Grundsätzlich gilt bei der Kontaktaufnahme von Marketing- und Sales-Mitarbeitern mit einem Arzt: „Gibt es keine Einwilligung, ist die telefonische und elektronische Kontaktaufnahme zu Werbezwecken nicht gedeckt. Zwar lässt sich so eine Kontaktaufnahme datenschutzrechtlich in der Regel mit berechtigtem Interesse rechtfertigen – die unerbetene elektronische Kommunikation ist aber gesondert im Telekommunikationsgesetz geregelt“, erläuterte der Experte für Datenschutzrecht Nino Tlapak, Rechtsanwalt der Kanzlei DORDA. Es gilt sich bewusst zu machen, dass „grundsätzlich jeder Inhalt, der für ein bestimmtes Produkt oder eine Idee wirbt, als Direktmarketing eingeordnet wird. In der Praxis ist das de facto alles, das unter den Aspekt PR und Werbung fällt“, so Tlapak weiter. Dazu gehören auch Informationen, die eine rufsteigernde Wirkung haben, oder Maßnahmen, die auf den Bedarf an bestimmten Leistungen hinweisen.
Mag. Francine Brogyányi, ebenfalls Rechtsanwältin bei DORDA, erklärte, dass es auch bei berechtigtem Interesse wie bei der Pflege der Geschäftsbeziehungen, zum Zwecke der wissenschaftlichen Information oder auch Marktforschung wichtig ist, auf die Formulierung und den Gesamteindruck zu achten. Das praktische Beschwerderisiko ist dort am niedrigsten, wo der Empfänger vorab klar kommuniziert hat, dass ein Interesse an einer konkreten Zusendung besteht. Brogyányi riet daher: „Nutzen Sie einen vorhandenen Aufhänger wie beispielsweise das bekundete Interesse an einem neuen Produkt und betonen Sie, dass Sie daran anknüpfend das Gespräch fortsetzen möchten.“ Wichtig ist dabei, dass dies nicht automatisch dazu führt, dass so sämtliche Kontakte auf allgemeinen Newsletter-Verteilern landen.
Folgendes ist beim Einholen der Einwilligung zu beachten: Eine Einwilligung muss freiwillig, für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich erteilt werden. Zudem muss sie jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufbar sein. „Betroffene müssen schon vor Abgabe ihrer Einwilligung über das Widerrufsrecht informiert und der Widerruf so einfach wie die Erteilung der Einwilligung ausgestaltet sein“, betonte Brogyányi. Verfügt ein Unternehmen – aufgrund einer laufenden Geschäftsbeziehung – bereits über entsprechende Kontaktdaten, ist dies kein Freibrief und es ist nicht von einer automatischen Einwilligung auszugehen. Denn „die Einwilligung muss durch eine aktive Handlung und vor Empfang der ersten Werbung erteilt werden“, so Tlapak.
Die Experten betonten auch, dass nicht sämtliche Aussendungen automatisch als Werbung einzustufen sind und eine Einwilligung voraussetzen. So ist beispielsweise das Versenden von Informationen über Medikamentennebenwirkungen an Ärzte unter dem Aspekt der Sorgfaltspflicht in vielen Fällen durch eine rechtliche Verpflichtung gedeckt. Tlapak: „In diesem Fall kann man bei richtiger Ausgestaltung nicht von einem Werbemail sprechen.“ Doch auch hier gibt es laut Brogyányi regulatorische Vorgaben, die mitbedacht werden müssen: „Laut § 73 Arzneimittelgesetz (AMG) gilt diese Bestimmung nämlich nur für Pharmareferenten gegenüber Ärzten. Wenn beispielsweise ein Medical Science Liaison Manager kein Pharmareferent ist, besteht für ihn keine begründete Verpflichtung zur Kontaktaufnahme und Informationsweiterleitung.“
Im Ergebnis kommt es daher laut den beiden Experten darauf an, dass das werbende Unternehmen eine belastbare Risikoabwägung vornimmt. Bei bestehenden guten Kontakten, die persönlich angeschrieben werden, ist das Risiko einer Beschwerde praktisch geringer als bei einer unpersönlichen Massenaussendung an bisher unbekannte „Interessenten“.