Corona: Wegbereiter für die Digitalisierung?

Digitalisierung muss die Dienstleistungsqualität erhöhen. Wenn das gelingt, ist sie gut eingesetzt und hat auch langfristig Bestand“, ist Unternehmer, Investor und Biolandwirt Mag. Martin Rohla überzeugt. Er lieferte in seiner Keynote wichtige Anregungen zum Thema Digitalisierung, vor allem in Verbindung mit Nachhaltigkeit, und gilt mit der Gründung eines EDV-Apotheken-Netzwerks im Jahr 1996 als einer der frühen Förderer der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Gewinn zu machen ist für ihn kein Tabuthema, ganz im Gegenteil: „Nur wenn Unternehmen profitabel wirtschaften, können sie langfristig den sozialen und ökologischen Impact haben, der von ihnen immer wieder gefordert wird“, sagt er und ermutigt die Branchenvertreter hinzuhören: „Wir werden mit Hiobsbotschaften überschwemmt, aber glauben Sie mir, es passieren aktuell viele positive Entwicklungen, die es zu erkennen und zu nutzen gilt!“ Geschäftsmodelle müssen in Teilprozesse zerlegt und Schritt für Schritt in Richtung einer innovativen Lösung transformiert werden.

Infektionsschutz oder Datenschutz?

DI Dr. Franz Leisch, Geschäftsführer der ELGA GmbH, ist überzeugt, dass die technische Basis für viele E-Health-Anwendungen längst vorhanden ist: „Oft scheitert es an rechtlichen, organisatorischen oder finanziellen Rahmenbedingungen, warum bestimmte Prozesse nicht so einfach digitalisiert werden können.“ In Zeiten einer Pandemie stellt sich aber nicht die Frage, ob der Infektionsschutz oder der Datenschutz Priorität haben soll. Doch schon jetzt zeigt sich, dass mit dem e-Impfpass nicht nur Prozesse digitalisiert, sondern auch Begehrlichkeiten geweckt wurden. „Wir erfassen nicht nur Daten, wir tragen auch die Verantwortung dafür. Aktuell haben wir eine Vereinbarung mit der AGES, die Information über Impfdurchbrüche und Impfungen von Lehrern und Schülern zu nutzen“, gibt Leisch Einblick.
Dr. Alexander Degelsegger-Márquez, Leiter der Stabsstelle „Digitale Gesundheit und Innovation“ in der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), bringt die Entwicklung auf den Punkt: „Vor zwei Jahren wussten wir alle nicht, wie ein gelungenes Pandemiemanagement auszusehen hat. Wir haben sehr viel erreicht, haben Über- und Unterversorgungen aufgedeckt und so rasch es in dieser Ausnahmesituation möglich war, reagiert. Der elektronische Impfpass und das e-Rezept haben gezeigt, was möglich ist. Wir arbeiten nach wie vor mit Hochdruck daran, nachhaltige und moderne Systeme zu finden, wie wir die vielen Daten auch sinnvoll nutzen können.“

Ins Tun kommen

Dr. Irene Fialka, CEO des Hightech-Business-Inkubators der Stadt Wien (INiTS), fordert mit Nachdruck mehr politischen Willen zur Umsetzung: „Zur Digitalisierung gibt es viele Konzepte, wir müssten vieles auf den Weg anstatt zu Papier bringen.“ Dass es dazu Unternehmertum und Mut zum Risiko braucht, ist für Fialka auch klar. Zur Frage, ob der Datenschutz ein Hemmschuh sein könnte, bringt sie einen Vergleich zu unseren deutschen Nachbarn: „Die Hälfte der dortigen Ethikkommissionsbeschlüsse scheitert am Datenschutz. Das heißt, dass 50% aller innovativen Ideen für Patienten nicht realisiert werden können, weil Forscher sich den Aufwand nicht mehr antun!“

Versorgungssicherheit ist oberstes Gebot

Unabhängig davon, auf welcher Stufe des Behandlungsprozesses digitale Anwendungen eingesetzt werden können – die sichere und lückenlose Versorgung der Patienten muss im Vordergrund stehen. Daher hat die AUSTROMED schon vor der Pandemie beharrlich auf den zentralen Stellenwert von Innovation und des Wirtschaftsstandorts Österreich hingewiesen. Zusätzlich wurde im Vorjahr ein breiter Diskussionsprozess initiiert, um mit Entscheidungsträgern aus Spitälern, den Ländern, der Bundespolitik, Vertretern von Gesundheitsberufen und ­Patienten die dazu erforderlichen Eck­punkte abzustecken. Das Ergebnis ist das „Weißbuch Medizinprodukte“, in dem die Forderungen und Standpunkte transparent ­zusammengefasst sind.
Ein Update wurde nun im Rahmen der Herbstgespräche präsentiert. Zentraler Punkt dabei: eine umfassende Definition des Stichworts Versorgungssicherheit. „Das ist wichtig, denn bei fehlender konkreter Begriffsbestimmung können auch keine Versorgungsziele oder -strategien erarbeitet werden. Diskussionen bleiben an der ­Oberfläche und im Fall einer neuerlichen Gesundheitskrise stünden wir alle erneut vor denselben – ungelösten – Fragen“, ist Gerald Gschlössl, Präsident der AUSTROMED, überzeugt. Er ist sich sicher, dass die ­Pandemie bestimmte Entwicklungen, insbesondere im Bereich Digitalisierung, beschleunigt hat und es kein „Zurück“ mehr gibt: „E-Rezept und e-Impfpass haben sich als praktisch und alltagstauglich etabliert. Patienten wollen nicht mehr zurück in die Zeit der Zettelwirtschaft. Wir müssen uns als Industrie und Handel an diese Wünsche anpassen.“ Daher hat die AUSTROMED eine eigene Taskforce „Digitalisierung“ ­gegründet. Die Gruppe erarbeitet unter ­anderem eine gemeinsame Position zur Finanzierung von digitalen Gesundheits­anwendungen, sogenannten DiGA, wie z.B. Apps auf Rezept. Gschlössl: „Österreich hat hier die Chance, mit einem transparenten und planbaren ­Finanzierungsprozess eine international führende Stellung in der ­Entwicklung von digitalen Gesundheitsanwendungen einzunehmen.“

Die AUSTROMED-Definition zur Versorgungssicherheit
„Versorgungssicherheit in Bezug auf Medizinprodukte bedeutet die stetige, kurz- wie langfristige, unterbrechungsfreie Versorgung der (österreichischen) Bevölkerung mit ausreichend und qualitativ ihren Einsatzzweck erfüllenden Medizinprodukten.“
Forderungen der AUSTROMED im „Weißbuch Medizinprodukte“
➔ Klare Definition des Stichworts Versorgungssicherheit: Die Medizinprodukte-Branche muss stärker eingebunden werden – sowohl bei der Vorbereitung auf Pandemien als auch im Ernstfall.
➔ Agieren von Beschaffern und Lieferanten auf Augenhöhe: Hohe Qualitätsstandards und wechselseitige Verpflichtungen in Beschaffungsverfahren steigern deren Fairness und die Versorgungssicherheit.
➔ Pandemie-Lagerhaltung nicht auf Kosten von Industrie und Handel: Von durchdachter Lagerhaltung unter Einbindung der Medizinprodukte-Branche profitiert das gesamte Gesundheitssystem.
➔ Wirtschaftspolitisches Commitment zum Standort Österreich und Europa: Produktion und Beschäftigung im eigenen Land zählt – besonders im Pandemiefall!
➔ Politische Unterstützung für Benannte Stellen in Österreich: Lokale Expertise bei Behörden und Benannten Stellen dient der strategischen Stärkung des Standorts Österreich.
➔ Hoher Stellenwert von Qualität und Innovation: Innovation statt Bürokratie, Qualität statt Preisdumping – davon profitieren letztendlich die Patienten.
Das „Weißbuch Medizinprodukte“ sowie das Update finden Sie auf der Website der AUSTROMED unter: www.austromed.org/publikationen/sonstige-publikationen/

Quelle: AUSTROMED-Herbstgespräche: „Zurück in die Zukunft! Was wird vom Corona-Digitalisierungsschwung im Gesundheitswesen bleiben?“, 5.11.2021, Wien