFG Health Futures Project“ hat auch Anregungen für Entscheidungsträger erarbeitet, welche in Gastein präsentiert und diskutiert wurden. Der Schwerpunkt liegt auf der Gesundheit der europäischen Bevölkerung. Es wird jedoch auch untersucht, wie globale Einflüsse in den möglichen Ergebnissen eine Rolle spielen werden.
Das erste Szenario – „Die gesunde Zukunft liegt in den Gemeinden und Städten“ – geht davon aus, dass soziale Ungleichheiten, Arbeitslosigkeit und Naturkatastrophen zu sozialen Unruhen geführt haben. In diesem Szenario steht die Erreichung einer besseren Lebensqualität und Lebenszufriedenheit im Vordergrund.
Im zweiten Szenario – „Mit Eigenverantwortung die persönliche Gesundheit erhalten“ – wurde ein Rückgang bei den Arbeitskräften, den Geburtenraten und den öffentlichen Finanzen angenommen. Weitere Annahme: Die Regierungen starten „Gesundheitsverträge“ und legen die jeweiligen Zuständigkeiten der Regierung und des Einzelnen für die persönliche Gesundheit fest. Der Fokus wird auf Prävention gelegt, die Menschen sind proaktiv und fördern bzw. überwachen ihre Gesundheit selbst.
Im dritten Szenario – „Technologische Innovation bestimmt Gesundheit“ – prägen die Regierungen den Gesundheitstechnologiemarkt proaktiv. Der Staat nimmt eine aktive Rolle als Vermittler ein, er fördert Innovationen mit Zuschüssen und gesundheitspolitische Entscheidungen werden sektorenübergreifend getroffen.
Das „EHFG Health Futures Project“ zielt darauf ab, den Entscheidungsträgern eine Reihe von politischen Optionen für Entscheidungen zu bieten, die in den nächsten Jahren getroffen werden müssten.
Die Diskussion um die Finanzierbarkeit von Arzneimitteln hält an – was ist der Wert von innovativen Therapien, welchen Preis dürfen sie haben?
In einem interaktiven Workshop in Kooperation mit der EFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industry and Associations) und der Firma Celgene wurden auf der Basis eines völlig neuen Simulationssystems Preisstrategien und Marketingentscheidungen von den Workshopteilnehmern getroffen. Das Podium unter dem Vorsitz von Nathalie Moll, der Generaldirektorin der EFPIA, war mit Experten aus den Fachrichtungen HTA, Health Outcomes und der Generalsekretärin des European Patient Forum prominent besetzt.
Anhand verschiedener Modellannahmen für biopharmazeutische Medikamente, unterschiedliche Indikationen und Patientenfälle musste das Publikum schwerwiegende Entscheidungen hinsichtlich der Fortführung von Studienprogrammen bzw. der Preisfindung einzelner Substanzen treffen.
Wie nicht anders zu erwarten, waren viele Entscheidungen der Teilnehmer extrem emotional motiviert. Ein Beispiel: Obwohl die Chancen für das Unternehmen gering waren, hatte sich die Mehrzahl für eine pädiatrische Indikation entschieden, die das Unternehmen im realen Leben wohl ruiniert hätte.
Doch wie ist dieses Preis-Simulationssystem überhaupt entstanden? Kevin Loth, Vice President Corporate Affairs and Policy bei Celgene, erläutert: „Ursprünglich war die Simulation nur für interne Zwecke gedacht – ein Hilfsmittel, um anhand von Beispielen zu nachvollziehbaren Entscheidungen zu kommen. Die Diskussion um die Preisfindung der biopharmazeutischen Industrie zieht aber immer weitere Kreise, weil das Thema so unglaublich komplex ist. Daraus ist die Idee entstanden, dieses Simulationsmodell zu veröffentlichen, um einen Dialog in Gang zu bringen und allen Stakeholdern bewusst zu machen, wie unglaublich vielschichtig die Problematik ist. Wie man im Workshop gesehen hat, sind diese Entscheidungen moralisch schwierig und jeder Mensch agiert in erster Linie emotional. Wir wollen mit Workshops wie diesem zeigen, wie wichtig uns die Einbindung des gesamten Systems in unser Denken und unser Handeln ist.“
Dr. Monika Beck, General Manager Celgene Österreich, ergänzt: „Celgene nimmt die Verantwortung, die wir gegenüber den Patienten haben, sehr ernst. Mit dem Preis-Simulationsrechner gelingt es, unterschiedlichsten Systempartnern zu zeigen, wie komplex die Herausforderung der Preisbildung unter dieser Prämisse ist. Der Preis eines Medikaments sollte niemals isoliert betrachtet werden. Wichtig ist, welche Auswirkungen das Medikament auf den Patienten und dessen Umfeld hat. Wegfall von Spitalsaufenthalten, Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, Entlastung pflegender Angehöriger, um nur einige zu nennen, sind hier wichtige Aspekte. Der Mensch muss dabei immer im Fokus der gesundheitspolitischen Betrachtungen bleiben.“
Das nächste European Health Forum Gastein findet vom 3.–5. Oktober 2018 statt.